Alle Zeitungen der belgischen Inlandspresse berichten heute über den Tod des populären PS-Politikers Michel Daerden. Daneben stehen die Olympischen Spiele in London im Fokus, bei denen heute ein historischer Tag für die belgischen Athleten stattfindet. Außerdem ist es in einem Pfadfinderlager zu einem Streit um die richtigen Flaggen gekommen.
“Papa ist tot“, titelt Het Nieuwsblad. “Ganz Belgien trauert um Michel Daerden“, schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. Le Soir meint: “Das große Herz von Daerden hat aufgehört zu schlagen“. Und L’Avenir hält auf seiner Titelseite fest: “Daerden hat die Bühne verlassen“.
Der langjährige PS-Politiker ist gestern im Alter von 62 Jahren an den Folgen eines doppelten Herzinfarkts gestorben. Daerden lag seit mehr als zehn Tagen im künstlichen Koma, nachdem er während seines Sommerurlaubs in Südfrankreich in die Klinik von Fréjus eingeliefert worden war.
Daerden gilt als Gallionsfigur der Lütticher Sozialisten: Er war jahrelang Bürgermeister von Ans, Minister auf regionaler Ebene und zuletzt Rentenminister in der Föderalregierung von Yves Leterme. Fast alle Politiker im Süden wie im Norden des Landes zeigen sich bestürzt über Daerdens Tod. Unter anderem erklärte Premierminister Elio Di Rupo, einen politischen Freund verloren zu haben.
Het Belang van Limburg nennt ihn den Mann mit den zwei Gesichtern. Auf der einen Seite das Arbeitstier Michel Daerden, das Zahlengenie mit umfangreicher Aktenkenntnis. Selbst seine politischen Gegner beneideten ihn um seinen klaren Blick auf komplexe Sachverhalte. Auf der anderen Seite dominiert das Bild des populären Politikers mit dem ernsthaften Alkoholproblem.
“Papa“ und “Kamerad Porsche“
De Standaard spricht vom folkloristischsten Politiker, den Belgien jemals gehabt habe. Spitzname: “Papa“ wegen seiner großen Beliebtheit in der Bevölkerung, und “Kamerad Porsche“ wegen seines ausufernden Lebensstils. Het Laatste Nieuws bemerkt: Sozialismus war für ihn nie gleichzusetzen mit einem Leben in einfachen Verhältnissen. Wenn andere sich durch Politik bereichern würden, warum sollte das nicht für ihn gelten? So fasst die Zeitung sein Lebensmotto zusammen und beschreibt Daerden als eine Mischung aus dem französischen Künstler Serge Gainsbourg und dem italienischen Skandal-Politiker Silvio Berlusconi.
Gazet van Antwerpen erinnert daran, dass Michel Daerden in einem Interview erklärt hatte, er wäre lieber Sänger und Schauspieler als Politiker geworden. Solche Aussagen haben ihn besonders sympathisch und volksnah gemacht. Sein fast schon exzessiver Hang zur Rotweinflasche hat ihn am Ende nicht nur das Leben gekostet, sondern ihm auch seinen politischen Absturz beschert, meint das Blatt. Wäre er nicht dauernd betrunken gewesen, würde er noch heute zum engen Kreis der Politiker um Elio Di Rupo gehören. Selbst auf kommunaler Ebene hat die junge Garde Michel Daerden ausrangiert und den Parteigenossen in Ans gnadenlos vor die Tür gesetzt. Für die anstehenden Wahlen wollte er in die Nachbargemeinde Saint-Nicolas umziehen und dort als Spitzenkandidat antreten.
Betrunken im Fernsehen
Le Soir blickt auf die lange politische Karriere von Michel Daerden zurück, von seinen Anfängen als Unternehmensprüfer über seinen Start als Politiker Anfang der 80er Jahre bis hin zu seinem föderalen Amt als Rentenminister. Unvergessen bleibt ein Fernsehauftritt aus dem Jahr 2006, als er nach den Kommunalwahlen völlig benebelt vor laufenden Kameras auf seinen Wahlsieg reagiert. Die Zeitung hält fest: Der Mann hatte verstanden, dass er außerhalb des Parlaments agieren musste, um seinen politischen Absturz zu stoppen. Als Standard Lüttich-Anhänger präsentierte er sich mit Bier oder Rotwein und im besten Lütticher Akzent auf jedem Volksfest.
Andere hätten dabei Stimmen verloren, bemerkt De Morgen. “Papa“ Daerden dagegen ist im Lütticher Raum noch populärer geworden. La Libre Belgique notiert: Zahlengenie und Skandal-Politiker hin oder her - Daerdens Tod erinnert uns daran, dass eine öffentliche Person an erster Stelle auch ein Mensch ist.
Zwillinge im Finale
Alle Zeitungen blicken auf den heutigen Tag bei den Olympischen Spielen in London, der für die belgischen Athleten von Bedeutung sein könnte. “Zwillinge, die Geschichte schreiben könnten“, titelt La Libre Belgique. Kevin und Jonathan Borlée haben sich beide für das Finale qualifiziert und bestreiten heute Abend den 400 Meter-Endlauf.
Het Nieuwsblad beleuchtet die bisherige Leistung von Seglerin Evi Van Acker. In der spannenden letzten Regatta fällt heute die Entscheidung und dabei ist für die Belgierin alles drin: Gold, Silber, Bronze oder gar nichts. In der Zeitung erklärt sie, es werde das wichtigste Rennen ihres Lebens.
De Standaard berichtet über einen gemeinschafspolitischen Zwischenfall im wallonischen Jalhay. Pfadfinder aus der Provinz Limburg hatten bei ihrem Sommerlager die flämische Fahne gehisst. Einige Anwohner und Bürgermeister Grégoire hatten den flämischen Löwen als Provokation empfunden und die jungen Leute gebeten, doch auch die belgische Flagge aufzuhängen. Jetzt ist wieder Frieden eingekehrt und über dem Pfadfinderlager weht unter dem Löwen aus Flandern auch Schwarz-Gelb-Rot.
Bild: Eric Lalmand (belga)