“Das Herz der Hauptstadt steht in Flammen“, titelt heute La Libre Belgique. “Gigantische Rauchsäule über Brüssel“, so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. “Spektakulärer Brand in der Brüsseler Rue Neuve“, schreibt Le Soir auf Seite eins.
Fast alle Zeitungen bringen spektakuläre Fotos von einem Brand in einer der bekanntesten Brüsseler Einkaufsstraßen. Ein Bekleidungsgeschäft brannte völlig aus. Verletzt wurde niemand, da das Feuer nach Geschäftsschluss ausgebrochen war.
“Traum-Abkommen“ verworfen
In Flandern sorgt der kuriose Ausgang eines Sozialkonflikts für Gesprächsstoff. “Lieber entlassen, als 14 Kilometer weiter zu arbeiten“, titelt Het Nieuwsblad. “Erpressung lohnt sich“, stellt Het Laatste Nieuws in Blockbuchstaben fest. Beim Kunstrasenhersteller Desso in Dendermonde hat das Personal einen Sozialplan verworfen, den Beobachter als “Traum-Abkommen“ bezeichnet hatten.
Desso muss schließen. Die Gewerkschaften handelten aus, dass große Teile des Personals von einem Konkurrenten übernommen werden sollten, der keine 20 Kilometer von dem Unternehmen entfernt angesiedelt ist. Der Einkommensverlust wurde durch eine Prämie ausgeglichen. Als die Gewerkschaften das Abkommen stolz dem Personal zur Abstimmung vorlegten, fegten die Mitarbeiter den Text vom Tisch. Am Ende sah sich die Direktion genötigt, die Umzugsprämie auf 12.000 Euro zu verdoppeln.
Deswegen spricht Het Laatste Nieuws auch von Erpressung. Die Arbeitgeber, allen voran die Mittelstandsvereinigung UNIZO, reagierten empört: “Dass ein Unternehmen eine Prämie zahlen muss, um Arbeitnehmer dazu zu ermuntern, einen Job anzunehmen: Hier wird die Welt doch auf den Kopf gestellt“, zitieren einige Blätter den UNIZO-Vorsitzenden.
Die Mehrheit des Personals hat hier aus reinem Egoismus gehandelt, ereifert sich Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Dass wir uns im Augenblick in einer schlimmen Krise befinden, das ist bei den Desso-Mitarbeitern anscheinend noch nicht angekommen. Man will 79 Entlassungen vermeiden, indem man Arbeitern eine Stelle anbietet, die nur 14 Kilometer entfernt ist. Und doch lehnen die Arbeitnehmer ab. Was haben sie erwartet? Träumen sie von Frühpension? Sind ihnen 14 Kilometer zu weit? Für all diejenigen, die den belgischen Kündigungsschutz aufweichen wollen, ist diese Geschichte jedenfalls ein gefundenes Fressen.
Warum nicht auch ein “Bonus“ für Arbeit?
Man sollte hier doch mal genauer hinschauen, mahnt De Standaard in seinem Kommentar. Diese Akte ist zu komplex, um vorschnell mit dem Finger auf Leute zu zeigen. Die nuancierte Wahrheit ist, dass sich wohl schon viele Arbeitnehmer mit der Kündigung abgefunden hatten. Sie hatten schon nach einem neuen Job gesucht, sich mitunter auch schon entsprechend weitergebildet. Vor Augen hatten sie also nur noch eine stattliche Abfindung. Eine Sache gehört hier übrigens hervorgehoben: Die Gewerkschaften sind besser, als ihr Ruf. Häufig wird ihnen vorgeworfen, dass sie es ausschließlich auf Frühpensionierungen und Abfindungen abgesehen haben. Im vorliegenden Fall liefern sie den Gegenbeweis: Hier stand der Erhalt von Arbeitsplätzen absolut im Vordergrund.
De Morgen hat sogar Verständnis für die Haltung der Desso-Mitarbeiter. Dass sie auf eine nette Abfindung spekuliert haben, ist absolut nachvollziehbar. In den hohen Sphären von Unternehmen und Banken wird ihnen das vorgemacht. Wenn Top-Manager ohne Skrupel ihren Bonus kassieren, wer kann es dann Arbeitern verübeln, wenn sie auch ihre Chance auf ein kleines Extra obendrauf ergreifen wollen. Der Konkurrent wird schlechter bezahlen. Deswegen ist es nur normal, dass man die Desso-Mitarbeiter dazu ermuntern muss, dort anzufangen. Angebot und Nachfrage…
Im ‘Hotel Mama‘ eingerichtet
Drei frankophone Zeitungen machen quasi mit ein und derselben Titelgeschichte auf. “Eine Million 18- bis 34-Jährige wohnen noch bei ihren Eltern“, titeln fast gleichlautend Le Soir und L’Avenir. “Die Generation ‘Hotel-Mama‘ hat Zukunft“, bemerkt La Libre Belgique auf Seite eins. Und in der Tat: Vier von zehn jungen Erwachsenen haben ihr Elternhaus noch nicht verlassen. Die Gründe sind vielschichtig; allen voran werden hier die längeren Studienzeiten und die niedrigen Einstiegsgehälter als Ursachen genannt.
Kommentierend meint Le Soir dazu: Bei dem einen mag es seine freie Entscheidung sein, das heimische Nest nicht zu verlassen - schon was Feines, wenn das Bett wie von Geisterhand gemacht wird. Für viele andere ist es aber keine Entscheidung, sondern eine Notwendigkeit. Die Arbeitsbedingungen, die mangelnde Jobsicherheit, die schlechte Bezahlung: All das sorgt dafür, dass junge Menschen sich nicht auf eigene Füße stellen können. Viele junge Menschen haben deshalb nicht mehr so etwas, wie eine eigene Lebensplanung.
Denunzierte Denunzianten
Fast alle flämischen Zeitungen berichten heute über die Verwirrung in der Polizeizone HAZODI, Hasselt-Zonhoven-Diepenbeek. Einige Mitarbeiter hatten vor einiger Zeit auf Missstände in der Polizeizone hingewiesen. Die Justiz hat ermittelt. Und jetzt hat sich herausgestellt: Allen voran die Denunzianten haben zu viel Geld bezogen, weil sie offensichtlich irrtümlich in einer zu hohen Gehaltsklasse eingeordnet waren.
Die Außenwirkung ist desaströs, meint dazu Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Für viele sieht es so aus, als sollten diejenigen, die auf Missstände hinweisen, mit aller Macht mundtot gemacht werden. Was bleibt, sind Fragen.
Natural Born Killers
Einige Blätter befassen sich mit der belgischen Zwischenbilanz bei den Olympischen Spielen. “Es sind die Spiele der gemischten Gefühle“, stellt De Morgen fest. Oftmals galt für belgische Sportler: “Knapp vorbei ist auch daneben“. “Fehlt unseren Athleten der Killer-Instinkt?“, fragt sich Het Laatste Nieuws. “Typisch belgisch“, hört man jetzt schon die Kritiker. Den Belgiern fehle demnach der letzte Biss. Das ist ein Klischee, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Das belgische Problem befindet sich nicht nur im Kopf, sondern auch in den Armen und Beinen der Bürger in dieser sitzenden Gesellschaft. Kein Wunder, dass wir unsere Silbermedaille im Liegen gewonnen haben, genauer gesagt beim Liegendschießen.
Bild: Ilse Ketele (belga)