Die Themen im Einzelnen:
"Die Stahlproduktion ringt mit dem Tod", titelt L'Avenir. "Mittal diktiert sein Gesetz, Politik ist machtlos", so La Libre Belgique. "1.300 Mittal-Mitarbeiter stehen auf der Straße", vermeldet De Morgen auf Seite eins. Die Zeitungen gehen hart ins Gericht mit dem Stahlproduzenten ArcelorMittal.
Der Weltkonzern hatte am Donnerstag eine Hiobsbotschaft für sein Werk in Lüttich verkündet. Neben dem Ende der Warmstahlproduktion, das schon länger feststand, soll nun auch die Kaltstahlproduktion verringert werden. Sieben der 12 Produktionslinien in Lüttich sollen geschlossen werden, 1.300 Mitarbeiter würden dadurch ihre Arbeit verlieren. Bislang hatte Mittal immer davon gesprochen, die Kaltstahlproduktion in Lüttich mit neuen Investitionen zukunftsfähig zu gestalten.
Taschenrechner anstelle des Herzens
"Lüttich von Mittal verraten", schreibt L'Echo. Sogar das Wirtschaftsblatt findet, dass der Weltkonzern hier eine rote Linie übertreten hat: Es ist deshalb künftig schwer dem Firmenchef Lakshmi Mittal und seinen engsten Mitarbeiter zu vertrauen. Sie haben gezeigt, dass die Mitarbeiter nur Objekte sind im Kalkül der Gewinnmaximierung. Die Politiker, die jetzt mit dieser Situation umgehen müssen, sollten daraus Lehren ziehen. Sie müssen unbeugsam auftreten und auf die Einhaltung des Versprechens pochen, in die Kaltstahlproduktion zu investieren, rät L'Echo.
"Kalter Zynismus" schreibt L'Avenir über seinen Kommentar und führt aus: Lakshmi Mittal ist ein Wirtschaftsmann, der einen Taschenrechner an der Stelle des Herzens hat. Ein Mensch gilt für ihn wenig, soziale Fragen noch weniger. Lüttich täte gut daran, einen Strich unter das Kapitel der Stahlproduktion zu ziehen und sich der Zukunft zuzuwenden, mit neuen Wirtschaftszweigen, mit neuen Investoren, so L'Avenir.
Ähnlich sind die Gedanken bei La Libre Belgique. In ihrem Kommentar schreibt sie: Es ist besser für die Region Lüttich, auf neue Industriezweige zu setzen. Der Wandlungsprozess hat schon begonnen, muss aber fortgesetzt werden. Was die Stahlproduktion betrifft, müssen wir einfach feststellen, dass wir schon am Eingang der Hölle von Dante stehen: Der Ort, an dem es keine Hoffnung mehr gibt, so La Libre Belgique.
Le Soir sieht in der Entscheidung von Arcelor Mittal eine Auswirkung der Wirtschaftskrise unter der Europa leidet: Die Schwierigkeiten der Automobilhersteller wie Renault, Peugeot, Ford und General Motors, ihre Autos zu verkaufen, bekommen jetzt die Stahlproduzenten zu spüren. Solche Effekte müsste man auf politischer Ebene erkennen und im Vorfeld etwas dagegen tun. Und zwar auf europäischer Ebene. Für Ford Genk und am Donnerstag für Lüttich ist es aber leider zu spät. Das industrielle Europa wurde bitterlich vermisst. Vielleicht aufgehalten in Davos?, fragt Le Soir zynisch.
Politiker zu gutgläubig?
Die Verbindung zwischen dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Luxusskiort Davos und den Entwicklungen in Lüttich machen auch die flämischen Zeitungen in ihren Kommentaren. "Belgium ist back", zitieren sie Elio Di Rupo. Damit hatte der Premierminister die Nachricht der Ratingagentur Fitch kommentiert, dass Belgiens Kreditwürdigkeit gesichert sei. Kurz danach wurden die Neuigkeiten aus Lüttich vermeldet.
Het Nieuwsblad schreibt: Das ist bezeichnend. Während Di Rupo die Welt freudig über die rosigen Wirtschaftsaussichten für Belgien informiert, sitzt zwei Kilometer weiter der Chef von Arcelor Mittal in seinem Hotelzimmer und weiß genau, dass die nächste Katastrophe für Belgien schon beschlossen ist. Unsere Politiker sind einfach zu gutgläubig gegenüber den multinationalen Unternehmen, findet Het Nieuwsblad.
Het Laatste Nieuws zieht eine andere Konsequenz: Genk und Lüttich zeigen mal wieder, dass Belgien für globalagierende Unternehmen kein guter Standort ist. Die Arbeitskraft kostet einfach zu viel. Was zu tun ist: Die Lohnkosten zu senken und das Steuersystem von Grund auf zu erneuern. Es wird Zeit, das zu tun. Sofort, urteilt Het Laatste Nieuws.
De Morgen führt noch einen anderen Aspekt auf: Der Staat sollte umdenken. Nicht große Weltkonzerne machen mit ihren Filialen das Glück des Landes aus - sie sind schnell auch wieder weg und hinterlassen dann großes Leid. Nachhaltiger ist die Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Auch sie können schließen, aber die sozialen Folgen halten sich dann in Grenzen, meint De Morgen.
Ersatz für Fyra?
Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg vermelden auf ihren Titelseiten, dass die belgische Bahn dabei ist, Ersatz für den Hochgeschwindigkeitszug Fyra zu suchen. Der Zug verbindet seit ein paar Wochen Brüssel mit Amsterdam, steht aber wegen einer Pannenserie in Kritik. Die SNCB will wohl in den nächsten Tagen erste Testfahrten mit anderen Zügen starten.
"Nach den Scheinehen nun die Scheinkinder", titelt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Der Zeitung zufolge nimmt die Zahl der Männer zu, die Müttern Geld dafür bieten, um als Vater des Kindes anerkannt zu werden. Hintergrund: Sobald eine Mutter die Vaterschaft eines Mannes anerkennt, kann der Mann in Belgien bleiben. Die für Asylfragen zuständige Staatsministerin Maggie de Block sieht darin ein wachsendes Problem und will jetzt 160 solcher Fälle näher untersuchen.
Archivbild: Eric Lalmand (belga)