Le Soir notiert hierzu auf Seite 1, dass der Premier Regionen und Gemeinschaften unter Berücksichtigung verschiedener Konvergenzkriterien erstarkt aus einer nächsten Staatsreform hervorgehen sieht. Dieser Bericht werde scharf kritisiert, so die Brüsseler Zeitung. Das 19 Seiten starke Dokument, das sie heute integral abdruckt, werde vermutlich in den kommenden Wochen noch für Gesprächsstoff sorgen.
Selbst wenn Guy Verhofstadt mit Nachdruck darauf hinweise, dass es sich bei dem Bericht um seine persönliche Meinung handele und er ebenso deutlich auf das nahe Ende seiner Arbeit als Regierungschef hinweise, sorge der Text für viel Kritik. Verhofstadt setze in seiner Vision zu einer Fortsetzung der Staatsreform auf eine hohe Autonomie der Regionen und Gemeinschaften des Landes. Dies unter dem wachsamen und regulierenden Blick der föderalen Ebene bei Berücksichtigung der von dort vorgegebenen Konvergenzkriterien. Die politischen Reaktionen, so Le Soir, gingen fast alle in die gleiche Richtung: niemand sehe in dem Entwurf des Premierministers eine wirkliche Arbeits- und Diskussionsgrundlage für die anstehenden Verhandlungen zu einer neuen Staatsreform.
Guy Verhofstadt wolle mit seinem Denkmodell die Herangehensweise an neue Befugnisverschiebungen durch neue Gedankenansätze bereichern. Ansätze, so Le Soir, jenseits der Tabus. Für den Regierungschef sei sein Vorschlag eine "Win-Win"-Operation. Dies sei der Preis für den Kompromiss. Verhofstadt mache selber deutlich, dass sein Text nur ein Vorschlag und eine Einladung sei, über die bisherigen Verhandlungsmechanismen für eine Staatsreform hinaus zu gehen.
La Libre Belgique titelt hierzu auf Seite 1: "Der Verhofstadt-Plan, ein Graben zwischen dem Norden und dem Süden". Während in Flandern ein verhaltenes Ja zu den Plänen des Premiers zu vernehmen sei, erklinge von französischsprachigen Parteien ein Nein auf viele der persönlichen Vorschläge des Regierungschefs. Das Blatt zitiert cdH-Parteichefin Joëlle Milquet mit den Worten: "Dieser Text ist sehr enttäuschend".
Guy Verhofstadt habe den Sprung ins kalte Wasser gewagt, kommentiert die Zeitung. Er habe sein Projekt für den neuen Bundesstaat Belgien vorgelegt und die Französischsprachigen hätten nicht lange gewartet, um auf ein als unausgeglichen bezeichnetes Dokument zu reagieren. Es käme nicht von ungefähr, dass Guy Verhofstadt deutlich darauf hingewiesen habe, dass es sich bei dem Text um seine persönliche Vision einer neuen Staatsreform handele. Sehr deutlich sei nämlich in der Vorlage die Handschrift eines flämischen Politikers zu erkennen. Der Text sei flämisch, ja sogar sehr flämisch, kommentiert die Zeitung.
Mit der Balkenüberschrift: "Verhofstadt: ein weiterer Schritt zur Scheidung des Landes" macht La Dernière Heure heute auf Seite 1 auf. 3 Schlüsselbegriffe kennzeichneten das Belgien von Guy Verhofstadt: Befugnistransfers, Solidarität und Konvergenz. Die Zeitung hebt dabei hervor, dass der Handlungsspielraum der Gliedstaaten in ein von der föderalen Ebene vorgegebenes Korsett eingeschnürt würde. Auch eine tiefgreifende Reform der beiden Kammern des belgischen Parlaments sei in Verhofstadts Vision wiederzufinden. Vor allem der Senat würde demnach gründlich reformiert.
Auch die flämischen Tageszeitungen berichten heute ausführlich über Verhofstadts Entwurf zur Staatsreform. De Standaard notiert, dass der Text schon zur Zielscheibe der Kritik wurde und von PS und cdH als inakzeptabel bezeichnet wurde. Die Zeitung schlussfolgert hieraus, dass die Gespräche in der von Vize-Premier Yves Leterme geleiteten Arbeitsgruppe zur Staatsreform äußerst schwierig werden. Wenn das Dokument von Guy Verhofstadt schon bei seinen Regierungspartnern auf herbe Kritik stoße, sei fraglich, wie Yves Leterme in seiner Arbeitsgruppe zu institutionellen Reformen zu einem Kompromiss kommen solle, der für französischsprachige und flämische Parteien gleichermaßen akzeptabel sei.
Auch De Morgen stellt 2 Reaktionen auf das ambitionierte Dokument auf der Titelseite einander gegenüber. CD&V-Spitzenpolitiker Yves Leterme begreife den Text als interessantes und wichtiges Dokument, während cdH-Parteichefin Joëlle Milquet die Adjektive "enttäuschend" und "unausgeglichen" vor den Bericht stelle. Während man monatelang über die Notwendigkeit einer Staatsreform diskutiert habe, ohne genau zu umreißen, was diese Verfassungsreform beinhalten solle, habe Guy Verhofstadt diesem Zustand ein Ende bereitet, kommentiert die Zeitung. Seine gewagte Arbeitsvorlage schlachte eine Reihe von Heiligen Kühen. Es sei eine durchdachte Vision, die den Wunsch nach mehr Autonomie mit der Sorge um den Fortbestand des Landes zu versöhnen versuche.