"Die Freilassung, die unvorstellbar ist", titelt La Libre Belgique, "Dutroux, warum sich das Land aufregt", so Le Soir und "Dutroux will den Zirkus gar nicht", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Heute beginnt im Brüsseler Justizpalast die Verhandlung darum, ob Marc Dutroux vorzeitig aus der Haft entlassen werden darf. Der verurteilte Kindermörder hat einen entsprechenden Antrag gestellt.
Zur Erinnerung: 1996 war Dutroux verhaftet worden. Er hatte vier Mädchen getötet, zwei weitere entführt, alle gequält und zum Teil sexuell missbraucht. Ein Gericht verurteilte ihn zu lebenslanger Gefängnisstrafe. Für Belgien ist er seit seiner Verhaftung zu einem Trauma geworden. Dieses Trauma, so sind sich alle Zeitungen einig, ist noch immer nicht überwunden. Es ist dafür verantwortlich, dass die heutige Gerichtsverhandlung so viel Wirbel macht, so viel Emotion weckt, so viel Irrationalität.
Dutroux - Wie der Rattenfänger von Hameln
Le Soir zum Beispiel macht das an dem Gesetz fest, das die Bedingungen für vorzeitige Haftentlassungen verschärfen soll. Würde es jetzt schon gelten, hätte Dutroux noch keinen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen können. Die Zeitung schreibt: Dutroux ist wie der Rattenfänger von Hameln. Er bläst in die Flöte, alle verlieren den Kopf und folgen ihm ohne Verstand. Denn natürlich ist der Ausgang der Verhandlung schon jetzt klar: Dutroux wird nicht freikommen. Doch alle tun so, als ob diese Gefahr besteht. Die Politiker verabschieden jetzt ganz schnell ein Gesetz, um die Bevölkerung zu beruhigen. Dabei wird das Gesetz für Dutroux keine Wirkung haben können. Der ganze politische Aktivismus ist deswegen Augenwischerei. Eine Ausgeburt des kollektiven Traumas. Denn ein freier Dutroux ist reine Fiktion, schreibt Le Soir.
Ähnlich sieht das L'Avenir: Bei einem konstruktiven Gesetz ginge es darum, zu überlegen, wie man Verurteilte nach ihrer Freilassung besser wieder in die Gesellschaft eingliedern kann. Oder darum, die Haftbedingungen so zu gestalten, dass die Menschen sich bessern. Aber allein der Name Dutroux macht solche rationalen Diskussionen unmöglich, ruft eine grundlegende Abscheu hervor. Deshalb ist ganz klar, was das neue Gesetz ist. Eine irrationale Antwort auf etwas, was alle Belgier bis heute nicht verstehen können, urteilt L'Avenir.
Appell an der Verantwortung der Richter
La Dernière Heure appelliert an die Verantwortung der Richter: Das Brüsseler Gericht muss genau zu der Entscheidung kommen, die alle jetzt schon glauben zu kennen, nämlich die Ablehnung des Antrags von Marc Dutroux. Das ist die Justiz den Eltern der Opfer schuldig. Denn auch sie sind eingesperrt in Mauern des Schmerzens, in die sie Dutroux gesperrt hat. Der eine frei, die anderen weiter eingekerkert, das soll unmöglich bleiben, findet La Dernière Heure.
Gazet Van Antwerpen ärgert sich über den Aufwand, der für die Verhandlung in Brüssel betrieben wird: 50.000 bis 100.000 Euro sollen die Sicherheitsmaßnahmen für Dutroux kosten. Für den Transport aus dem Gefängnis in Nivelles nach Brüssel, die Bewachung des Justizpalasts, die Fahrt zurück. Da klagen die Magistrate des Justizwesens über fehlendes Geld und geben für einen Mann, der es nun wirklich nicht verdient, plötzlich solche Summen aus. Nur um ihre Unabhängigkeit zur Schau zu stellen. Das ist unpassend und anwidernd, schreibt Gazet Van Antwerpen.
"De Wever hat nichts gegen Homos. Aber…"
Mehrere flämische Zeitungen greifen eine Polemik auf, die der Bürgermeister von Antwerpen, Bart De Wever, hervorgerufen hat. Der N-VA-Chef hat städtischen Mitarbeitern verboten, sogenannte Regenbogen-T-Shirts während ihres Dienstes zu tragen. Diese T-Shirts seien Ausdruck der Homosexualität. Solche Zeichen der sexuellen Ausrichtung haben keinen Platz in einer städtischen Verwaltung, so De Wever.
De Standaard kritisiert: Ein solches Verbot ist nicht gut. Es fördert nicht das Zusammenleben unterschiedlicher Gruppen. Gerade in einer Stadt wie Antwerpen, die längst multikulturell geworden ist, ist das ein bedauerliches Signal.
In die gleiche Richtung kommentiert De Morgen. Man muss klar stellen: Bart De Wever hat nichts gegen Homos. Aber sie sollen ihre Vorlieben nicht zur Schau stellen. Die Botschaft des Verbots ist dann auch eine andere. De Wever möchte zeigen: In seiner Stadt, dort wo die nationalistische N-VA regiert, soll es so aussehen, wie er es will, wie er sich Flandern vorstellt. Alles, was anders ist - Kleidung, Meinung und Glauben - soll lächerlich gemacht werden.
Staatssicherheit wirft Fragen auf
Einige Zeitungen kommen auf die Überwachung von Föderalpolitikern durch die Staatssicherheit zurück. De Morgen hatte am Samstag Informationen aus einem Geheimdokument veröffentlicht. Demnach werden Spitzenpolitikern schon seit Jahren auf verdächtige Kontakte überprüft. Justizministerin Annemie Turtelboom wusste davon wohl nichts und ist jetzt verärgert: "Justizministerin beantragt Anhörungen zur Staatssicherheit", berichtet De Morgen über die Reaktion der Ministerin und Het Nieuwsblad kommentiert: Das ist eine komische Angelegenheit mit noch vielen Fragezeichen. Zum Beispiel: Warum beobachtet der Staatsschutz Politiker und setzt das Personal nicht für den Kampf gegen den Terrorismus ein? Was immer auch herauskommen mag: Das alles wirft Fragen auf, wie unabhängig unsere Politiker tatsächlich ihre Entscheidungen treffen, schlussfolgert Het Nieuwsblad.