"Die angekündigte Apokalypse", titelt L'Avenir. "Todesangst vor Sandy", schreibt Gazet Van Antwerpen. "Der Superorkan prallt auf das Festland", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Fast alle Zeitungen bringen auf Seite eins spektakuläre Fotos. "Der Orkan könnte am Ende 20 Milliarden Dollar kosten", bemerkt L'Echo. Insgesamt sind 60 Millionen Menschen betroffen. Darunter auch Landsleute: "Der Orkan nimmt 11.000 Belgier als Geisel", schreibt Het Nieuwsblad in Blockbuchstaben. Le Soir hebt einen weiteren Aspekt hervor: "Sandy, der Orkan, der den Ausgang der Präsidentenwahl beeinflussen könnte".
"Das gilt zum Beispiel für die Demokraten von Barack Obama", bemerkt L'Avenir. Im Augenblick besteht bereits die Möglichkeit einer "vorzeitigen Wahl". Und es sind vor allem die Sympathisanten der Demokraten, die davon Gebrauch machen. Andererseits bietet sich jetzt für Obama die Gelegenheit, sich noch einmal als Krisenmanager zu profilieren. Eine Frage fehlt allerdings im amerikanischen Wahlkampf: Welchen Einfluss hat der Mensch auf die Klimakapriolen?
Haushaltsberatungen: Eine unendliche Geschichte
Innenpolitisch stehen weiter die Haushaltsberatungen im Mittelpunkt. Auf das Budget können wir noch lange warten, orakelt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Die Verhandlungen könnten noch Wochen andauern. Vielleicht, so meint das Blatt, liegt der Haushalt gar Ende des Jahres immer noch nicht vor, sodass man wieder auf die berühmten "provisorischen Zwölftel" zurückgreifen muss.
Für die Außenwirkung wäre das desaströs, meint Het Laatste Nieuws in seinem Kommentar. Die Regierung vermittelt jedenfalls nicht wirklich den Eindruck von großer Tatkraft. So rasant der Start der Regierung war, so sehr ist jetzt der Motor ins Stottern geraten.
In punkto Finanzen gibt es zumindest eine gute Neuigkeit. Wie De Standaard auf seiner Titelseite berichtet, darf die Regierung mit 400 Millionen Euro zusätzlich rechnen. Der Grund: Die Zinsen auf belgische Staatsanleihen sind auf einem historischen Tiefstand; die Staatsschuld ist billiger geworden.
Gorillas im Nebel
Doch geht es längst nicht nur um die nackten Zahlen. Von der Regierung werden Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur erwartet. "Die Löhne sind im Fadenkreuz", titelt Le Soir. "Die automatische Indexbindung gerät unter Druck", so die Schlagzeile von L'Echo. Im Raum steht derzeit ein sogenannter Index-Sprung. Index-Sprung, das würde ja bedeuten, dass die Anpassung der Löhne und auch verschiedener Sozialleistungen an die steigenden Preise ein Mal oder auch mehrmals nicht vorgenommen würde.
Vorteil für den Staat wäre, wie Le Soir vorrechnet, dass die Beamtengehälter nicht steigen würden. Außerdem könnte man von den Unternehmen die Ersparnis einfordern. Unterm Strich könnte der Staat mit mehr Einnahmen zwischen 500 Millionen und 2,5 Milliarden rechnen. Die PS und die Gewerkschaften sind strikt gegen einen Index-Sprung. CSC und FGTB drohten gar mit einem vorläufigen Ende des sozialen Dialogs.
De Standaard vergleicht die Haltung der Gegner mit dem Imponiergehabe von Gorillas. Da wird sich mit Inbrunst auf die Brust getrommelt, um den Gegner zu beeindrucken. Dabei vergisst man, dass dieses Land Reformen braucht. Deswegen muss man einschränken: Es sind Gorillas…im Nebel!
