Urteil über Flandern
Der Europäische Gerichtshof hat ein Aufsehen erregendes Urteil über die flämische Pflegeversicherung gesprochen. Demnach sei das System diskriminierend für alle EU-Ausländer, die in Flandern arbeiten, aber nicht in Flandern wohnen. Die kommen nämlich nicht in den Genuss der Pflegeversicherung.
Wieder einmal wird Flandern von einer internationalen Institution zur Ordnung gerufen, heben in diesem Zusammenhang viele frankophone Zeitungen hervor. Erst vor einigen Wochen hatte die UNO den flämischen "wooncode" kritisiert, der Europarat fordert in regelmäßigen Abständen einen besseren Schutz von Sprachminderheiten in Belgien, und jetzt die Pflegeversicherung: Flandern bringt Belgien in Misskredit, meint La Libre Belgique. Vielleicht ist es so, dass internationale Einrichtungen Belgien nicht verstehen, doch sollten wir uns dann die Frage stellen, ob das Land überhaupt noch zu verstehen ist, auch für seine Bürger.
Für die Wirtschaftszeitung De Tijd muss Flandern grundsätzlich seine Politik überdenken. Für Flandern gilt das Territorialprinzip: entscheidend ist, wer in Flandern wohnt. Für die EU hingegen ist nur wichtig, wo ein Mensch arbeitet.
Auch die Börsenzeitung L'Echo sieht angesichts des Urteils über die Pflegeversicherung einen Zusammenhang mit Flanderns Auffassung des Territorialprinzips. Die flämischen Nationalisten messen nur dem Wohnort Bedeutung bei, in ihrem Fall: Flandern. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes stellt in diesem Zusammenhang eine schallende Ohrfeige für die flämischen Nationalisten dar. Flandern muss endlich einsehen, dass das Territorialprinzip im Europa des 21. Jahrhunderts keine Existenzberechtigung mehr hat.
Gazet Van Antwerpen ist indes wütend auf die Frankophonen. Diese missbrauchten ständig internationale Organisationen, um Flandern zur Ordnung rufen zu lassen. Und leider spielt Europa dieses Spielchen auch noch mit. Jetzt ist also die flämische Pflegeversicherung an der Reihe, an der auch die Frankophonen teilhaben wollen. Da stellt sich die Frage: Können die Frankophonen wirklich nichts alleine machen? Dies beweise einmal mehr, dass eine gründliche Staatsreform absolut unabdingbar sei, meint die Zeitung.
Ähnliche Töne auch von Het Belang Van Limburg: Die N-VA habe recht, wenn sie den Frankophonen Neid unterstelle. Flandern respektiere gewisse Entscheidungen der Frankophonen. Im Gegenzug sollten die Frankophonen auch die Flamen gewähren lassen. Ansonsten sei es bald um das gegenseitige Vertrauen und die Loyalität in diesem Land geschehen. Ohne eine Staatsreform drohe Belgien die Implosion, glaubt das Blatt.
Le Soir bemerkt, dass das europäische Urteil noch keinen Schlussstrich zieht. Vieles bleibt offen, so etwa die Frage, ob Wallonen, die in Flandern arbeiten, in den Genuss der flämischen Pflegeversicherung kommen können oder nicht. Erst der belgische Verfassungshof wird über die flämische Pflegeversicherung ein verbindliches Urteil fällen. Doch darauf sollten die Wallonie und Brüssel nicht warten. Sie sollten eine eigene Pflegeversicherung auf die Beine stellen, im Sinne der Senioren in Schaerbeek oder Lüttich.
Drohender Sozialkonflikt im Einzelhandel und Gehälter der Top-Manager
Die flämischen Tageszeitungen De Standaard und Het Volk berichten auf ihren Titelseiten über einen drohenden Sozialkonflikt im Einzelhandel. In einigen großen Warenhausketten sei das soziale Klima vergiftet. Streit gibt es über die Frage, ob die Supermärkte am 2. Mai geschlossen bleiben sollen oder nicht. Die Gewerkschaften pochen auf einen zusätzlichen Feiertag, da der 1. Mai und Christi Himmelfahrt in diesem Jahr auf den selben Tag fallen.
In ihren Kommentaren gehen beide Zeitungen noch einmal auf die Gehälter von Topmanagern ein. Der große Chef des Geld- und Versicherungsinstituts Fortis wird in diesem Jahr ein Grundgehalt von 1,3 Millionen Euro kassieren. Und da seien die Prämien noch nicht mitgezählt, betont Het Volk. Dies entspricht einem Plus von fast 75 %. Für die Chefetagen gibt es also keine Lohnnorm. Und das macht die Arbeitgeber unglaubwürdig, erst recht vor dem Hintergrund der bald anstehenden Tarifverhandlungen für den Privatsektor.
De Standaard rät seinerseits davon ab, dass der Staat Obergrenzen gesetzlich verordnet. Die Erfahrung zeige, dass die Gesetze des freien Marktes stärker sieien als staatliche Regelwerke. Vielmehr sollten die Aktionäre sich ihrer Macht bewusst werden. Sie hätten die Möglichkeit, den Managern die Grenzen aufzuzeigen, notiert die Zeitung.
Prozess Fourniret
Viele Zeitungen gehen heute auch auf den Prozess gegen den mutmaßlichen französischen Serienmörder Michel Fourniret und seine Frau Monique Olivier ein.
La Dernière Heure zitiert Fourniret auf seiner Titelseite mit den Worten: "Ich habe nie verheimlicht, dass ich ein Monster bin". Das Blatt bringt auch einige Fotos des weißen Lieferwagens, den Fourniret bei seiner Jagd auf neue Opfer benutzte.
Auch Het Laatste Nieuws und Vers L'Avenir beschäftigen sich mit dem Fahrzeug. So habe Fourniret unter anderem die Beifahrertüre so manipuliert, dass sie von innen nicht zu öffnen gewesen sei. Fournirets Opfer saßen buchstäblich in der Falle.