“Dutzende Meldungen von Missbrauch im Gesundheitssektor“, titelt heute De Morgen. “Nach der Beichte von Vandereycken laufen bei der Telefonhilfe die Drähte heiß“, schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. In Flandern sorgt die Affäre um den Psychiater Walter Vandereycken weiter für Aufregung. Der Therapeut und Uni-Professor hatte ja in einem TV-Interview zugegeben, mehrmals sexuelle Beziehungen mit Patienten gehabt zu haben.
Missbrauchs-Affäre: Der Sturm ist losgebrochen
“Und jetzt ist ein Sturm losgebrochen in der Welt der Psychiatrie“, bringt es De Standaard auf den Punkt. Zunächst scheint es so auszusehen, als habe Vandereycken mehr Opfer auf dem Gewissen als er bislang zugegeben hat. Und es mehren sich eben auch Klagen über weitere Mediziner, die möglicherweise die Grenzen überschritten haben. “Das ist der Vangheluwe-Effekt für das Psychiatrie-Wessen“, zitiert De Standaard einen Psychiater. Jetzt scheinen plötzlich Opfer ihr langjähriges Schweigen zu brechen.
Kein weißer Ritter
Ausgerechnet Walter Vandereycken hat vor gut 20 Jahren selbst einen Kreuzzug gegen sexuellen Missbrauch im Gesundheitswesen geführt, weiß Het Laatste Nieuws zu berichten. Vandereycken hat sich zum weißen Ritter aufgeschwungen. Zitat von 1993: “Ich weiß genau, dass gewisse Ärzte ihre Machtposition missbrauchen“.
Für so manchen dürften aber auch die Enthüllungen um Vandereycken nicht neu gewesen sein. “In der Fachklinik in Tienen, wo Vandereycken praktizierte, wusste man genau über sein Fehlverhalten Bescheid“, zitiert Het Belang van Limburg die Schriftstellerin Kristien Hemmerechts. “Alle haben sie geschwiegen“, empört sich Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Die ganze Geschichte ist von vorne bis hinten schockierend. Hier gehört schnellstens aufgeräumt.
"Ärzteklub": Schnell aufräumen
Die Politik muss dafür sorgen, dass mögliche Missbrauchsopfer einen Ansprechpartner bekommen. Die Prozeduren, insbesondere bei der Ärztekammer, müssen effizienter werden. Man sollte auch über eine Meldepflicht nachdenken. Dass das nötig ist, ist allerdings fast schon skandalös. Kollegen von Vandereycken wussten von seinem Verhalten. Warum haben sie nichts unternommen?
Die Verantwortung der Ärztekammer ist erdrückend, klagt De Morgen an. Einmal mehr verhält sie sich wie ein korporatistischer Klub, der sich ausschließlich selbst bedient und beschützt. Die Ärztekammer hat sich disqualifiziert. Jetzt muss die Politik eingreifen, um die Rechte der Patienten und die Pflichten von medizinischem Personal straffer zu regeln. Wer sein Haus nicht selber sauber halten kann, der muss eben fühlen.
Vor dem Hintergrund der Untätigkeit der Ärztekammer stellt sich Gazet van Antwerpen eine bange Frage. Wie viele Vandereyckens laufen noch durch die Landschaft? Fakt ist: Die heutigen gesetzlichen und deontologischen Regeln reichen nicht aus, um Missstände zeitig aufzuspüren.
Quasi im Fahrwasser der Affäre Vandereycken bringt Het Nieuwsblad heute die Meldung, wonach ein renommierter Kinderarzt seit zwei Wochen im Gefängnis sitzt. “Bekannter Kinderarzt wegen Kindesmissbrauchs in Haft“, so die Schlagzeile. Es liegt offenbar eine entsprechende Klage gegen den Mann vor. In seiner Wohnung wurde nach Informationen von Het Nieuwsblad kinderpornografisches Material entdeckt.
Treffen Sie Ihre Wahl!
Einige Blätter blicken auch heute auf die Kommunalwahlen vom Sonntag. "20 Fragen, die Ihnen dabei helfen sollen, ihre Wahl zu treffen", präsentiert La Libre Belgique. Das Blatt hat dafür die Wahlprogramme der Parteien miteinander verglichen. L'Avenir bringt eine "Karte der Spannung in der Wallonie", konzentriert sich also auf die Gemeinden, wo es spannend werden kann.
In seinem Leitartikel sagt L'Avenir flächendeckend Bündnisse zwischen PS und MR voraus. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass sich Liberale und Sozialisten zusammenraufen und das schon mit Blick auf die Parlamentswahlen 2014, wo ja eine neue Phase der belgischen Existenzkrise droht.
Freunde mit gezückten Messern
Apropos Kommunalwahlen: In Flandern steigt spürbar die Nervosität. Vor allem CD&V und N-VA stehen sich mit gezückten Messern gegenüber. Ganz nebenbei sind aber beide Parteien in der flämischen Regierung. Die Regierung ist kein Freundeskreis, stellt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel fest. Allerdings gehen sich die Parteien dermaßen an die Gurgel, dass Ministerpräsident Peeters wieder mal versichern musste, dass die Regierung auch am 15. Oktober noch Bestand haben wird. Das nennt man schlicht und einfach Wahlkampffieber.
Auf der Titelseite des Magazins "Le Vif-L'Express" prangt das Foto von Bart De Wever. Le Vif beleuchtet die Strategie des Nationalistenchefs. Titel der Story: "Wie es De Wever geschafft hat, dass ihm Flandern zu Füßen liegt".
Von Gotteskriegern und mutigen Mädchen
"Belgischer Dschihad - Die somalische Rekrutierungszelle", titelt derweil Le Soir. Gestern sind ja in Brüssel sieben Verdächtige festgenommen worden. Sie sollen junge Muslime für den Heiligen Krieg begeistert und in Kriegsgebiete geschickt haben, insbesondere nach Somalia.
In Pakistan haben selbsternannte Gotteskrieger am Dienstag einen Mordanschlag auf die 14-jährige Malala Yousafzai verübt. Das Mädchen hatte vor einigen Jahren auf einer Webseite der BBC über Gewalttaten der Taliban berichtet. Malala ist ein Vorbild, meint La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Hoffentlich können die Ärzte ihr Leben retten. Am heutigen Internationalen Tag des Mädchens ist Malala unser Talisman.
Dopingabhängig
Die flämischen Massenblätter befassen sich beide mit den Dopingvorwürfen gegen den siebenmaligen Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong. Gestern hat die amerikanische Dopingagentur ihre abschließenden Ermittlungsergebnisse präsentiert. Dieses Dossier gibt Armstrong den Gnadenstoß: "Armstrong bezahlte 800.000 Euro an einen Doping-Arzt", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Het Nieuwsblad stellt den ehemaligen Teamchef von Armstrong in den Vordergrund, den Belgier Johan Bruyneel. Das Blatt klagt in Blockbuchstaben an: "Bruyneel machte junge Menschen zu Doping-Abhängigen“.
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