Soziale Sturmwarnung und möglicher Steuer-Tsunami
Das soziale Barometer steht auf Sturm, warnt dennoch Gazet van Antwerpen. Die Gewerkschaften drohen im Falle eines Index-Sprungs mit einem Boykott des Rahmentarif-Abkommens. Eine Mitarbeit der Gewerkschaften lässt allerdings die Garantie für den grundsätzlichen Willen für sozialen Frieden. Sollte ein Index-Sprung beschlossen werden, dann wollen die Gewerkschaften alle Brücken in Richtung Regierung und Arbeitgeber abschlagen. Doch was schlimmer? Ein Index-Sprung oder ein Tsunami von neuen Steuern?
Het Belang van Limburg bringt bis zu einem gewissen Maß Verständnis für die Verweigerungshaltung der Gewerkschaften auf. Hier geht es um die Kaufkraft der Bürger. Hier geht es auch um die Höhe von Sozialleistungen und Pensionen. Klar, dass die Gewerkschaft diese Dinge verteidigen will. Doch um Himmels Willen - wenn ein Index-Sprung kurzfristig dabei helfen kann, zu retten, was zu retten ist, dann sollte man doch zumindest darüber reden können.
Het Nieuwsblad geht noch einen Schritt weiter. Es gibt 1000 gute Gründe, den Index zu verteidigen. Das beste Mittel dafür ist aber Gesprächsbereitschaft. Ein System, das sich jeder Anpassung verweigert, schafft sich langfristig nämlich selber ab.
Auch heute sorgen die jüngsten Aussagen von N-VA-Chef Bart De Wever weiter für Diskussionsstoff. De Wever sieht eine Ursache für das Ende von Ford Genk in der, Zitat, "fortschreitenden Wallonisierung Flanderns". Das ist Rassismus, zitiert La Libre Belgique auf seiner Titelseite den Geschäftsführer der Awex, der wallonischen Exportagentur.
In Le Soir bemerkt Vincent Reuter, der Geschäftsführer des wallonischen Unternehmerverbandes, dass die Wallonie durchaus arbeite. Bei Bart De Wever warte man immer noch darauf, dass er in seiner politischen Karriere einmal etwas verwirklicht.
Was für eine armselige Strategie, ärgert sich L'Echo. De Wever missbraucht das Unglück von Arbeitern, die ihren Job verlieren, um auf deren Rücken seine kruden Thesen über das drohende Ende des Landes zu propagieren. De Wever denkt in Karikaturen. Sein Bild ist das der Wallonie von vor 20 Jahren. Hinzu kommt: Wenn Belgien eine positive Außenhandelsbilanz hat, dann ist das allein der Wallonie zu verdanken.
Jetzt reicht’s, Bart!
Da ist es wieder: Das Zerrbild einer Wallonie, die profitiert, Geld zum Fenster herausschaufelt und zu allem Überfluss auch noch faul ist, notiert La Libre Belgique. Über derart alberne Rhetorik würde man eigentlich nur lachen, wenn sie nicht vom Chef der größten flämischen Partei ausgehen würde. Glücklicherweise scheinen sich aber auch in Flandern die Stimmen zu mehren, die De Wever schlicht und einfach sagen: Jetzt reicht's!
Schlechte Nachricht schließlich für die Menschen über 50, die bald in Genk ihren Job verlieren. "Europa ist gegen Frühpensionen", titelt De Morgen. Je mehr Menschen vorab in den Ruhestand gehen, desto weniger bezahle die EU-Kommission, sagt ein Sprecher. Kommentierend meint das Blatt dazu: "Es ist offensichtlich, dass Belgien seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Das Thema Generationengerechtigkeit existiert sozusagen nicht. Viel wichtiger scheint die Frage zu sein, ob auf den Straßenschildern in Aalst der flämische Löwe prangen soll. Die Zukunft der Renten hingegen, die wagt niemand anzupacken. Das Versagen von unserer politischen Klasse ist in dieser Angelegenheit gigantisch."
Archivbild: Georges Gobet (afp)