Vor genau einem Jahr hat die Regierung Di Rupo den Eid auf die Verfassung abgelegt. Le Soir stellt dem Premier und seiner Mannschaft ein recht ordentliches Zeugnis aus: Die Sanierung der Staatsfinanzen macht Fortschritte, die Staats- und Rentenreform wurden auf den Weg gebracht.
Das schwerste allerdings, so ist sich Le Soir sicher, steht dem Kabinett Di Rupo im kommenden Jahr noch bevor: die weitere Sanierung der Staatsfinanzen und die Konkretisierung der jüngsten Staatsreform.
Aus dem gleichen Anlass lässt La Libre Belgique Vizepremier und Außenminister Reynders zu Wort kommen. In dem Interview plädiert er für eine starke politische Achse zwischen den Liberalen und Sozialisten. Auf wallonischer Ebene müssen seines Erachtens die gleichen Reformen durchgeführt werden wie auf föderaler Ebene. Die Wallonie muss sich selbst in die Hand nehmen, so Reynders sinngemäß.
Auch das Grenz-Echo findet, dass das erste Jahr der Di Rupo-Regierung gar nicht so schlecht war. Allerdings gelingt es ihm scheinbar nicht, ein Projekt zu verkörpern und zu vermitteln. Das ist zweifellos ein Manko. Es bleibt abzuwarten, was die zweite Hälfte der Legislatur mit ihren noch größeren Herausforderungen bringen wird. Es ist möglich, dass wir das Beste dieser Regierung schon gesehen haben.
Gazet van Antwerpen spricht von einer Regierung mit zwei Gesichtern: Für die einen ist sie die schlechteste, die wir je hatten, für die anderen hat sie Belgien vor dem Untergang gerettet. Naturgemäß ist das Urteil über Di Rupo in der Wallonie günstiger als in Flandern, doch kann niemand leugnen, dass wir mit dieser Regierung in politisch ruhigeres Fahrwasser gekommen sind. Noch vor einem Jahr war Belgien auf den Finanzmärkten ein rotes Tuch, heute haben wir für Staatsanleihen einen günstigeren Zinssatz als je zuvor.
Auch Het Belang van Limburg bescheinigt der Regierung Di Rupo, Positives geleistet zu haben. Was ihr jedoch fehlt, ist der Mut zu tiefgreifenden strukturellen Reformen und größeren Einsparungen im Staatsapparat. Etwas mehr Ehrgeiz in dieser Hinsicht würde ihr sicher gut zu Gesicht stehen.
De Morgen veröffentlicht das Ergebnis einer Umfrage, der zufolge fast zwei von drei Belgiern nach Di Rupo, beziehungsweise nach den nächsten Parlamentswahlen, eine weitere schwere innenpolitische Krise befürchten, von der sogar zwanzig Prozent glauben, dass sie das Ende Belgiens mit sich bringen wird.
Ein Pluspunkt für den Rechtsstaat
Ein zweites Schwerpunktthema, das fast in keiner Zeitung fehlt, ist die Anklage der Justiz gegen die fünf wichtigsten Topmanager der ehemaligen Fortisbank. Ihnen wird vorgeworfen, die Situation der Bank, als es bereits bergab ging, beschönigt und so tausende Anteilhaber in die Irre geführt zu haben. Dazu heißt es im Leitartikel von La Libre Belgique: Es ist gut, dass auch der frühere Big Boss der Fortis, Maurice Lippens, zur Rechenschaft gezogen wird. Mit seiner Behauptung, er habe von Bankgeschäften nicht viel verstanden, hat er weder den Staatsanwalt, noch tausende Aktionäre, die alles verloren haben, für dumm verkaufen können.
Ähnlich äußert sich De Morgen, nach dessen Ansicht man begrüßen muss, dass ein unabhängiger Untersuchungsrichter in unserem Rechtsstaat noch die Möglichkeit hat, auch die Mächtigsten und Einflussreichsten zur Rechenschaft zu ziehen. Het Nieuwsblad findet es wichtig, dass wir aus der Bankenkrise die richtigen Lehren ziehen, um die Risiken künftig zu begrenzen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Verantwortung für die gemachten Fehler in aller Deutlichkeit von einem unabhängigen Gericht festgestellt wird.
Das richtige Urteil
De Standaard begrüßt in seinem Leitartikel das Urteil des Staatsrates, demzufolge die Bestrafung der Urheber von wilden Streiks bei der Eisenbahn durchaus rechtens ist. Dazu heißt es unter anderem: Natürlich verdient das Eisenbahnpersonal Respekt, doch das gleiche gilt auch für die Kunden und die Steuerzahler, die diesen Betrieb finanzieren. Die Bahngewerkschaften müssen vor allen Dingen lernen, dass man ein öffentliches Unternehmen mit einer Bedeutung wie die der Eisenbahn nicht für jede Kleinigkeit einfach lahmlegen kann.
Zum Schluss noch eine Warnung der Gazet van Antwerpen. Die Zeitung weist auf einen für kommende Nacht und morgen früh vorgesagten Schneesturm hin. Kommentar: "Die Misere kann beginnen".
Bild: belga