Die Bilder von der ausgebrannten Disko in der brasilianischen Stadt Santa Maria haben weltweit Entsetzen ausgelöst. Auch den belgischen Blättern liefert die Katastrophe mit mehr als 230 Toten heute die Schlagzeilen. "Inferno in einer brasilianischen Diskothek", titelt Het Nieuwsblad. "Mindestens 232 Tote nach Feuer in einer brasilianischen Disco", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Disco wurde zur Todesfalle", titelt das Grenz-Echo. "Die Menschen saßen wie Ratten in der Falle", so formuliert es Het Nieuwsblad. "Es erinnerte an einem Horrorfilm", meint Het Belang Van Limburg.
ArcelorMittal - Verstaatlichung?
Schwerpunktthema der Inlandsberichterstattung ist die Frage, wie es mit der Stahlproduktion in Lüttich weitergehen soll.
"ArcelorMittal: Der Weg hin zu einer Verstaatlichung ist steinig", stellt La Libre Belgique auf ihrer Titelseite fest. Die Wallonische Region denkt offenbar darüber nach, die von der Schließung bedrohten Werke von ArcelorMittal zu übernehmen. Dies zumindest in einer ersten Phase, um genug Zeit zu haben, nach einem Übernahmekandidaten zu suchen. Selbst der liberale Vizepremier Didier Reynders kann dieser Idee etwas abgewinnen. Die flämischen Kollegen von der Schwesterpartei OpenVLD sehen das jedoch anders: "Man sollte die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen", warnte schon die OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten.
Viele Leitartikler sehen das ähnlich: Wenn schon ein dunkelblauer Liberaler wie Didier Reynders von Verstaatlichung spricht, dann sieht man, wie groß die Verzweiflung in Lüttich ist, bemerkt Gazet Van Antwerpen. Dabei sind diese alten Rezepte bislang ihre Wirksamkeit schuldig geblieben. In den 70er und 80er Jahren hat man schon einmal versucht, die damals als strategisch geltenden Industriezweige künstlich am Leben zu halten. Hier ging es um die Werften, die Kohleminen, die Stahlindustrie, den Bereich Hohlglas sowie die Textilproduktion. Allein in den Stahl und in die Minen wurden insgesamt 150 Milliarden Euro gepumpt. Gebracht hat es nichts.
… oder die Vergangenheit abhaken und nach vorn blicken?
Auch Het Laatste Nieuws erinnert daran, wie hoffnungslos, gar absurd diese Politik war. In den 70er Jahren wurden Schiffe gebaut, die zu 100 Prozent vom Staat finanziert waren. Hier wurden Unmengen Geld verbrannt. Das ist eine der Ursachen für den gigantischen belgischen Schuldenberg. Klar ist es so, dass die Politiker derzeit von den erbosten Gewerkschaften und den verzweifelten Lütticher Stahlkochern vor sich hergetrieben werden. Politiker sollten aber etwas weiter denken, als die Nase reicht. Die Wallonie sollte sich nicht für die Vergangenheit entscheiden, sondern vielmehr in Zukunftstechnologien investieren.
Hätte man genau das schon vor 30 Jahren getan, dann stünde die Wallonie jetzt deutlich besser da, meint auch Het Nieuwsblad. Man darf außerdem davon ausgehen, dass ArcelorMittal auch gute Gründe dafür hat, Lüttich fallen zu lassen. Erstens ist die Nachfrage eingebrochen und zweitens ist Lüttich nun einmal strategisch ungünstig gelegen. Kein einziger Politiker jedenfalls wird Lüttich ans Meer verlegen können. Wenn Didier Reynders schon ein liberales Dogma bricht, dann sollte er nicht über Verstaatlichungen nachdenken, sondern über die Zukunft der sogenannten Fiktivzinsen auf Risikokapital. Die erlauben es nämlich Großunternehmen, sich eine goldene Nase zu verdienen, um sich dann bei Nacht und Nebel aus dem Staub zu machen.
