"Belgien ist sein Wirtschaftswachstum abhandengekommen", so La Libre Belgique auf Seite eins. Bei L'Echo heißt es: "Euro-Krise zieht belgische Wirtschaft in Mitleidenschaft". Das Bruttoinlandsprodukt ist nach ersten Berechnungen der Notenbank im zweiten Quartal um 0,6 Prozent gesunken. Wie De Morgen bemerkt, ist es der stärkste Rückgang seit Ausbruch der Krise 2008 und keine gute Nachricht für die Staatsfinanzen. Experten führen die schlechten Ergebnisse auf die anhaltende Krise in der Euro-Zone zurück. Seit Monaten befindet sich das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmern auf einem Tiefpunkt. Die Folge sind sinkende Exportzahlen, ein Anstieg der Firmenpleiten und der Arbeitslosigkeit.
Di Rupo & Co. zu positiv
Nach Informationen von De Morgen hat auch die Anzahl Zwangsversteigerungen explosionsartig zugenommen. Allein in Antwerpen wurde seit Beginn des Jahres das Hab und Gut von über 250 in Konkurs gegangenen Unternehmen versteigert. Het Nieuwsblad meint: Das Alles beweist, dass es Belgien nicht so gut geht, wie Di Rupo & Co. es uns verkaufen wollen. Ausgegangen war die Föderalregierung bei ihren Haushaltsberechnungen von einem leichten Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Die Zeitung befürchtet, dass es am Ende höchstens eine Nullrunde geben wird. Die Krise erreicht nach dem Mittelmeerraum jetzt langsam aber sicher auch die Nordseeländer. Tatenlos zusehen müssen wir allerdings nicht. Die schlechten Zahlen spiegeln nur ein Quartal wieder, hält das Blatt fest.
Gazet Van Antwerpen fügt hinzu: Einen sorglosen Sommerurlaub wird es für die Minister nicht geben. Sie müssen sich bereits Gedanken darüber machen, wie sehr die schlechteren Wirtschaftszahlen die Staatsfinanzen belasten. Zwar hatten sie in weiser Voraussicht einen Puffer von einer halben Milliarde Euro vorgesehen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es eine neue Sparrunde geben wird. Oberstes Ziel muss ein Haushaltdefizit unter drei Prozent bleiben. Ansonsten drohen wir unser so mühsam zurückgewonnenes Vertrauen an den internationalen Märkten wieder zu verspielen.
La Libre Belgique findet: Einen Ausweg kann es nur auf europäischer Ebene geben. Belgien veröffentlicht seine Quartalszahlen traditionell als erstes Euro-Land. Die anderen Staaten, so ist das Blatt überzeugt, werden ähnlich schlechte Resultate präsentieren. Het Nieuwsblad ergänzt: Auch Deutschland dürfte einen leichten Rückgang verzeichnen. Vielleicht der einzige Lichtblick, denn wenn die Deutschen die Krise zu spüren bekommen, werden sie möglicherweise endlich weitgehenden Rettungsmaßnahmen zustimmen.
"Kein Platz für Michelle Martin"
Fast alle Zeitungen berichten über den wachsenden Unmut in der Bevölkerung über die geplante vorzeitige Entlassung aus der Haft von Michelle Martin, der Ex-Frau und Komplizin von Kindermörder Marc Dutroux. Auf den Titelseiten von L'Avenir, De Standaard und Het Laatste Nieuws ist ein Foto zu sehen vom Kloster in Malonne bei Namür, in dem Martin unterkommen soll. Auf die Mauern des alten Gebäudes haben Nachbarn mit gelber Farbe gepinselt: "Nein! Kein Platz für Michelle Martin". Wie die Blätter notieren stehen die Schwestern des katholischen Klarissenordens jetzt Tag und Nacht unter Polizeischutz. Für morgen und Sonntag sind Protestkundgebungen in der Nähe des Klosters angemeldet worden. Zurzeit befasst sich das oberste Gericht des Landes der Kassationshof mit der Akte Martin. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte Berufung gegen die frühzeitige Haftentlassung der Dutroux-Komplizin eingelegt. Spätestens am 28. August muss das Gericht entscheiden, ob Martin freikommt oder nicht.
Le Soir hält fest: Die Debatte über Sinn und Zweck der vorzeitigen Entlassungen aus dem Strafvollzug läuft wieder auf Hochtouren. Das sogenannte Lejeune-Gesetz, wonach verurteilte Straftäter nach einem Drittel ihrer Haftzeit einen Antrag auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft stellen können, stammt bereits aus dem Jahr 1888. Die Regierung Di Rupo will die Gesetzgebung in Kürze verschärfen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass jeder Zweite, der frühzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird, eines Tages wieder hinter Gittern landet.
"Unruhestifter Karl-Heinz Lambertz"
De Morgen berichtet über einen neuen gemeinschaftspolitischen Konflikt in Belgien. Nach Brüssel-Halle-Vilvoorde droht ein Streit im Osten des Landes. Zwischen Wallonischer Region und Deutschsprachiger Gemeinschaft sind die Verhandlungen über weitere Befugnisübertragungen von Namür nach Eupen derzeit festgefahren. "Wir haben ein ernstes Problem mit den Wallonen", wird der deutschsprachige Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz in der Zeitung zitiert. Und weiter: "Entweder wir finden eine Lösung, oder Belgien steht vor einem neuen Problem". "Vom königlichen Vermittler zum Unruhestifter", beschreibt das Blatt den sozialistischen Regierungschef aus Eupen. Die Deutschsprachige Gemeinschaft will in den Bereichen Raumordnung, Wohnungsbau und Provinz selber zuständig werden.
L'Avenir berichtet über den ungewöhnlichen Weg, den Staatsminister Charles-Ferdinand Nothomb einschlägt. Im September beginnt der 76-Jährige sein drittes Studium. Der ehemalige Innen- und Außenminister will sich jetzt der Philosophie widmen. Nothomb wird dazu sogar in eine Studenten-WG nach Neu-Löwen ziehen. Als er dort ein "Kot" anmieten wollte, dachte der Makler, der altgediente cdH-Politiker sei auf der Suche nach einer Wohngemeinschaft für seine Enkelin.
Archivbild: Nicolas Lambert (belga)