Eine angekündigte Protestaktion bei der Bahn sorgt nicht nur für Kritik von außen, sondern auch innerhalb der Gewerkschaften.
"Alarmstufe rot bei Ford Genk", titelt heute De Standaard. "Angst vor einer Schließung der Fordwerke", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. Het Laatste Nieuws ist noch pessimistischer: Die Schließung droht, steht in Blockbuchstaben auf Seite eins des flämischen Massenblatts.
Ford Genk - Tagesordnung: Unbekannt
Bei Ford Genk stehen die Zeichen auf Sturm. Die Direktion hat für morgen eine außerordentliche Sitzung des Betriebsrates angekündigt. Tagesordnung: Unbekannt. Wobei sich die Gewerkschaften keine Illusionen machen: Es wird wohl eine besonders schlechte Nachricht bekannt gegeben werden. Für ein solches Schreckensszenario spricht auch die Tatsache, dass die Europäische Ford-Direktion im Anschluss mit der flämischen Regierung zusammentreffen will. L'Echo fasst zusammen: "Ford rührt alle Zutaten zusammen, um Genk den Todesstoß zu versetzen".
"Im Falle einer Schließung von Ford Genk wären Tausende Arbeitsplätze bedroht", schreibt De Morgen auf seiner Titelseite. Het Laatste Nieuws rechnet vor: "10.000 Arbeitnehmer bangen um ihre Zukunft: 4.600 Menschen sind allein bei Ford Genk beschäftigt, hinzukommen noch einmal rund 5.000 Mitarbeiter bei diversen Zulieferbetrieben". "Das ist Opel im Quadrat", zitiert De Morgen den FGTB-Gewerkschafter Rudi Kennes. Der war Verhandlungsführer für die FGTB bei der Schließung von Opel Antwerpen im Jahr 2010.
In Genk muss man mit dem Schlimmsten rechnen, befürchtet Het Belang van Limburg. Die Vorgehensweise der Direktion riecht nach der so genannten "Renault-Prozedur", die ja bei Massenentlassungen befolgt werden muss. Dabei war noch vor einigen Wochen eigentlich Aufatmen angesagt. Die Generaldirektion hatte versprochen, dass in Genk der neue Mondeo gebaut werden sollte. Zusammen mit den Modellen S-Max und Galaxy wäre Ford Genk damit bei einer Gesamtkapazität von 225.000 Autos pro Jahr gewesen. Anscheinend ist aber gerade der Markt für diese Mittelklassefahrzeuge eingebrochen. Und Genk könnte dafür die Zeche zahlen.
“Da waren’s nur noch zwei…“
Wie schnell es doch gehen kann, meint Het Nieuwsblad nachdenklich. Die Mitarbeiter von Ford Genk schlittern in kürzester Zeit vom Himmel in die Hölle. Ein derartiges Auf und Ab, dieses ewige Jojospiel, das zerrt an den Nerven. Die Betroffenen werden bis an die Grenzen des Erträglichen getrieben. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage nach der Zukunft der Autoindustrie insgesamt in diesem Land. Im Augenblick arbeiten noch rund 80.000 Menschen in der Branche. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit bis auch die letzte Autofabrik schließt. Das Ganze erinnert an den Niedergang der Stahlindustrie. Und daran hat sich gezeigt, dass die Folgen noch Jahrzehnte nachwirken.
"Da waren‘s nur noch zwei", meint verbittert Het Laatste Nieuws. Noch in den neunziger Jahren war Belgien der größte Autobauer Europas. Wenn jetzt auch noch die Fordwerke in Genk schließen müssen, dann bleiben nur noch Volvo in Gent und Audi in Forest. Autos zu produzieren, das war eigentlich eine flämische Spezialität, insofern droht Flandern ein ähnliches Waterloo wie der Wallonie seinerzeit mit dem Verlust ihrer Stahl- und Kohle-Industrie. Schauen Sie mal nach Charleroi, dann wissen Sie, welche Zerstörung das mit sich gebracht hat. Und noch eine Feststellung: Wenn in Europa nicht mehr so viele Autos verkauft werden, dann weil Europa verarmt. Da muss man sich doch fragen, ob der drastische Sparkurs der richtige Weg ist.
