Im Einzelnen:
"Dutroux-Opfer ziehen Justizministerin vor Gericht", titelt De Morgen auf Seite eins, und La Libre Belgique schreibt: Dutroux beschleunigt Verschärfung der Gesetze. Beide Zeitungen widmen sich erneut der Akte Marc Dutroux. Der Kindermörder hat einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt, das Verfahren dazu soll am Montag vor einem Brüsseler Gericht beginnen. Opfer von Dutroux beziehungsweise ihre Angehörige können bei der Verhandlung zwar anwesend sein, dürfen aber nicht das Wort ergreifen. Dagegen haben drei Betroffene jetzt protestiert. Sie haben den belgischen Staat vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt. Aus ihrer Sicht verletzt Belgien Artikel aus der europäischen Menschenrechtskonvention. Opfer müssten bei einer Verhandlung, wie sie am Montag beginnt, die Möglichkeit haben, sich äußern zu dürfen.
Falsche Prioritäten
Gleichzeitig ist der belgische Staat dabei, im Eilverfahren ein Gesetz durch die Instanzen zu peitschen, das die Bedingungen für eine vorzeitige Haftentlassung verschärft. Gestern hatte die Kammer dieses Vorhaben von Justizministerin Annemie Turtelboom abgeknickt. Rechtsexperten sehen das kritisch. So auch La Libre Belgique in ihrem Kommentar: Der Protest der Juristen ist leider umsonst. Wieder einmal hat sich die politische Klasse von Emotionen und Panik leiten lassen. Schlimmer noch: Indem sie versucht, die vorzeitige Haftentlassung von Dutroux mit neuen Regeln zu verhindern, verhilft sie ihm erneut zu einer Aufmerksamkeit, die er nicht verdient, so La Libre Belgique.
Auch De Morgen kommentiert kritisch das neue Gesetzesvorhaben: Es wirft kein gutes Licht auf die Justizministerin, wenn sie ein Gesetz durchdrücken will, das so großen Widerstand von Juristen hervorruft. Tatsächlich sind viele Regelungen fragwürdig und ganz klar nur auf die Person von Marc Dutroux zugeschnitten. Viel sinnvoller als diese zweifelhaften Neuregelungen wäre es, sich um die Opfer zu kümmern. Natürlich sollten sie das Recht haben, das Wort zu ergreifen in Verhandlungen, wo es um die vorzeitige Freilassung des Mannes geht, der ihnen und ihren Familien so viel Leid zugefügt hat. Die Klage der Opfer vor dem europäischen Gerichtshof sowie der lautstarke Protest der Juristen sollten die Ministerin nachdenklich machen. Sie sollte sich fragen, ob sie ihre Prioritäten richtig setzt, schreibt De Morgen.
Notwendige Diskussion zur falschen Zeit?
Le Soir widmet seinen Kommentar den Plänen von Finanzminister Steven Vanackere. Der hatte gestern in derselben Zeitung erneut die Notwendigkeit benannt, über eine längere Lebensarbeitszeit in Belgien nachzudenken. Dafür hatte er viel Kritik erhalten, auch von Mitgliedern der föderalen Regierungskoalition. Le Soir fragt sich erstaunt: Warum diese Hysterie? Jeder weiß doch, dass der Minister nur eine Wahrheit ausgesprochen hat. Die Lebensarbeitszeit und die Finanzierung der Pensionen ist ein Thema, dem man sich nicht verschließen darf. Auch wenn es nicht populär ist. Aber die Regierung wird sich keine Sporen damit verdienen, so ein Thema einfach auszuschweigen, bei dem es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht, findet Le Soir.
Anders hingegen L'Avenir: Das sind doch alte Ideen, mit denen der Finanzminister jetzt kommt. Da gibt es doch ganz andere Ansätze. Zum Beispiel, die Pensionen über die Steuern auf Kapitalgewinne zu finanzieren. Natürlich sind solche Optionen komplexer, aber sie verdienen es, diskutiert zu werden. Besser zumindest, als diese wichtige Debatte schon im Ansatz mit überkommenen Vorstellungen zu ersticken, so L'Avenir.
Kritisch auch die Wirtschaftszeitung L'Echo: Vanackere hat sicher recht, dass man sich um die Finanzierung der Pensionen Gedanken machen muss. Aber doch bitte nicht jetzt. Das Land hat zurzeit andere Sorgen. Die Wirtschaft, große und kleine Unternehmen sind auf der Suche nach Wettbewerbsfähigkeit. Was sie brauchen, ist eine ernsthafte Reform der Gehaltsstrukturen, der Arbeitgeberabgaben und Hilfen bei Innovationen, meint L'Echo.
Arbeitslose kosten viel
"Arbeitslose in Belgien sind teuer", schreibt De Standaard auf seiner Titelseite. Laut einer Studie kostet ein Arbeitsloser der belgischen Gesellschaft gut 33.000 Euro im Jahr. So viel wie in keinem der Nachbarländer. Zum Vergleich: In Frankreich sind es nur knapp 29.000 Euro, in Deutschland sogar nur 25.500 Euro. Dazu kommentiert die Zeitung: Die Zahlen machen deutlich, dass man in Belgien nicht dadurch spart, indem man Stellen abschafft, sondern vielmehr dadurch, dass man Stellen schafft. Denn arbeitende Menschen kosten nicht unbedingt weniger als Arbeitslose, fördern das Bruttosozialprodukt und tragen zum Wohlbefinden der Menschen und damit der ganzen Gesellschaft bei, so De Standaard.
Brüssel, eine Gefahr für die Wirtschaft?
Het Laatste Nieuws kommt auf die Äußerungen von Belgacom-Chef Didier Bellens zurück. Dieser hatte unter anderem kritisiert, dass die Region Brüssel die 4G-Technologie für ultraschnelle Internetverbindungen verbietet. Das Blatt schreibt: Brüssel wird allmählich zur Gefahr für die flämische Wirtschaft. Natürlich braucht Brüssel als belgische und europäische Hauptstadt die gleichen technologischen Voraussetzungen, wie andere Hauptstädten Europas. "Sollten denn die politischen Entscheidungsträger in Paris, London oder Berlin weniger verantwortungsvoll mit der Gesundheit ihrer Bürger umgehen?", fragt rhetorisch Het Laatste Nieuws.
Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)