Erst dann wollte sie ihre Zustimmung für einen flämischen Beitrag zur Sanierung der föderalen Finanzen geben. Diese Taktik und die Verhandlungen im Rat der Weisen stehen im Mittelpunkt der heutigen Kommentare.
Für La Derniere Heure hat Flandern durch seine Haltung den Staatshaushalt als Geisel genommen. Doch Gazet van Antwerpen ist anderer Meinung. Es ist Unsinn, zu behaupten, Flandern erpresse die Föderalregierung, die Geldnöte hat, um Fortschritte bei der Staatsreform zu erzielen. Die halbe Milliarde Euro, die Flandern an die Staatskasse überweisen soll, entsprechen genau der Summe, die Brüssel für seine öffentlichen Verkehrsmittel fordert.
Es ist nur selbstverständlich, dass der flämische Ministerpräsident vorsichtig ist, wenn es darum geht, Brüssel flämisches Geld zukommen zu lassen. Brüssel ist eine Stadt, in der die Flamen nicht willkommen sind, und die ihre politischen Führer noch auf andere flämische Gemeinden ausdehnen wollen. Es gibt keinen Grund, weshalb Flandern ihr Geschenke machen sollte.
De Morgen schreibt: Die flämische Regierung versuchte, durch den Haushalt einen ersten Schritt in der Staatsreform zu erzwingen. Wenn der Plan gelingt, kann die CD&V behaupten, dass die flämischen Christdemokraten weitere Befugnisübertragungen erreicht haben, dass die CD&V so den Staatshaushalt gerettet hat, und dass der flämische Ministerpräsident Peeters den Weg für Yves Leterme als Premierminister geebnet hat. Doch Peeters selbst weiß genau, dass seine Strategie dazu führt, dass kurzfristig keine große, dauerhafte Änderung der belgischen Institutionen kommt. Solange es keine Mehrheit für eine solche Staatsreform gibt, ist diese undurchführbar.
Le Soir stellt fest: Die Gemeinschaftspolitik ist aus dem Hintergrund in den Vordergrund getreten. Sie hat mehr Gewicht als das allgemeine Interesse, und sie lähmt die Arbeit des Staates. Die Mehrheitsparteien sind die Geiseln ihres eigenen Unvermögens geworden, leidenschaftslos eine Staatsreform durchzuführen. Dabei wäre diese eine Chance für das Land, das sich verändern will. Leider wird man sich an diese Situation gewöhnen müssen. Selbst die wichtigsten Aufgaben kann man hierzulande nicht erfüllen, ohne dass die Lösung einen gemeinschaftspolitischen Aspekt enthält.
Het Belang van Limburg fragt sich: Wenn schon ein Abkommen über Kleinigkeiten so schwierig ist, was wird man noch erleben, wenn über die zweite Phase der Staatsreform und Brüssel-Halle-Vilvoorde diskutiert wird. Es ist dramatisch. Die Politiker werden sich über die kleinsten Dinge nicht einig. Die Flamen und die Frankophonen haben keine Gemeinsamkeiten mehr. Anstatt jetzt noch viel Zeit damit zu verschwenden, ein Gebilde zusammen zu halten, das nicht mehr besteht, sollte man sich daran machen, die definitive Scheidung vorzubereiten.
Het Volk findet: Es wäre besser, zuerst ein Abkommen über die Staatsreform und die Sozial- und Wirtschaftspolitik zu erzielen, ehe man sich an den Haushaltsentwurf heran macht. Indem die Regierung zuerst ihre Rechnung aufstellt und erst dann überlegen will, was getan wird und wer was bezahlt, stellt sie die Welt auf den Kopf. Es war vorherzusehen, dass die flämische Regierung die föderale Haushaltslücke nicht stopfen würde, so lange es keine garantierten Fortschritte bei der Staatsreform gibt. Erst die Gemeinschaftspolitik und dann der Rest. Das ist seit dem 10. Juni so.
La Libre Belgique fügt hinzu: Man muss die Politiker bewundern. Wo finden sie die Motivierung, den Mut und die Lust, stundenlang über einen kleinen Satz oder ein paar Zahlen zu verhandeln und das für einen Lohn, der zehnmal kleiner ist, als der der Industriekapitäne. Doch andererseits können die Bürger nicht zufrieden sein. Die Politiker schließen Abkommen, die so kompliziert sind, dass die Bürger sie nicht verstehen. Sie handeln Kompromisse aus, die so spitzfindig sind, dass sie sofort verschieden ausgelegt werden. Es ist gut, dass die Politiker Belgien retten wollen. Doch weshalb tun sie es nicht mit größerer Anmut, mit Talent, mit Klasse, mit Schneid und mit Kühnheit?