“Die Waffe der Bürgermeister gegen Unruhestifter“, titelt heute Le Soir. “Bald auch Geldbußen für 14-Jährige“, so die Schlagzeile von De Morgen. Die Regierung hat gestern beschlossen, den Gemeinden zusätzliche Instrumente an die Hand zu geben, um gegen Kleinstdelikte vorzugehen, wie etwa Vandalismus. Demnach wird das System der “Kommunalen Ordnungsstrafen“ erweitert: Die Gemeinden sollen kleine Ordnungswidrigkeiten schneller ahnden können, die Geldbußen werden empfindlich erhöht. Und eben: Das Mindestalter wird von 16 auf 14 Jahre gesenkt.
Jung und bestraft
Dagegen laufen zunächst Menschenrechtsgruppen Sturm, wie Le Soir berichtet. 14 Jahre, das sei schlicht und einfach zu jung. “Die flämische Jugend probt den Aufstand gegen Ordnungsstrafen“, titelt auch Het Nieuwsblad. Demnach üben auch Jugendorganisationen harsche Kritik an der Verschärfung der Gesetzgebung. Jugendliche würden immer häufiger per se als Problem betrachtet, beklagen die Vereinigungen.
Auch viele Leitartikler gehen mit der Maßnahme ins Gericht. Die Kritik der Jugendorganisationen ist nachvollziehbar, meint etwa Het Nieuwsblad. Die Organisation Chiro warnt etwa vor einem Sheriff-Staat, in dem allein die Tatsache, dass man jung ist, schon bestraft wird. In diesem Land gibt es schon Regeln genug. Jetzt kommt noch mal eine ganze Latte oben drauf. Wobei das Schlimme ist: Jede Gemeinde kann selbst festlegen, welche Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Das riecht nach Willkür.
Ähnlich sieht das Het Belang van Limburg. Beispiele von Gemeinden, die über das Ziel hinausschießen, häufen sich. In Hasselt etwa wurde Jugendlichen eine Geldbuße aufgebrummt, weil sie auf einer Parkbank auf der Lehne saßen, die Füße auf der Sitzfläche. Wer von uns hat das nicht getan, als er jung war? Damals war das kein Problem. Heute droht gleich eine Geldbuße. Wo soll das noch hinführen? Davon abgesehen: 14-Jährige bestrafen zu wollen, das ist bedenklich. Die heutige Generation mag zwar reifer sein, 14-Jährige aber sind und bleiben Kinder.
Beschneidung persönlicher Freiheiten?
Mit der Verschärfung der Ordnungsstrafen kommt man zwar dem Wunsch vieler Gemeindeverantwortlicher nach, bemerkt auch Le Soir. Allerdings muss man doch feststellen, dass damit das Sicherheitsarsenal in seiner Gesamtheit doch deutlich aufgestockt wird. Hier stellt sich auf Dauer die Frage, in welcher Gesellschaft wir künftig leben wollen. In einem absoluten Überwachungsstaat stehen die persönlichen Freiheiten auf dem Spiel.
De Morgen treiben dieselben Bedenken um. Die Regierung bewegt sich hier auf einem schmalen Grat. Jede Gemeinde kann selbst bestimmen, was sie störend findet. Die Justiz bleibt in dem ganzen Prozess außen vor. Am Ende droht eine Gesellschaft, in der nur noch Platz für Menschen ist, die zu 100 Prozent angepasst sind. Hier verschwimmt im Eiltempo die Grenze zwischen unerwünschtem Verhalten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung.
Klar: Es ist löblich, dass verschärft gegen genau die Ordnungswidrigkeiten vorgegangen werden soll, die den Alltag vergiften, meint Gazet van Antwerpen. Doch hier besteht die Gefahr, dass die Kommunalen Ordnungsstrafen für die Justiz zum Alibi werden, um nicht mehr aktiv zu werden. Und es bedarf unbedingt eines klaren Rechtsrahmens. Es kann nicht sein, dass ein und dasselbe Verhalten in einer Gemeinde geahndet und in der anderen nicht geahndet wird. Hier geht es um Rechtssicherheit. Nur wenn Ordnungsstrafen intelligent eingesetzt werden, kann man wirklich Problemverhalten effizient bekämpfen.
