"Zufrieden ist nur die Regierung", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins und fasst die gestrige Haushaltsvorstellung der föderalen Koalition zusammen. Für die Gewerkschaften gehen die Pläne zu weit, für die Arbeitgeber hingegen nicht weit genug. Die Opposition findet, dass mal wieder die Mittelschicht zur Kasse gebeten wird.
Het Nieuwsblad zeigt die übermüdeten Minister gestern Vormittag bei der Pressekonferenz nach einer schlaflosen Verhandlungsnacht und titelt: "Wochenlange Arbeit in nur einer Stunde zerstört." Gewerkschaften und Arbeitgeber üben scharfe Kritik an dem Abkommen.
Gazet van Antwerpen hat nachgerechnet: Der Haushalt kostet Sie bis zu 500 Euro. Vorausgesetzt Sie beziehen ein mittleres Einkommen, haben Ihr Geld in Aktien oder Fonds angelegt, rauchen und trinken gerne ein Glas Wein.
Zigaretten und Wein werden teurer
Le Soir zählt auf seiner Titelseite die Maßnahmen auf, die den Bürger treffen. Die Zigarettenschachtel wird um 20 Cent, die Flasche Wein um vier Cent teurer. Bis Ende 2014 dürfen die Gehälter nicht mehr steigen als der Index. Die automatische Lohnindex-Bindung wird anders berechnet, wodurch die Gehälter langsamer steigen. Lebensversicherungen werden stärker besteuert. Auch die Quellensteuer auf alle Finanzprodukte, außer auf das klassische Sparbuch, wird auf 25 Prozent erhöht.
De Morgen fasst auf Seite eins zusammen: Dem gewöhnlichen Steuerzahler wird die Rechnung präsentiert. Damit können die Regierungsparteien keine Wahl gewinnen. Die unentschlossenen Wähler werden zu der Partei tendieren, die die Entrüstung der Bürger am besten formuliert. Diese Partei sitzt nicht in der Regierung, so die Zeitung.
De Standaard ist dagegen nuancierter: Niemand gewinnt, aber zugleich verliert auch niemand. Weder die Bürger, noch die Betriebe. Das Blatt übt trotzdem Kritik an der Regierung: Die sechs Parteien um Premierminister Di Rupo haben nicht nach der besten Lösung gesucht, sondern lediglich Maßnahmen kombiniert, mit denen alle ihr Gesicht irgendwie wahren konnten. Niemand musste von seinen Tabus abrücken. Das Problem: Der Haushalt ist ein richtiger Flickenteppich von unzusammenhängenden Maßnahmen. Damit werden wir 2013 zwar überstehen, aber die Menschen wissen, dass die Tabu-Themen zurückkommen werden. Indexsprung und Mehrwertsteuererhöhung werden spätestens in einem Jahr wieder auf dem Tisch liegen.
"Haushalt ohne Vision und Mut"
Gazet van Antwerpen ist besonders kritisch: Man kann es drehen und wenden wie man will: In den Vorschlägen der Regierung sind kaum strukturelle Maßnahmen, die die Unternehmen entlasten. Der Wirtschaft wird damit nicht wirklich unter die Arme gegriffen. Kein Wunder, schreibt das Blatt. Denn von einer großen Koalition mit sechs sehr unterschiedlichen Parteien ist nicht wirklich viel zu erwarten. Solche Zweckgemeinschaften sollten gesetzlich verboten werden.
Auch La Libre Belgique hätte sich mehr erhofft und spricht von einem Haushalt ohne Vision und Mut. Unter anderem hätte sich das Blatt einen kräftigen Anstoß für die Wirtschaft gewünscht. Die Lohnnebenkosten sind in Belgien viel zu hoch. Die Regierung hätte mehr wagen müssen. Wenn die Koalition sich nicht traut, dann wird die Realität uns bald einholen und uns die tiefgreifenden Reformen auferlegen. Het Belang van Limburg und L'Avenir sehen das ähnlich. 400 Millionen Euro, um die Lohnkosten zu senken, sind einfach zu wenig.
Trotz der vielen Kritik findet unter anderem Le Soir lobende Worte. Mit dem Haushalt kehrt Belgien in die europäische Spitzengruppe zurück. Das Defizit beträgt im nächsten Jahr 2,1 Prozent - nur Deutschland und Luxemburg kommen mit einem kleineren Haushaltsloch aus. Wir landen damit vor den Niederlanden, vor Frankreich und weit vor Großbritannien. Dass der Haushalt in der Spur bleibt, werden die internationalen Finanzmärkte zu würdigen wissen. Außerdem findet Le Soir, dass die Bevölkerung noch relativ glimpflich davon kommt. Und trotz der schwierigen Zeiten kann die Regierung noch ein bisschen Geld für die Wiederbelebung der Wirtschaft locker machen. Auch, wenn es eigentlich zu wenig ist.
Soldaten unter Beobachtung
L'Echo fügt hinzu: Das Verrückte ist, dass wir mit diesem Patchwork-Haushalt, der niemandem so richtig weh tut, wieder zu den besten Schülern gehören. Das wird den europäischen Beobachtern gefallen. Wir Belgier sind offenbar nicht nur Weltmeister im Schließen von Kompromissen, sondern können die manchmal dürftigen Ergebnisse auch noch gut verkaufen.
Wie La Libre Belgique berichtet, befürchtet Belgiens Armee, dass sich in ihren Reihen extremistische Muslime befinden. Aus guter Quelle hat die Zeitung erfahren, dass der Staatsschutz zehn Soldaten beobachtet, die Salafisten sein sollen. Die Armee hat Angst vor möglichen Problemen in Afghanistan, wenn der Islamist in belgischer Uniform dort plötzlich sein wahres Gesicht zeigt.
Bild: Bruno Fahy (belga)