Apropos Steuerkniffe: Le Soir geht heute auf Seite eins der Frage nach, "wie Mittal es geschafft hat, in vier Jahren nur 1,4 Prozent Steuern zu zahlen". Im Jahr 2009 zahlte das Unternehmen gar nur 496 Euro bei einem Gewinn von knapp 1,3 Milliarden Euro. ArcelorMittal bediente sich hier eben besagter Fiktivzinsen.
… und die Politik plant Staatsreformen…
Doch selbst noch so schlimme soziale Hiobsbotschaften scheinen die Politik nicht aus ihrem fast schon autistischen Kokon herauszuholen, beklagt La Libre Belgique. Die belgischen Politiker verwenden viel zu viel Zeit und Energie darauf, das Staatsgefüge umzuformen. Zu allem Überfluss macht auch diese sechste Staatsreform die Institutionen weder effizienter noch demokratischer. Und das Schlimme ist: Die flämischen Radikalen bekommen den Hals nicht voll.
Der Wolf frisst Kreide
Der radikalste besagter Radikalen war in Flandern immer der Vlaams Belang. Doch stehen die flämischen Rechtsextremisten offenbar vor einem ebenso radikalen Kurswechsel. "Annemans sagt sorry", steht in Blockbuchstaben auf Seite eins von De Standaard. Der neue Vlaams Belang-Vorsitzende Gerolf Annemans entschuldigt sich für das, was er als ideologischen Irrweg betrachtet: Bislang habe die Partei den Eindruck vermittelt, ihre Haltung in Sachen Einwanderungspolitik richte sich gegen Menschen. Das sei falsch gewesen.
Dieses Umdenken kommt zu spät, glaubt De Standaard in seinem Leitartikel. Inzwischen haben andere Parteien einen eleganteren Weg gefunden, um die Sorgen und den Frust einer gewissen Bevölkerungsgruppe politisch zu kanalisieren. Der Vlaams Belang hatte seine Chance. Spätestens nach dem verlorenen Rassismus-Prozess 2004 hätte es einer Kehrtwende bedurft. Was man damals versäumt hat, kann man heute nicht mehr nachholen.
Di Rupo fordert Kurswechsel
Apropos Umdenken: Auch Premierminister Elio Di Rupo plädiert für einen Strategiewechsel und zwar auf EU-Ebene. Sollte die Konjunktur in den nächsten Monaten nicht wieder anspringen, dann müssten die EU-Länder vom strikten Sparkurs abrücken. Ansonsten würden der Konsum und damit das Wachstum abgewürgt, glaubt Di Rupo. Der Premier begibt sich damit auf Konfrontationskurs mit Deutschland, bemerkt dazu Het Belang Van Limburg in seinem Leitartikel. Wo liegt die Lösung? Müssen die Länder radikal sparen oder das Wirtschaftswachstum stützen? Wer weiß das schon, meint das Blatt. Doch eins ist wohl klar: Die Wahrheit liegt meistens in der Mitte.
Neues im Schlossmord
In Flandern sorgt schließlich einmal mehr der so genannte Schlossmord für Schlagzeilen. Vor einem Jahr verschwand ein 34-jähriger Mann aus seinem Schloss in Wingene südlich von Brügge. Lange Zeit tappte die Polizei im Dunkeln. Fast genau ein Jahr nach der Tat wurde der Mörder jetzt identifiziert: Es handelt sich um einen einschlägig vorbestraften Mann aus dem niederländischen Eindhoven. Verhören kann man ihn allerdings nicht mehr: "Der Täter im Schlossmord ist schon tot", titelt Het Belang Van Limburg. "Der Mörder war im Endstadium krank", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Deswegen ist der Fall auch nach wie vor nicht endgültig gelöst. "Die Justiz sucht in jedem Fall nach einem Komplizen", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Bild: Jefferson Bernardes (afp)