Kaum ist der Haushalt 2013 von der Föderalregierung geschnürt, verschwindet das Thema von den Titelseiten der meisten Zeitungen. Nur bei den flämischen Blättern De Morgen und De Standaard reicht es noch zur Schlagzeile. “Unternehmer sind eine politische Partei geworden“, zitiert De Morgen den flämischen Minister Johan Vande Lanotte. “Der Haushalt 2014 wird kräftig weh tun“, schreibt De Standaard und rechnet vor: Im kommenden Jahr müssen nicht mehr 3,7 Milliarden Euro gespart werden, sondern wahrscheinlich 4,7 Milliarden Euro.
Kein großer Augenblick der belgischen Politik
Doch auch wenn es nicht mehr für Seite eins bei vielen Zeitungen gereicht hat, kommen viele Blätter im Innenteil auf das Nachspiel der Haushaltsverhandlungen zu sprechen. Gestern hatte Premierminister Elio Di Rupo die Beschlüsse seiner Koalitionsregierung vor der Kammer verteidigt. Die Rede dauerte über eine Stunde. “Sie haben nichts verpasst, wenn sie die Rede nicht gehört haben“, so De Morgen in seinem Kommentar. “Einen großen Augenblick der belgischen Politik haben sie nicht verpasst.“ Denn, so De Morgen weiter, “dem Auftritt von Di Rupo fehlte die Begeisterung. Er musste etwas als “toll“ verkaufen, was er selbst nicht “toll“ fand.
Denn tiefgreifende Reformen nach Gusto der Sozialisten, der Partei Di Rupos, konnte er nicht durchsetzen. Einziger Lichtblick der Rede war die Ankündigung, dass die Regierung Pläne verfolgen wird, das Steuersystem grundsätzlich zu überarbeiten. Doch das wird nicht gelingen mit dieser Regierungsmannschaft aus sechs verschiedenen Parteien. Sie blockieren sich selbst in ihren Reformen und die Haushaltsverhandlungen im kommenden Jahr werden ähnlich unbefriedigende Ergebnisse bringen wie die aktuelle, so De Morgen.
Di Rupo: Imageproblem?
Das Fehlen radikaler Maßnahmen beklagt auch De Standaard. Wir müssen Privilegien und steuerliche Begünstigungen abschaffen, fordert die Zeitung. Nur so bekommt Belgien ein gerechtes Steuersystem.
“Di Rupo hat vor allem ein Imageproblem“, schreibt Het Laatste Nieuws. So, wie der Premierminister gestern den Haushalt gerechtfertigt hat, hat er keinen wirklich überzeugt. Vor allem nicht die Menschen in Flandern. Trotz aller Bemühungen, einen Teil der Rede auch auf flämisch zu halten, fehlt ihm in dieser Sprache die Schlagkraft, eine harte Auseinandersetzung zu führen.
Das werden wir heute erleben, wenn die Opposition in der Kammer den Haushalt kommentieren darf. Di Rupo wird dann Hilfe von seinen flämischen Ministern brauchen. Das zeigt den Premier nicht als starken Mann. Sein größter Gegenspieler, der NVA-Chef Bart De Wever, könnte dies gnadenlos ausnutzen. Und zwar auf Flämisch und in fließendem Französisch.
Das heutige Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel beschäftigt L'Echo. Die Wirtschaftszeitung zieht Parallelen zu den Haushaltsberatungen in Belgien. Denn auch auf dem Gipfel soll es um ein Budget gehen, und zwar um das Geld, das der EU zwischen 2014 und 2020 zur Verfügung stehen soll. Die Diskussionen im Vorfeld des Treffens verlieren sich im Klein-Klein, so beklagt L'Echo sinngemäß. Die großen Geldgeber wollen sparen, die kleinen Länder fordern mehr Geld und Großbritannien droht sogar mit Austritt aus der Union. Große Reformen werden nicht diskutiert. Dabei sei es längst an der Zeit, die EU mit eigenen Finanzquellen auszustatten und sie nicht alle sieben Jahre abhängig zu machen von der Laune der Mitgliedsstaaten. Eigene Budgethoheit sowie größere Handlungsspielräume in Wirtschafts- und Finanzfragen - das sind die Zeichen der Zeit.
„Ich, ich, ich“
Den Egoismus der EU-Mitgliedsländer prangert auch La Libre Belgique an. “Ich, ich, ich“, steht als Überschrift über dem Leitartikel der Zeitung. Jeder Staats-und Regierungschef schaut nur auf seine eigenen Vorteile und Wählerschichten, die Vision des Ganzen fehlt, und - was noch schlimmer ist - Solidarität ist anscheinend nicht mehr angesagt. Dabei dachten wir, gelesen zu haben, so die Zeitung, dass Solidarität ein Grundpfeiler der Union sei. Es kann sein, dass wir das falsch verstanden haben.
Le Soir widmet seinen Leitartikel dem Waffenstillstand zwischen Israel und der palästinensischen Hamas im Gazastreifen: Und das soll es gewesen sein? Nur noch ein paar Opfer mehr in dem langjährigen Konflikt? Die Zeitung kommt zu dem traurigen Schluss: Wahrscheinlich ja. Zwar könne man sich freuen über das Schweigen der Waffen, doch Grundsätzliches ist nicht gelöst. Hamas hat weiter im Gazastreifen das Sagen und wird seinen Hass gegen Israel weiter kultivieren. Israel wird an seiner harten Linie auch nichts ändern. Und die internationale Gemeinschaft steht weiter vor dem Problem, dass sie nicht weiß, wem sie Recht geben soll in dem Konflikt, der schon seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Nahen Osten nicht zur Ruhe kommen lässt.
“Schlussverkauf das ganze Jahr“, titelt Het Laatste Nieuws. Das Blatt macht mit einer Entscheidung des Kassationsgerichts auf. Demnach sollen Geschäfte das ganze Jahr über Rabatte gewähren dürfen. Bislang war das nur in festgelegten Zeiten als Sommer oder Winterschlussverkauf möglich.
Astana oder Lüttich?
La Libre Belgique vermeldet auf ihrer Titelseite: “Brüssel will die Hauptstadt der islamischen Finanzwelt werden“. Angeblich gibt es aktive Bemühungen und Werbekampagnen in islamischen Staaten, um vor allem die reichen Ölländer aus der islamischen Welt von der Idee zu überzeugen, ihre Bankzentralen in Brüssel anzusiedeln.
"Lüttich 2017 - wir drücken die Daumen", schreibt La Dernière Heure auf ihrer Titelseite. Wie viele andere Zeitungen auch widmet sich das Blatt in seinem Innenteil ausführlich der heutigen Entscheidung über die Vergabe der Expo 2017. Einziger verbliebener Konkurrent von Lüttich ist die die Hauptstadt von Kasachstan, Astana. Die Entscheidung soll heute in Paris um 17 Uhr fallen.
Bild: Nicolas Lambert (belga)