Immer auf die Kleinen
Auch De Morgen siedelt das Problem auf europäischer Ebene an. Belgien, oder genauer gesagt Flandern, wird hier einmal mehr wegen seiner Größe bestraft: Wer klein ist, hat verloren. Hier fehlt eine europäische Herangehensweise. Die EU-Kommission scheint das allerdings nicht zu interessieren. Wenn es darum geht, Grenzen zu öffnen, dann stehen sie am Schumanplatz Schlange. Wenn Tausende Jobs auf dem Spiel stehen, glänzen sie durch Abwesenheit.
"Hilf‘ dir selbst, dann hilft dir Gott", so könnte man denn auch das Fazit von De Standaard zusammenfassen. In Genk droht ein weiterer Meilenstein in der De-Industrialisierung Flanderns. Doch ohne Industrie dreht unsere Wirtschaft nicht. Wir müssen schnellstens umsatteln und neue, innovative Sparten erschließen. Dafür bedarf es auch besserer Rahmenbedingungen. Um die Kurve zu kriegen, müssen wir das Ruder herumreißen
“Alles futsch“
Fast alle Zeitungen beschäftigen sich heute auch mit dem Fall von Lance Armstrong. "Alles futsch", titelt Het Nieuwsblad. "Armstrong aus der Radsportgeschichte gestrichen", schreibt De Standaard. Der internationale Radsportverband UCI folgt den amerikanischen Dopingfahndern und hat Lance Armstrong alle Titel entzogen. Darunter sind auch die sieben Tour de France-Siege. "Der Verband war im Fall Armstrong zwar konsequent, bleibt aber heuchlerisch", bemerkt das Grenz-Echo. So bleibt die UCI einige Antworten schuldig, zum Beispiel steht weiter die Frage im Raum, warum Armstrong mehrfach Geld an den Weltverband überwiesen hat.
"Hat die UCI Dopingvergehen vertuscht?", fragt sich auch Le Soir. Man muss jedenfalls feststellen, dass alle Dopingskandale der letzten Jahre den Radsport nicht gesäubert haben. Was für ein Scherbenhaufen, beklagt auch La Libre Belgique. Ein Held, der den Krebs besiegte, und der im Anschluss eine beeindruckende Karriere hinlegte, hat sich als Betrüger entpuppt. Hoffentlich öffnet der Fall Armstrong dem Radsport endlich die Augen.
Vollgas oder Handbremse
Einige Zeitungen berichten über eine neue Streikankündigung bei der SNCB. Die sozialistische Gewerkschaft FGTB will den Zugverkehr am 29. und 30. Oktober “stören“. Die beiden anderen Gewerkschaften beteiligen sich nicht an der Aktion. Nach Informationen von De Morgen sorgt das Ganze aber für Spannungen innerhalb der FGTB: Offenbar sind sich der flämische und der wallonische Flügel nicht mehr einig: Die Wallonen wollen Vollgas geben, die Flamen suchen nach der Handbremse.
Gazet van Antwerpen bricht den Stab über die FGTB: Die Gewerkschaften müssen einsehen, dass sie in diesem Land nicht die Politik bestimmten, sondern gewählte Politiker. In diesen Krisenzeiten den x-ten Streik vom Zaun brechen zu wollen, ist schlichtweg kriminell.
La Libre Belgique zieht eine neue Bilanz der Kommunalwahl. Bemerkenswerte Feststellung: "Erstmals stellt die MR mehr Bürgermeister als die PS", so die Schlagzeile. Le Soir macht auf mit dem Rauchverbot in Gaststätten. Das wird offensichtlich immer weniger befolgt: "Eins von fünf Cafés hält sich nicht an das Gesetz", schreibt das Blatt auf Seite eins. La Dernière Heure sucht schon nach einem neuen Trainer für Standard Lüttich. Der bisherige Übungsleiter, der Holländer Ron Jans, ist gestern wegen anhaltender Erfolgslosigkeit entlassen worden.
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