"Kräftemessen", titelt Le Soir. "Der Widerstand gegen Mittal organisiert sich", so L'Avenir. "Arcelor: eine Million Euro für einen Käufer", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. Die Zeitungen kommen auf die Absicht des Stahlkonzerns ArcelorMittal zurück, die Kaltstahlproduktion in seinem Lütticher Werk drastisch zu reduzieren und damit 1.300 Mitarbeiter auf die Straße zu setzen.
Gestern hatten sich Politiker der Föderalregierung, der Wallonie und Gewerkschaftsvertreter zu einer Sondersitzung in Brüssel getroffen. Ergebnis: Bildung einer Taskforce, um einen Käufer für die Anlagen in Lüttich zu suchen, Protest gegen die Entscheidung von ArcelorMittal und Bitte an die Europäische Union, sich um eine bessere Industriepolitik zu kümmern. Während der Gespräche hatten in Brüssel Mitarbeiter von Arcelor Mittal protestiert. Sechs Polizisten wurden bei Tumulten verletzt.
Rettungsmaßnahmen - eine Totgeburt?
Kommentierend meint das Wirtschaftsblatt L'Echo: Viele glauben, dass die Beschlüsse von gestern eine Totgeburt sind, dass die wallonische Regierung gar nicht in der Lage sein wird, einen Käufer für die Anlagen zu finden, und dass ein neues Stahlprojekt in Lüttich keine Zukunft haben kann. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Wallonie sehr wohl in der Lage ist, Restrukturierungsmaßnahmen erfolgreich zu begleiten. Von allen möglichen Optionen ist die gestern gewählte wohl die beste, so L'Echo.
Mit dieser Meinung steht die Wirtschaftszeitung allerdings alleine da. Die anderen Blätter glauben nicht mehr an eine Zukunft der Stahlproduktion in Lüttich. La Dernière Heure zum Beispiel schreibt: Alle wissen, dass es ohne eine industrielle Neuausrichtung nicht geht. Doch keiner hat den Mut, das laut zu sagen. Denn die Arbeiter, die jetzt wütend sind, wollen das nicht hören. Sie wollen ihre Jobs behalten, sie wollen weiter in der Stahlindustrie arbeiten. Doch das wird nicht gehen, und es ist falsch, ihnen darauf Hoffnung zu machen. Es ist Zeit, dass unsere Politiker Courage zeigen und die Wahrheit sagen. Auch wenn das weh tut und sie es Wählerstimmen kosten wird, meint La Dernière Heure.
Neuer EU-Kommissar für Stahl
Gazet Van Antwerpen sieht das ähnlich: Wer soll denn schon Interesse an einer neuen Stahlproduktion in Lüttich haben? Das Problem ist doch gar nicht der Stahl, sondern der Wirtschaftsstandort Belgien, vor dem ArcelorMittal flieht. Arbeit kostet hier zu viel, Stahl kann man woanders preiswerter produzieren. Was Lüttich jetzt braucht, ist eine Neuausrichtung seiner Industrie. Das muss die Aufgabe eines neuen Investors sein. Einen solchen zu finden, darum sollte sich die Taskforce kümmern, schreibt Gazet Van Antwerpen.
Le Soir sieht in dem Drama bei ArcelorMittal ein Versagen der europäischen Politik: Der EU-Kommissar für Stahl heißt Lakshmi Mittal. Er ist auf dem weltweiten Stahlmarkt mittlerweile so mächtig, dass er nach Lust und Laune die strippen ziehen kann. Dort wo die Produktion zu teuer ist, schließt er einfach das Werk, um woanders mehr Profit erwirtschaften zu können. Ist das verboten? Nein. Aber es war doch gerade die Idee der Europäischen Union, solche Entwicklungen in Europa zu verhindern. Dass ein Drama wie bei ArcelorMittal passieren kann, ist auch ein Versagen der EU, findet Le Soir.
Eine (halb-)moderne Königin
"Fabiola lenkt ein", titelt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Die Witwe von König Baudouin hat gestern bekannt gegeben, dass sie ihre umstrittene Stiftung auflösen will. Zum Einlenken von Fabiola meint die Zeitung: Das ist eine positive Entwicklung. Es zeigt, dass die Königin nicht nur in ihrer eigenen Welt lebt, sondern auch ein Ohr hat für das Land, in dem sie lebt. Sie hat die Proteste gegen ihre Pläne gehört und sich zu Herzen genommen. Vielleicht nur zähneknirschend, aber immerhin. Vor 20 Jahren wäre so etwas kaum denkbar gewesen. Die Monarchie in Belgien hat sich seitdem geöffnet, ist moderner geworden. Diese Entwicklung muss jetzt weiter gehen, denn die Beraterkreise der Monarchie sind immer noch dominiert vom Denken der französischsprachigen Brüsseler Bourgeoisie. Die Affäre um die Stiftung hat das wieder gezeigt. Durch diese Beraterkreise im Palast muss ein frischer Wind wehen, und warum sollte dieser Wind nicht aus dem Norden blasen, fragt Het Laatste Nieuws.
Es hätten TGVs sein sollen …
"Geldmangel verursacht Fyra-Flop", titelt De Standaard und kommt damit auf die Probleme des Hochgeschwindigkeitszugs Fyra zurück. Dieser verkehrt seit einigen Wochen zwischen Amsterdam und Brüssel und ist wegen andauernder Pannenserien in Kritik geraten. Die flämische Zeitung hat jetzt herausgefunden, dass sich die belgischen und niederländischen Bahnen eigentlich französische TGVs kaufen wollten. Doch aus Sparzwängen habe man sich für die preiswertere italienische Variante Fyra entschieden.
De Standaard kommentiert: Die ganze Sache ist irgendwie merkwürdig, denn sie wirft Fragen auf. Warum sollen sich die Niederländer, die sonst eher für gute wirtschaftliche Entscheidungen bekannt sind, beim Fyra so vergriffen haben? Warum setzt man bei der Linie Brüssel-Amsterdam nicht weiter auf den Thalys? Warum kauft man einen sogenannten Hochgeschwindigkeitszug, der mit maximal 220 Stundenkilometern jedoch viel langsamer ist, als die 300 Sachen, mit denen ein TGV durch die Landschaft rauscht? Irgendwie ist das alles nebulös. Doch was sich dahinter verbirgt, muss noch entdeckt werden, meint De Standaard.
Klagen der Opferfamilien
"Rettungsdienste kamen zu spät zum Unfallort", schreibt Het Nieuwsblad und bezieht sich damit auf das Busunglück vom vergangenen März, bei dem im schweizerischen Wallis 22 Kinder und sechs Erwachsene aus Belgien ums Leben gekommen waren. Eltern der Opfer bemängeln jetzt die Aufarbeitung des Falls in der Schweiz. Sie kritisieren, dass die Rettungskräfte erst 19 Minuten nach dem Unfall am Unglücksort waren. Außerdem würden nicht alle Pisten zur Unfallursache ausreichend geprüft. Ihre Kritik haben sie jetzt in einem Brief an Justizministerin Annemie Turtelboom adressiert. Die Ministerin hat den Brief in die Schweiz geschickt, und von dort kam auch schon eine Rückmeldung. Allen Spuren werde weiter nachgegangen, noch sei nichts abgeschlossen, schreibt der Staatsanwalt aus dem Wallis. Nächste Woche gäbe es genauere Nachrichten.