"Armstrong unterschreibt sein Todesurteil", titelt l’Avenir. "Sieben Tour de France - Siege wohlmöglich futsch", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Wir nehmen ihm alles ab", schreibt Het Nieuwsblad in Blockbuchstaben auf Seite eins.
Lance Armstrong hat seinen Kampf gegen die Dopingfahnder aufgegeben. Armstrong hatte zwischen 1999 und 2005 sieben Mal die Tour de France gewonnen, das härteste Radrennen der Welt. Mit Doping erwischt wurde er nie. Doch schürte die Souveränität, die Leichtigkeit, mit der er die Grande Boucle gewann, von Anfang an Zweifel. Vor einigen Jahren begannen seine früheren Teamgefährten, auszupacken. Auf dieser Grundlage versuchte ihm, die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA den Prozess zu machen. Jetzt will er also seine Gegenwehr einstellen. "Genug ist genug", zitiert ihn etwa Het Nieuwsblad. Für die USADA kommt das allerdings einem Schuldeingeständnis gleich. "Jetzt wird Lance Armstrong lebenslang gesperrt", bemerkt Het Laatste Nieuws.
Wer hat denn jetzt die Tour gewonnen?
Die Frage ist nur: Was passiert mit seinen Toursiegen? De Morgen hat sich die Mühe gemacht, die Top 10 der Tour der France zwischen 1999 und 2005 noch einmal herauszusuchen. Es zeigte sich: Bis zu acht der zehn Bestplatzierten bei besagten Rundfahrten sind überführte Dopingsünder. Würde also Armstrong sein Gelbes Trikot verlieren, dann wäre es wohl äußerst schwierig zu ermitteln, wer da denn nachrücken soll.
Wollen sie die Namen der Zweitplatzierten aus den Armstrong-Jahren, fragt La Dernière Heure. Hier sind sie: Alex Zülle, Jan Ullrich, Joseba Beloki, Andreas Klöden, Iwan Basso. Da ist Armstrong ja in feiner Gesellschaft. Sie alle wurden wegen Dopings überführt. Was bleibt, ist die Dekadenz eines Athleten, der trotz allem eine Ausnahmeerscheinung war, der aber zu sehr von Ehrgeiz und Ambition getrieben war.
Wie wäre es denn, wenn für die Jahre 1999-2005 auf der Ehrenliste der Tour de France auf Platz eins ein X stehen würde, schlägt Het Nieuwsblad vor. Alles andere wäre ein lächerliches Schmierentheater. In jedem Fall wäre es wichtig, dass es einen definitiven Schuldspruch gibt, und dass hinter Armstrongs Siegen nicht bis in alle Ewigkeit ein Fragezeichen stehen muss.
"Es bedarf eines Schuldspruchs!"
Ob Lance Armstrong wirklich gedopt war, das werden wir allerdings nie erfahren, bedauert Le Soir. Indem er seine Gegenwehr aufgegeben hat, wird der Fall wohl nie vor Gericht definitiv geklärt: Und Armstrong selbst kann sich problemlos als Opfer einer Hetzjagd darstellen. Der Kampf um einen sauberen Radsport kommt hier nicht wirklich weiter.
Und das ist schade, meint Het Belang van Limburg. Es wäre wichtig, Armstrong nach allen Regeln der Kunst zu verurteilen. Im Augenblick bewegen wir uns in einer Grauzone; der Schuldspruch beruht im Grunde nur auf einem rechtlichen Umkehrschluss. Den heutigen Radprofis gegenüber bedarf es aber eines klaren Signals: Wer Doping gebraucht, der wird früher oder später erwischt. Wir wollen keine Supermänner mehr auf Fahrrädern sehen. Ansonsten hätte es keinen Sinn gehabt, dem Supermann Armstrong sein Cape vom Rücken zu reißen.
Möglicherweise hatte Armstrong seine Gründe, der Justiz auszuweichen, glaubt l’Avenir. Wäre es zu einem Verfahren gekommen, dann hätte er nämlich unter Eid aussagen müssen. Und wäre da womöglich zu einem Meineid gezwungen gewesen. Wenn man ihm das später hätte nachweisen können, dann wäre die neue Karriere, die er anstrebt, gefährdet. Armstrong will nämlich Gouverneur von Texas werden.
