"Bart gibt den Ton an", so die Überschrift des Kommentars bei L'Avenir. Die Zeitung greift den neu entbrannten Streit um die Region Brüssel auf. Der N-VA-Chef Bart De Wever hatte am Sonntag den flämischen Anspruch auf die Hauptstadt bekräftigt. Die praktische Dominanz der Frankophonen dürfe nicht dazu führen, dass Flandern seine Interessen an Brüssel aufgebe. Mehrere frankophone Politiker hatten gestern darauf kritisch reagiert. L'Avenir kommentiert: An solche plötzlichen Ausfälle von Bart De Wever müssen wir uns gewöhnen. Bis zu den nächsten Föderalwahlen 2014 wird er keine Gelegenheit auslassen, seine Lieblingsthemen immer wieder in den Ring zu werfen. Auch wenn er zurzeit nur Bürgermeister von Antwerpen ist. Er gibt den Ton an, spielt mit seinen politischen Gegnern Katz und Maus. Und wenn das Wort "Populismus" gerade sehr in Mode ist, dann verdanken wir das vor allem ihm, meint L'Avenir.
"Brüssel braucht Flamen und Wallonen"
Le Soir hingegen geht auf den Inhalt der Diskussion ein. Es sei richtig, die Zukunft Brüssels sowohl in die Hände von Flamen als auch von Frankophonen zu legen. Nur so werde die Hauptstadt zum wahren Gesicht Belgiens. Darum muss sich jede Partei in Flandern kümmern, um das Thema nicht nur der N-VA zu überlassen. Wörtlich schreibt Le Soir: In Zukunft muss jede Partei in Flandern das Thema Brüssel aufgreifen. Die Politiker müssen das Thema Hauptstadtregion Brüssel ernst nehmen und zeigen, dass es außerhalb des Konflikts Flandern gegen Wallonie besteht. Die Hauptstadtregion braucht eine gemischte politische Führung aus Flamen und Wallonen, um ihrer Berufung gerecht zu werden. Und nicht nur Spielball politischer Interessen zu sein, so Le Soir.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo bedauert, dass es bei den Diskussionen gar nicht um Brüssel selbst geht. Im Kommentar heißt es: Statusfragen, Macht- und Wortspiele: In der Diskussion spürt man bis jetzt nichts von Liebe zu der Stadt, erkennt man kein Zukunftsprojekt. Nichts oder nur wenig zur Mobilität, nichts zur Bildung, zur Jugendarbeitslosigkeit, zum Gerichtswesen. Das ist schade, denn Brüssel verdient es, dass man sich um Stadt und Region kümmert. Über die üblichen belgischen Streitigkeiten hinaus, findet L'Echo.
Pannenserie bei Hochgeschwindigkeitszug wird zu Desaster
"Dieser Zug ist ein Desaster", titelt Gazet Van Antwerpen auf Seite eins und zitiert damit einen Topmanager des Hochgeschwindigkeitszugs Fyra. Dieser Zug verbindet seit einigen Wochen die Städte Brüssel und Amsterdam, kommt jedoch aus einer Serie von Pannen nicht heraus. Gestern hatte die belgische Bahn SNCB dem italienischen Hersteller des Zugs ein Ultimatum gesetzt: Wenn bis zum 21. April keine vollfunktionsfähige Züge zur Verfügung stehen, werde man den Vertrag kündigen und das bereits bezahlte Geld zurückfordern.
Het Nieuwsblad kommentiert dazu: Die Affäre Fyra bestätigt alle Klischees, die es über italienische Ingenieure gibt. Doch das Problem ist auch noch ein anderes. Was wir jetzt erleben, ist die Folge von europäischen Vorschriften. Wenn bei Ausschreibungen letztlich immer der preiswerteste Anbieter gewählt werden muss, bleibt die Qualität manchmal auf der Strecke. Das ist im Fall Fyra geschehen. Die Folgen müssen die Bahnreisenden jetzt tragen. Daran ändert auch die Drohung der SNCB erstmal nichts, kritisiert Het Nieuwsblad.
Vorbild USA
Die Antrittsrede von US-Präsident Obama zu seiner neuen Amtszeit gestern in Washington fasziniert vor allem flämische Blätter. Het Laatste Nieuws begeistert sich an folgendem Satz aus Obamas Rede: "Wir, das Volk, verstehen, dass ein Land nicht erfolgreich sein kann, wenn es einer immer kleiner werdenden Minderheit immer besser geht, und einer immer größer werdenden Mehrheit immer schlechter". Wenn ein Obama das sagt, so Het Laatste Nieuws, applaudieren wir jauchzend und sind voller Bewunderung. Doch wer bei uns in Belgien so etwas sagt, kriegt eins auf die Finger; das hat Ingrid Lieten, die flämische Ministerin für Armutsbekämpfung vor kurzem erfahren. Bei uns darf man über Armut nicht sprechen, ist sie ein schleichendes Gift, ein untergeschobenes Kind. Das sieht man an dem Geld, das die zuständigen Minister für ihre Arbeit zur Verfügung haben, nämlich kaum etwas. Ingrid Lieten in Flandern, Maggie de Block auf föderaler Ebene, sie haben kaum ein eigenes Budget. Sie sind Bettler in ihrem Amt, seufzt Het Laatste Nieuws.
Einen anderen Aspekt aus Obamas Rede greift De Standaard auf: Die USA sind politisch tief gespalten, dennoch stellt sich Obama vor das Volk und spricht mit voller Überzeugung von "Wir, wir Amerikaner", als ob es diese Spaltung nicht gäbe. Davon sollte Europa lernen. Auch wir sollten endlich diesen Gemeinschaftssinn entwickeln und das Denken in nationalen Schranken überwinden. Auch Europa ist eins und nur geeint entfaltet es seine ganze Stärke, findet De Standaard.
Israel kein gelobtes Land mehr
La Libre Belgique wirft einen Blick auf die heutigen Wahlen in Israel und schreibt: Egal wer heute gewinnt, Israel muss etwas an seinem Image in der Welt tun, denn der jüdische Staat hat den Glanz früherer Jahren verloren, ist kein Wirtschaftswunder mehr, kein gelobtes Land sondern mehr denn je Hassobjekt für Moslems und wird auch von Nicht-Moslems als Risiko für den Frieden in der Region gesehen. Israel muss Acht geben, sich nicht vom Rest der Welt zu isolieren, sonst könnte die nächste Intifada unmöglich die letzte sein, orakelt La Libre Belgique.
Archivbild: Nicolas Lambert (belga)