Die flämische Gemeinde Denderleeuw steht im Blickpunkt der politischen Beobachter. Dort wird heute das Gemeindekollegium vereidigt. Eine Minderheitsregierung von Christdemokraten und Nationalisten der N-VA kommt nur zustande, weil sie von der rechtsextremen Partei Vlaams Belang unterstützt wird.
Bislang hatten sich die etablierten Parteien Belgiens in einem sogenannten Cordon sanitaire darauf verständigt, den Vlaams Belang aus jeglicher Regierungsverantwortung herauszuhalten. Dieser Cordon wird jetzt das erste Mal durchbrochen.
Le Soir wertet das als ein bedauernswertes Versagen der etablierten Parteien, vor allem der flämischen Sozialisten, Liberalen, Christdemokraten und der nationalistischen N-VA. Sie hätten sich auf eine Koalition in Denderleeuw einigen können, ohne den Vlaams Belang so aufzuwerten, wie es jetzt geschieht. Le Soir findet, dass gerade die N-VA hier eine Chance vertan habe, sich klar gegen Rechtsextremismus abzugrenzen.
Vergebene Chance für die N-VA
Die Zeitung schreibt: "Die Anspielung der vergangenen Wochen auf die 30er Jahre, die den N-VA-Chef Bart De Wever so verletzen haben, hätten ihn dazu bewegen müssen, seine Parteikollegen in Denderleeuw davon zu überzeugen, ihr Schicksal auf keinen Fall in die Hände des Vlaams Belang zu legen. Dadurch hätte sich De Wever klar von den Anspielungen des Königs in seiner Neujahrsrede distanzieren und die N-VA als gute demokratische Partei darstellen können. Doch diese Chance hat er vertan, und natürlich ist es auch schwierig, wenn seine Parteifreunde in Denderleeuw wörtlich sagen: Ohne Cordon sanitaire hätten wir schon längst eine Mehrheit, so Le Soir.
Het Nieuwsblad macht sich vor allem Sorgen über das Signal, das von Denderleeuw jetzt an die Wähler ausgeht: Das wird einer Partei, die immer schwächer geworden ist, neuen Mut geben. Die Wähler werden sich sagen, dass eine Stimme für den Vlaams Belang keine verlorene Stimme mehr ist. Denn Cordon hin oder her: Trotzdem hat es der Vlaams Belang jetzt geschafft, irgendwie an der Politik mitzuwirken. Und wer weiß, was noch passiert, wenn die Partei ihre fremdenfeindlichen Äußerungen zügelt und plumpe Führungsgestalten in dem Hintergrund treten, schreibt Het Laatste Nieuws.
Wenig dramatisch findet Het Nieuwsblad das, was jetzt in Denderleeuw passiert: Dem Cordon sanitaire wird dadurch noch nicht der Todesstoß versetzt. Wenn der Vlaams Belang nur durch unglückliche Umstände anderen Parteien zum Regieren verhilft, heißt das noch nicht, dass er seine Politik umsetzen kann. Vielmehr werden jetzt die Politiker des Vlaams Belang, die in Denderleeuw die Mehrheit dulden, auch mal gezwungen, im politischen Alltagsgeschäft ihren Verstand zu benutzen, hofft Het Nieuwsblad.
Arbeitslosigkeit
Auf die Arbeitslosigkeit in Europa geht L'Echo in seinem Kommentar ein. Die EU-Kommission hatte gestern neueste Zahlen dazu vorgelegt. Sie geben ein düsteres Bild über die derzeitige Situation vor allem in Süd- und Osteuropa wider. Die Wirtschaftszeitung kommentiert: Die Rezession kann dieses Desaster nur zum Teil erklären. Vielmehr sind die Zahlen ein Zeichen dafür, dass 20 Jahre europäischer Binnenmarkt es nicht geschafft haben, eine europäische Arbeitsmarktpolitik auf die Beine zu stellen. Der Arbeitsmarkt bleibt Sache der einzelnen Staaten. Da kann die EU noch so schöne Programme entwerfen, um Wirtschafts- und Arbeitsmarkt in Europa wieder zu beleben, letztlich kann sie nichts tun. Gibt es Hoffnung, dass sich das bald ändern könnte? Wenn man an die Vorbehalte denkt, die viele europäische Hauptstädte gegen eine Stärkung der EU-Kompetenzen haben, muss man pessimistisch sein. Die EU ist für die schlechten Zahlen nicht verantwortlich, schlussfolgert L'Echo.
Eine Reform des belgischen Arbeitsmarktes würde auch De Morgen begrüßen. Die Zeitung greift in ihrem Kommentar die Äußerungen des Chefs der flämischen Arbeitsvermittlungsstelle VDAB auf. Der kritisiert den Zustand des belgischen Arbeitsmarkts: Kündigungsrecht, Lohngestaltung und die Möglichkeiten der Laufbahnentwicklung seien Relikte aus der Vergangenheit. Der VDAB-Chef fordert einen Kahlschlag, einen kompletten Neuanfang: Lasst uns von Null beginnen, zitiert ihn die Zeitung. Ist aber damit nicht einverstanden: Ein Plädoyer für einen Neubeginn bei Null macht man in Belgien meistens, um Sachen zu begraben und zur Tagesordnung über zu gehen. Doch das kann natürlich nicht die Lösung sein, findet De Morgen.
Wo bleibt der Preiskampf bei Strom und Gas?
De Standaard hat sich die Strom- und Gaspreise in Belgien angeschaut. Die Energielieferanten hatten angekündigt, ihre Tarife zu Jahresbeginn deutlich zu senken. Bei einem Vergleich kommt die Zeitung zu dem Ergebnis, dass dies bislang nicht geschehen ist. "Kein Preiskrieg beim Gas", lautet denn auch die Schlagzeile auf Seite eins, und im Kommentar stellt das Blatt fest: Die Preise haben sich nur wenig geändert. Ein richtiger Konkurrenzkampf ist noch nicht entstanden. Außerdem ist es nicht einfacher geworden, die Strom- und Gasrechnung zu verstehen. Dem Energiemarkt droht jetzt das gleiche, was wir schon bei den Mobilfunkanbietern feststellen konnten: Alles bleibt kompliziert für den Verbraucher, und eine wirkliche Konkurrenz ist nicht vorhanden. Der Streit um die besten Preise ist noch nicht zu Ende.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)