Breivik "schuldig und schuldfähig"
Zweites großes Thema ist die Verurteilung des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik am Freitag. "Höchststrafe für Massenmörder Breivik", titelt das Grenz-Echo. "Breivik kommt möglicherweise nie mehr frei", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Er ist schuldig und schuldfähig", stellt La Libre Belgique fest. Bis zuletzt war ja offen, ob Breivik nicht am Ende für geistesgestört erklärt wird und in diesem Fall wäre er in einer geschlossenen Anstalt interniert worden.
Wie Norwegen mit dem Fall umgegangen ist, ist absolut bemerkenswert, urteilt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Es gab keine Stimmen, die die Todesstrafe forderten. Selbst die Boulevardpresse hat sich mit Thekenparolen zurückgehalten. Viel mehr hat man sich die Frage gestellt, wie ein Land wie Norwegen einen derartig ideologisch verbrämten Spinner hervorbringen konnte. Für den Umgang der Norweger mit dem Fall Breivik gibt es nur ein Wort: Erwachsen.
"Belgien sollte von Norwegen lernen!"
"Sie sind doch sonderbar, diese Norweger", meint auch augenzwinkernd De Standaard. Das Urteil von Oslo und auch die Reaktionen darauf wecken insbesondere bei uns grenzenloses Erstaunen. Beispiel: Breivik wurde zu 21 Jahren Haft verurteilt. "Nur" 21 Jahre. In Belgien hätte das zu einem Aufstand geführt, weil man hierzulande ja nicht weiß, wie lange man dafür im Gefängnis bleiben muss. In Norwegen ist das alles haarfein geregelt. Die Norweger vertrauen ihren Einrichtungen. Bei uns hingegen herrscht Misstrauen. Allerdings beides, Vertrauen und Misstrauen, fällt nicht vom Himmel, sondern beruht auf Erfahrungswerten. Der belgische Staat muss seinen Bürger das Vertrauen zurückgeben.
Ja, wir können uns bei den Norwegern so einiges abgucken, meint auch Het Laatste Nieuws. Angefangen damit, dass das Urteil kaum ein Jahr nach den schrecklichen Taten schon gesprochen ist. Bei uns muss der Prozess gegen Kim De Gelder erst noch stattfinden. Bei Dutroux hat das ganze acht Jahre gedauert. Und auch der Vollzug der Strafe ist in Norwegen peinlichst genau geregelt. Da gibt es gar keine Diskussion über vorzeitige Haftentlassung. Die entsprechenden Vorgaben stehen schon im Urteil. Bei der Reform der Justiz muss Ministerin Turtelboom also nicht das Rad neu erfinden. Von den Norwegern kann man einiges lernen, zum Beispiel wie man den Bürgern Rechtssicherheit bietet und zudem ein Gefühl von Gerechtigkeit. Im Fall Martin beweist Belgien genau das Gegenteil.
Apropos Martin: "Der Schutz für Michelle Martin kann schnell eine Million Euro kosten, titeln heute Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen. Für die Bewachung des Klosters von Malonne werden ja zusätzliche Polizisten abgestellt. Eine Polizeigewerkschaft übt denn auch in beiden Blättern harsche Kritik.
Rangeleien um "De Gordel"
La Libre Belgique befasst sich mit den gemeinschaftspolitischen Rangeleien um den Gordel. Der Gordel, das ist ja diese Radwanderung um Brüssel, an der immer zehntausende Menschen teilnehmen. Es ist aber mehr, als nur eine Radtour; der Gordel hat eine politische Komponente: Gordel, Gürtel: Es geht darum, zu demonstrieren, dass der Brüsseler Rand flämisch ist.
Nur eben nicht ganz: In der Gemeinde Sint-Genesius-Rode leben mehrheitlich Frankophone - und der Gemeinderat besteht auch mehrheitlich aus Frankophonen. Besagter Gemeinderat hat also aus allerlei Gründen verboten, dass der Gordel nächstes Wochenende in Sint-Genesius-Rode startet. Das hat zu Handgreiflichkeiten geführt, und zwar während der Gemeinderatssitzung. Jetzt, so schreibt La Libre, jetzt will Linkebeek dem Beispiel folgen: Auch hier leben mehrheitlich Frankophone. Und auch hier will man den Ablauf des Gordel stören.
Das sind verzweifelte Rückzugsgefechte, schreibt dazu Gazet Van Antwerpen. Die FDF hat wohl die Spaltung von BHV noch nicht verwunden.
Archivbild: Gabriel Bouys (afp)