Die Ansprache
Am Wochenende hat sich Leterme mit einer kleinen Ansprache auf der Website seiner Partei über Internet an die Bevölkerung gewandt.
De Standaard bemerkt: Der Stil erinnerte an die Weihnachtsbotschaft des Königs. Leterme sprach in zwei Landessprachen, in einem sehr ruhigen Ton, mit einem Blumenstrauß im Hintergrund.
Het Volk stellt fest: Yves Leterme ist auferstanden. Aus seinem Wohnzimmer richtete er sich an "die Menschen". Mit einer Videobotschaft im Internet, wie das zu einem modernen Staatsmann passt. Es war eine originelle und effiziente Idee. Leterme hat damit viel mehr erreicht als mit einem klassischen Pressecommuniqué. Er hat sich menschlich gezeigt und geht daraus besser und stärker hervor. In dem kleinen Film profiliert er sich als Staatsmann. Er sprach in den beiden Landessprachen und richtete sich mithin an die ganze Bevölkerung.
Le Soir hingegen hält das Filmchen für pathetisch und fragt sich: Welche Botschaft will dieser ewige Kandidat mit einer sanften Stimme über Internet verbreiten? An erster Stelle, dass er in dieser Welt der Grobiane ein Herz hat. Er wendet sich an alle, die leiden, und erklärt, dass es nichts Schöneres gibt als die Solidarität.
Regierungsaussichten
Zur gleichen Zeit versprechen seine Parteifreunde den Frankophonen eine gemeinschaftspolitische Apokalypse. Dazu schreibt Le Soir: Dieses Land braucht Staatsmänner, die die Völker vereinen, keine halbherzigen Politiker und keine Raubtiere. Entweder die Spitzenpolitiker kommen wieder zur Vernunft oder man verlängert noch einmal die Amtszeit von Verhofstadt oder man schreibt Neuwahlen aus. Hoffentlich kommt es zur ersten Lösung.
Het Laatste Nieuws findet: Bisher konnten Leterme und Reynders gut miteinander auskommen. Doch Reynders hat das Verhältnis zerstört. Seine harte Haltung gegenüber der CD&V ist zwar vor allem für sein frankophones Publikum bestimmt, doch sie lässt nichts Gutes für die bevorstehenden Verhandlungen ahnen. Für das politische Genie aus Lüttich kann das Ergebnis nur das Gegenteil dessen sein, was er beabsichtigt. Je härter er über das Kartell CD&V/N-VA wettert, desto stärker rückt dieses zusammen. Reynders ist vielleicht ein politisches Genie, aber Psychologie muss er erst noch lernen.
De Morgen notiert: Reynders beschnüffelt die Grünen und die flämischen Sozialisten. Er empfängt heute die Vorsitzenden dieser drei Parteien, doch durch den Widerstand der flämischen Koalitionsparteien erwartet niemand, dass das zu einer Ausweitung der Regierung führen wird. Reynders stellt auch die Verteilung der Ministerämter zur Diskussion. Er hat zu verstehen gegeben, dass sich das politische Gewicht nach dem Abhaken der N-VA verlagert hat, und dass seine Partei jetzt höhere Ansprüche stellt. Es heißt, er beanspruche das Haushaltsministerium für die MR.
De Standaard bezeichnet Reynders als harte Nuss. Yves Leterme wird es viel Mühe kosten, den frankophonen Liberalen daran zu hindern, interne Opposition zu führen. Drei Wochen vor dem Start der Leterme-Regierung gibt es noch keinen sozialwirtschaftlichen Text, über den die künftigen Koalitionspartner sich einig wären. Reynders hat im Rückzieher der N-VA ein neues Argument gefunden, um Leterme das Amt des Premierministers nicht zu gönnen. Die CD&V muss mindestens einen Ministerposten aufgeben, um Reynders entgegen zu kommen.
Het Belang Van Limburg schreibt: Die NV-A-Erben der Volksunie schienen im Jahr 2004 einen meisterhaften Schachzug gemacht zu haben, als sie ein Kartell mit der CD&V zustande brachten. Man kann jetzt verstehen, dass die N-VA ohne ausreichende Garantien für eine Staatsreform nicht der Regierung beitreten will. Doch früher oder später muss sie ihre Verantwortung übernehmen. Es ist grotesk, dass die Partei sich weigert, in der Leterme-Regierung mitzumachen und sich bei der Vertrauensabstimmung enthalten will, während sie im Dezember der Verhofstadt-Regierung ihr Vertrauen gab. Sie ist es ihren Wählern schuldig, mit ihrem Mandat etwas Nützliches anzufangen. Die N-VA darf nicht im Abseits bleiben.
Die Wahlen in Russland
Zu den Präsidentschaftswahlen in Russland heißt es in La Libre Belgique: Die Beobachter des Europarats konnten in Moskau das traurige Schauspiel eines großen, theoretisch europäischen Landes beobachten, das eine Parodie der Demokratie aufführte. In acht Jahren seiner Herrschaft hat Putin dem gedemütigten Staat seine Ehre zurückgegeben. Heute ist Russland wieder mächtig und hochmütig. Es flößt wieder Furcht ein, aber keine Bewunderung.