Die Belgier bewerten die Arbeit der Föderalregierung so schlecht wie noch nie.
"Di Rupo, der sinkende Stern", titelt heute deshalb auch Le Soir. Die Zeitung veröffentlicht die Ergebnisse der jüngsten Umfrage zur Beliebtheit von Premierminister Elio Di Rupo und seiner Regierungsmannschaft.
Demnach geben die Belgier nur noch eine Durchschnittsnote von 4,6 für die Maßnahmen zur Innenpolitik - so wenig wie noch nie seit Beginn der Regierung Di Rupo vor knapp einem Jahr. Zehn Punkte wären das Maximum gewesen.
Unterschiede in der Bewertung gibt es zwischen Flandern und der Wallonie. Bekommt die Regierung im Süden des Landes immerhin noch glatte fünf Punkte, so reicht es in Flandern nur für 4,4. “Die flämischen Wähler bestrafen Di Rupo“, lautet denn auch die Schlagzeile von De Morgen auf Seite eins.
Belgien liegt im Trend
Grund für das schlechte Abschneiden ist die Unzufriedenheit der Befragten über die Maßnahmen zur aktuellen wirtschaftlichen Situation. Seit September macht sich die Krise auch in Belgien deutlich bemerkbar. Die Regierung geht damit schlecht um. In den Bereichen Arbeit, Kaufkraft und Wettbewerbsfähigkeit erhält sie besonders schlechte Noten. Auch nur mäßig schneiden die Bemühungen um die Umwelt und nachhaltige Entwicklungen ab.
Elio Di Rupo selbst bekommt etwas bessere Noten. Im Durchschnitt geben die Belgier ihm eine 5,2, doch hier ist der Unterschied zwischen Flamen und Wallonen besonders groß: Geben die Frankophonen dem Sozialisten eine 6,1, so sind es bei den Flamen nur 4,6 Punkte.
Damit liegt Belgien im Europatrend, kommentiert Le Soir das Politbarometer von RTL, Ipsos und Le Soir selbst. Denn überall in Europa verlieren die Regierungen an Popularität. Überall müssen sie unangenehme Maßnahmen ergreifen, um die Krise zu bewältigen, überall ruft das den Protest der Bevölkerung hervor. Ob in Frankreich, Italien oder Spanien - überall das gleiche Bild.
Das ist ein großes Problem, meint Le Soir, denn das sinkende Vertrauen in die etablierten Parteien bringt die Demokratie in Gefahr. So war es schon in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals kamen extremistische Parteien an die Macht, und die Katastrophe, die folgte, ist uns bekannt. Was wir jetzt brauchen, ist ein Befreiungsschlag. Eine der etablierten Parteien muss den Mut haben, ein Projekt auf die Beine zu stellen, das die Menschen mitreißt. Sonst sieht es düster aus.
"Europa fährt mit platten Reifen"
Ein ähnliches Fazit zieht Le Soir auch aus den Ergebnissen des EU-Gipfels, der gestern in Brüssel gescheitert ist. Dort wollten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf das Budget für die Jahre von 2014 bis 2020 einigen und sind ohne Ergebnisse auseinander gegangen. Bedauerlich ist vor allem, so die Zeitung, auf welche Art versucht worden ist, Lösungen zu finden. Geld aus den zukunftsweisenden Bereichen Forschung und Bildung wurde verlagert in die Agrarpolitik, nur um nationale Befindlichkeiten zu befriedigen. So kann man kein Wachstum schaffen, kritisiert Le Soir, das ist keine richtungsweisende Politik für Europa.
Für eine grundsätzliche Neuausrichtung der Gemeinschaftspolitik plädiert auch L'Avenir. Europa fährt mit platten Reifen und hat Schwierigkeiten, eine Werkstatt zu finden. Was nötig ist, ist ein Reifenwechsel. Die nationalen Interessen müssen überwunden werden.
Als eher normal dagegen empfindet Het Laatste Nieuws das Scheitern des EU-Sondergipfels. Man muss das mal verstehen: In Flandern gibt es drei Parteien in der Regierung, und der Haushalt steht. In der Föderalregierung gibt es sechs Parteien, und man hat vier Wochen gebraucht, um den Haushalt zu verabschieden. In Europa sind es 27 Staaten, die sich einigen müssen. Da muss es nicht wundern, wenn es nicht beim ersten Versuch gelingt.
Zumal noch nichts verloren ist. Denn Möglichkeiten der Einigung gibt es noch genug und alle sind dabei gefordert. Zum Beispiel auch die EU-Mitarbeiter. Ihre überaus hohen Löhne und Privilegien könnte man deutlich kürzen und dadurch Milliarden sparen. Das sei auch zu ihrem Vorteil, denn mit Kürzungen sei es wie mit Pflanzen: Wenn man sie regelmäßig beschneidet, wachsen sie besser. Das müsste auch der Kommissionspräsident erkennen und Zugeständnisse machen.
Streit um Schlussverkauf
Die Titelgeschichte der Zeitung widmet sich allerdings einem anderen Thema, nämlich dem Schlussverkauf. “Die Sperrfrist“ bliebt, titelt Het Laatste Nieuws. Am Mittwoch war eine Entscheidung des Kassationsgerichts bekannt geworden. Demnach sah es so aus, als ob es Geschäften in Belgien künftig das ganze Jahr über erlaubt sein soll, Preisnachlässe auf ihre Waren zu geben und damit auch zu werben. Der Schlussverkauf wäre damit überflüssig geworden.
Falsch, sagen jetzt Unternehmensverbände und der föderale Wirtschaftsminister Johan Vande Lanotte. Alles bleibt, wie es war. Anlass für das Hin und Her ist die Unklarheit darüber, auf welchen Gesetzestext sich die Entscheidung des Kassationsgerichts genau bezieht. "Der Minister spielt sich selbst zum Richter auf, indem er sich über das höchste Gericht des Landes stellt", zitiert die Zeitung einen erbosten Juristen.
Horrorklima
De Morgen wirft einen Blick in die Zukunft und bereitet seine Leser auf den Weltklimagipfel vor, der am Montag in Doha beginnt. Die Erwartungen sind niedrig, schreibt die Zeitung und kommentiert: Das ist sehr bedauerlich. Schon seit Jahren steht die Welt am Rande des Abgrunds und was passiert? Fast nichts. Nur das Klima entwickelt sich so, wie die Horrorszenarien es voraussehen. Was sollen wir unseren Kindern sagen? Sollen wir ihnen sagen, dass es normal ist, mit Wind- und Flutkatastrophen das ganze Jahr über zu leben?
Dabei gibt es doch Vorbilder, nach denen sich die Weltgemeinschaft richten könnte. Deutschland zum Beispiel setzt auf erneuerbare Energien. Warum kann man so etwas nicht bei der UN für alle beschließen? Werden Politiker später den Mut haben, ihre Untätigkeit im Angesicht der Katastrophe einzugestehen? Das wird wohl selbst der größte Realpolitiker nicht tun. Oder etwa doch, fragt die Zeitung.
Bild: Benoît Doppagne (belga)