"Totale Freude", titelt heute La Dernière Heure. "Die Roten Teufel fegen die Schotten vom Platz", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. "Belgien auf dem Weg nach Brasilien", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Die Schotten vom Platz gefegt
Auf vielen Titelseiten prangen heute Fotos der jubelnden Fußball-Nationalmannschaft. Im Qualifikationsspiel für die WM 2014 besiegten die Roten Teufel Schottland mit 2:0. "Zwei verrückte Minuten reichten aus", fasst Het Nieuwsblad den Spielverlauf zusammen.
Im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare stehen aber weiter die Nachwehen der Kommunalwahl vom vergangenen Sonntag. Vor allem in Brüssel hat sich die Bildung der kommunalen Koalitionen zur Schlammschlacht entwickelt. "Brüsseler Dominospiel sorgt für Massaker", bringt es Het Nieuwsblad auf den Punkt. Kurz zusammengefasst: Erst beförderte die CDH in Schaerbeek die PS in die Opposition, dann ließ die PS in Brüssel-Stadt die CDH fallen. Und als Vergeltung dafür schmiedete die CDH zusammen mit MR und Ecolo eine Koalition, die den PS-Altmeister Philippe Moureaux das Bürgermeisteramt in Molenbeek kostete.
Au Revoir, Bürgermeister
"Der Brüsseler Revolverheld verlässt die Politik", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Der PS-Koloss liegt am Boden", so formuliert es L'Avenir. "Molenbeek ohne Schnauzbart", meint augenzwinkernd Le Soir. Das "Ende des Kaisers von Molenbeek", so die Schlagzeile von De Morgen. Kommentierend meint De Morgen dazu: Der spektakuläre Abgang von Moureaux bedeutet auch das Ende eines gewissen Weltbildes. Philippe Moureaux war bestimmt nicht Schuld an den Probleme in Molenbeek, falsch war sein Umgang damit. Mit ideologischer Starrsinnigkeit hat er gewisse Probleme einfach nicht sehen wollen. Ein Mangel an politischer Vision: Das gilt für viele Dinosaurier auf Bürgermeisterstühlen. Man sollte einmal darüber nachdenken, die Amtszeit von Bürgermeistern auf drei Legislaturperioden zu beschränken. Dadurch würde ein Verkrusten der Strukturen verhindert.
Polit-Schlammschlacht
In Brüssel ist buchstäblich der Teufel los, stellt La Libre Belgique fest. Dynastien werden wie im Fall Moureaux jäh beendet. Neue Freundschaften bilden sich, alte zerbrechen. Vorwahlabkommen werden in den Wind geschlagen. Da ist von Verrat die Rede. Hier wird allerdings manchmal de Wähler vergessen. Wenigstens sollten Vorwahlabkommen öffentlich gemacht werden, damit der Bürger zumindest halbwegs den Durchblick behält.
Die Brüsseler Ränkespiele dürften aber Folgen haben, die weit über den kommunalen Rahmen hinausgehen. "Der Sturz von Moureaux schwächt die Brüsseler PS", titelt La Libre Belgique. "Die Ehe zwischen Milquet und Di Rupo steht vor dem Aus, meint De Morgen.
Le Soir sieht darin sogar eine mögliche Vorwegnahme dessen, was nach der nächsten Regional- und Föderalwahl passieren könnte; "Die PS 2014 im Abseits, fragt sich das Blatt auf seiner Titelseite. Jedenfalls denken MR und CDH demnach darüber nach, die PS 2014 auszubooten.
Turbulenzen über Brüssel
Eigentlich hatte man uns doch erklärt, dass es in Belgien verschiedene Machtebenen gibt, mit nur wenigen Schnittpunkten, bemerkt L'Avenir. Von wegen! Bei jeder Wahl zittert die Politik am ganzen Körper, bis in die Haarspitzen. Das Gebilde bekommt Risse, ein Dominostein fällt nach dem anderen, und noch nie waren die verschiedenen Machtebenen so porös. Eins ist sicher: Die Verschiebungen in Brüssel werden dauerhaften Einfluss haben auf die Beziehungen zwischen den Parteien.
Eigentlich hatten die Frankophonen doch besorgt auf Flandern und De Wever geschaut, notiert Le Soir. Alle flämischen Schreckensszenarien sind aber noch gar nichts im Vergleich zu den Turbulenzen, die die Frankophonen selbst verursacht haben. Die Freundschaft zwischen PS und CDH ist in Scherben geflogen. Und jetzt müsste sich die Regierung eigentlich doch dem Haushalt zuwenden. Da kann man nur sagen: Viel Spaß dabei!
Hätte Di Rupo doch auf seinen Finanzminister gehört, beklagt De Standaard. Steven Vanackere hatte dem Premier geraten, nicht bis zu den Gemeinderatswahlen zu warten, um ein Budget 2013 zu schnüren. Jetzt zeigt sich: Diese Aufgabe ist noch ungleich schwieriger als noch vor einigen Wochen. Open VLD und CD&V wollen den Stempel einer angeblichen "marxistischen Besteuerungsregierung" loswerden. Und auf frankophoner Seite hat die Kommunalwahl tiefe Wunden geschlagen. Di Rupo muss jetzt ganz entschlossen das Heft in die Hand nehmen.
Kein Klebstoff mehr
Unter diesen Bedingungen einen Haushalt auszuarbeiten, ist eigentlich unmöglich, meint auch L'Echo. Die PS ist nach der Kommunalwahl auf frankophoner Seite isolierter denn je. Der vielbeschworene Klebstoff zwischen PS und CDH hält nicht mehr. Die flämischen Mitte-Rechts-Parteien fordern eine liberalere Wirtschaftspolitik. Was die Partner allerdings eint, ist ihr gemeinsames Interesse, zu einer Einigung zu gelangen.
La Dernière Heure hat bei alldem den bedrohlichen Schatten von Bart De Wever im Hinterkopf. Man muss feststellen: Spätestens mit dem Abgang von Moureaux ist die PS in Brüssel nicht mehr unumgänglich. Und damit wohl auch nicht in der Rue de la Loi. Die Jamaika-Koalitionen aus MR, CDH und ECOLO könnten so etwas wie die Schablone für 2014 sein. Und damit würde auch De Wever von seinen sozialistischen Albträumen erlöst. Rendezvous in zwei Jahren.
A propos De Wever: Gazet van Antwerpen appelliert an den N-VA-Chef: Endlich klar und deutlich zu sagen, welche Absichten er verfolgt. Am Wahlsonntag rief er die Frankophonen auf, den Konföderalismus vorzubereiten. Doch was ist das eigentlich? Das kann alles Mögliche bedeuten. De Wever sollte also endlich klar Farbe bekennen. Dann können sich nämlich alle Beteiligten anständig und gründlich vorbereiten. Und dann droht uns in zwei Jahren nicht ein Remake der Endlos-Krise von 2010.
Archivbild: Virginie Lefour (belga)