“Löhne unter Beschuss“, titelt La Libre Belgique auf Seite eins. „Letzte Kraftprobe zwischen Liberalen und Sozialisten um die Gehälter“, schreibt Le Soir. “Gewerkschaften schlagen Alarm“, so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad.
Die Verhandlungen um den Haushalt 2013 sind die Aufmacherthemen gleich mehrerer Zeitungen. Die Berichte greifen den jüngsten Streit zwischen den Verhandlungspartnern auf. Es geht um die Entwicklung der Löhne und Gehälter. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der flämischen Liberalen, das Lohnniveau für drei Jahre einzufrieren. Die Unternehmen könnten dadurch Geld sparen und somit wettbewerbsfähiger werden - so die Idee.
Ob das eine gute Maßnahme ist oder nicht, darauf konnten sich die Politiker selbst noch nicht einigen. Die Haushaltsverhandlungen müssen deshalb heute fortgesetzt werden. Vertreter der Gewerkschaften haben bereits angekündigt, die Maßnahme nicht zu akzeptieren. De Standaard titelt deshalb auch: “Gewerkschaftsalarm hängt über Di Rupo“. Doch obwohl der aktuelle Streit in den Haushaltsverhandlungen für viele Zeitungen die wichtigste Meldung ist, kommentiert sie kaum ein Blatt.
Nur Gazet van Antwerpen greift das Thema in ihrem Leitartikel auf und fasst dort zusammen: “Das, was bei den Haushaltsverhandlungen passiert, ist eine Blamage für die Regierung. Das ständige Hin und her ohne Entscheidungen reicht! Regierung ist ihre Glaubwürdigkeit los.“
Aussichtloser Konflikt im Gazastreifen
Als verzweifelt empfinden viele Zeitungen weiterhin die Lage im Nahen Osten. Dort geht der bewaffnete Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas im Gazastreifen weiter. “Schon über 80 Tote in fünf Tagen“, bedauert Le Soir. Die Opfer sind meist Zivilisten, viele von ihnen Kinder. „Das ist ein aussichtsloser Krieg“, schreibt Het Laatste Nieuws in ihrem Leitartikel.
Mit “Fußball“ überschreibt Het Nieuwsblad sarkastisch seinen Kommentar und fasst damit die Ohnmacht der westlichen Welt zusammen. Der eine ist für die Palästinenser, der andere für die Israelis. Selbst ein Mann wie Barack Obama ist vor solch einer Parteinahme nicht immun; sie erinnert an Fans im Fußball. Der eine ist für die eine Mannschaft - der andere für die andere. Beide haben gute Gründe. Doch selbst wenn die Außenwelt nicht in der Lage ist, sich eine objektive Meinung von Gut und Böse zu machen, sich zu entscheiden, wer Recht hat und wer nicht, wie sollen es dann die Israelis und die Palästinenser schaffen? fragt sich Het Nieuwsblad.
Kongo: Interessenlage unklar
Ein anderer bewaffneter Konflikt beschäftigt De Morgen und Le Soir. Im Kongo sind gestern Rebellen bis vor die Tore der strategisch wichtigen Stadt Goma im Norden des Landes vorgestoßen. Laut Informationen der Zeitungen sind die Regierungstruppen aus der Stadt abgezogen und die Friedenstruppen der UN haben sich in ihren Kasernen verschanzt.
“Kongolesen zwischen zwei Fronten“, titelt entsprechend De Morgen. Die Zeitung versucht, die politische Lage im Norden des Kongo aufzuschlüsseln. Unterschiedliche Parteien verfolgen unterschiedliche Interessen. Welche genau ist dabei nicht klar. Sicher ist nur, dass die Rebellen der sogenannten M-23-Truppen von den Nachbarländern Ruanda und Uganda unterstützt werden. Ob der Sturz des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila ein Ziel der Rebellen ist, kann man nicht sagen.
Es könnte auch sein, dass es den Aufständischen nur um Besitz von Land geht, denn in der Provinz Nord-Kivu, in der die Kämpfe toben, gibt es unglaublich viele Bodenschätze. Was kann Belgien als bevorzugter Partner des Kongo, was kann der Rest der internationalen Gemeinschaft tun in dieser Situation tun um ein humanitäre Katastrophe zu vermeiden? De Morgen kommt zum Schluss: “Leider nicht viel! Das Böse ist geschehen. In den kommenden Monaten können wir nicht viel tun als tatenlos der kriegerischen Entwicklung zuzuschauen. Etwas optimistischer fällt das Urteil von Le Soir aus. Zwar spricht auch die frankophone Zeitung von der undurchsichtigen Lage vor Ort, kommt aber zu dem Ergebnis: “Eine Antwort auf das alles bekommen wir sehr bald.“
Kein Respekt vor Opfern
Alle Zeitungen kommen auf das Treffen zwischen Michelle Martin, der Ex-Frau des Kindermörders Marc Dutroux, und Jean-Denis Lejeune, Vater des Dutroux-Opfers Julie, zurück. Lejeune hatte um ein Gespräch mit Martin gebeten. Er wollte von ihr wissen, wie genau es zum Tod seiner Tochter kam. Martin hatte Julie tatenlos in einem Keller verhungern lassen. Das Treffen zwischen Martin und Lejeune fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit am Freitag statt. Details sollten nicht veröffentlicht werden, so der Wunsch beider Parteien.
Dennoch wurde knapp eine Stunde des Gesprächs auf einem Smartphone aufgezeichnet. Die Zeitungsgruppe Sud Presse veröffentlichte Auszüge aus der Unterredung und löste damit eine Welle der Empörung aus. “Vergewaltigte Intimität“, schreibt kommentiert denn auch L’Avenir. Ob man will oder nicht, die Veröffentlichung des Gesprächs zwischen Lejeune und Martin ist schockierend. Muss man daran erinnern, dass für die Familien der Opfer solche Aussprachen besonders schmerzhaft sind? Sich trotzdem einer solchen Realität zu stellen, verlangt Respekt. Das Verhalten unserer Kollegen ist zu verurteilen, es wirft fundamentale Fragen nach der Verantwortlichkeit von Journalisten auf.
Autoflut in Antwerpen?
De Standaard kommentiert die Pläne des designierten Bürgermeisters von Antwerpen Bart De Wever, das Zentrum der Scheldestadt wieder für den Autoverkehr freizugeben. “Darf es ein Toter mehr sein?“ betitelt die Zeitung ihren Leitartikel und zählt dann auf, dass es jedes Jahr 800 Verkehrstote in Belgien gibt. Für das Blatt ein deutliches Zeichen, dass man den Verkehr vielmehr eindämmen als ausweiten sollte. Als positives Beispiel wird Paris genannt. Dort gibt es Pläne, die ganze Innenstadt zur Tempo 30-Zone zu erklären.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)