Kritische Bilanz des Bahnstreiks
Einige Zeitungen kommen auf den gestrigen Bahnstreik zurück. Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen haben den Tag mit Jos Digneffe verbracht, dem Chef der flämischen sozialistischen Eisenbahner. Für ihn war es der letzte Streik; Digneffe, der zwischenzeitlich zum “meistgehassten Mann des Landes“ aufgestiegen war, geht Ende des Jahres in den Ruhestand.
Het Laatste Nieuws zieht in seinem Leitartikel eine kritische Bilanz des Streiks. Die fällt anders aus, als die Gewerkschaften es wohl darstellen wollen. Es ist nämlich so, dass zwei von drei SNCB-Bediensteten nicht gestreikt haben. Das gilt insbesondere für Flandern; aber selbst in Charleroi hielt sich die Streikbereitschaft durchaus in Grenzen. Seltsam allerdings: Zwar wollten zwei Drittel der Bediensteten arbeiten; trotzdem fuhr kein einziger Zug. Hier stellt sich einmal mehr die Frage nach einem Minimaldienst im Streikfall. Fakt ist: Zumindest gestern hätte man dafür über ausreichend Personal verfügt.
“Schwarzes Gold, düstere Zeiten“
“Der Preis für Heizöl fast auf Rekordstand“, titelt L’Avenir. Heizöl kostet ab heute knapp 95 Cent. Innerhalb von fünf Jahren hat sich damit der Liter Heizöl um über 50 Prozent verteuert. 130.000 Familien werden wohl in diesem Jahr Hilfe aus dem sogenannten Heizöl-Fonds beantragen. Schwarzes Gold und dunkle Zeiten, resümiert L’Avenir denn auch in seinem Leitartikel. Der Höhenflug der Kraftstoffpreise dürfte wohl noch eine Weile andauern. Dabei ist man gerade in Belgien viel zu oft auf das Auto angewiesen, da Alternativangebote fehlen. Und alle Nase lang streikt dann auch noch das SNCB-Personal. Belgien hat mehr denn je ein Mobilitätsproblem. Und wir werden wohl zwangsläufig unsere Gewohnheiten ändern müssen.
Ungeschützt und abgeküsst
Einige Zeitungen bringen ein erstaunliches Foto von Premierminister Elio Di Rupo. Der wurde in einer flämischen Fernsehshow von einem Travestie-Künstler buchstäblich abgeküsst. Das Bild ging schon um die Welt. La Libre Belgique nimmt den Vorfall zum Anlass für die Frage, ob der Premierminister ausreichend beschützt wird. In Belgien werden Politiker in der Regel nämlich nicht systematisch von Personenschützern abgeschirmt.
"Test Achats fordert Geld von Supermärkten", so die Titelstory von Het Belang van Limburg und Gazet Van Antwerpen. Die Verbraucherschutzorganisation bereitet demnach eine Klage gegen die sieben größten Supermarktketten vor, darunter Delhaize, Colruyt und Carrefour. Der Vorwurf: Preisabsprachen, die dazu geführt haben, dass verschiedene Produkte um bis zu 30 Prozent teurer verkauft worden sind.
"Belgische Staatsobligationen lohnen sich für Investoren", schreibt L'Echo. Demnach haben belgische Staatsbons auf dem so genannten Sekundärmarkt allein in diesem Jahr schon eine Rendite von über zwölf Prozent abgeworfen.
Comeback auf Samtpfoten
Viele Zeitungen schließlich heben hervor, dass die heimische Fauna um einen Rückkehrer reicher geworden ist. Zum ersten Mal seit 150 Jahren wurde wieder eine Wildkatze in Belgien beobachtet. Aufgenommen wurde sie von einem Hobbyfotografen aus dem limburgischen Bocholt, wie unter anderem Het Belang van Limburg und La Dernière Heure berichten. Der wollte eigentlich Biber filmen, und staunte nicht schlecht, als ihm plötzlich eine außergewöhnlich große Katze vor die Linse lief.
Archivbild: Miguel Angel Molina (afp)