"Um die Euro-Zone zu retten, muss man sich bewegen", titelt heute Le Soir. Das Blatt zitiert damit den föderalen Außenminister Didier Reynders. Der hat auch der Börsenzeitung L'Echo ein Interview gewährt. Die Schlagzeile: "Die Zukunft des Euro nach Didier Reynders". Und diese Zukunft sieht nach Ansicht des Außenministers so aus: Europa braucht mehr Föderalismus. Europa muss näher zusammenrücken. Die Mitgliedsstaaten müssen ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik noch deutlich besser verzahnen. Ansonsten droht die Euro-Zone zu zerreißen in einen nördlichen und einen südlichen Teil.
Um das also zu verhindern, bleiben den Staats- und Regierungschefs keine Monate mehr. Jetzt muss es schnell gehen, es ist eine Frage von Wochen, sagt Didier Reynders in Le Soir und L'Echo.
Europa am Scheideweg - mehr denn je!
Vor allem muss die EU wieder lernen, Entscheidungen zu treffen, meint L'Echo in seinem Leitartikel. Der Entscheidungsfindungsprozess ist ins Stottern geraten. Die Gipfel sind immer schlechter vorbereitet und die Gipfelbeschlüsse werden immer halbherziger umgesetzt. Reynders gehört zu den dienstältesten Ministern der Euro-Zone, er kann es beurteilen. Fazit: Europa wird sein Vertrauen nicht zurückgewinnen, solange man nicht eine neue Arbeitsmethode gefunden hat.
Le Soir sieht seinerseits Bewegung in Europa: Unlängst hat die Europäische Zentralbank klar gemacht, dass man alles tun werde, was nötig ist, um den Euro zu retten. Zugleich sind einige Tabus im Begriff zu fallen. Die Idee eines europäischen Föderalismus wird inzwischen auch von Leuten in den Mund genommen, von denen man es bislang nicht erwartet hatte. Allerdings: In dieser ernsten Lage braucht Europa mutige Männer und Frauen, die es sich trauen, Europa von Grund auf neu aus zurichten. Und das -bitteschön- in den kommenden Wochen.
"Faulpelze und Nichtsnutze"
In Flandern hat Parlamentspräsident Jan Peumans eine Polemik über angeblich arbeitsscheue Parlamentarier losgetreten. In einem Radiointerview erklärte Peumans, dass schätzungsweise ein Drittel der Mitglieder des flämischen Parlaments ihre Arbeit nicht vernünftig machen. "Peumans geht mit seinen Kollegen hart ins Gericht", so denn auch die Schlagzeile auf Seite eins von Het Nieuwsblad.
"Peumans tadelt die flämischen Abgeordneten", so formuliert es Het Laatste Nieuws. Peumans hat für seine Kritik einen guten Zeitpunkt gewählt, bemerkt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die meisten seiner Kollegen sind nämlich im Urlaub. Was den Inhalt seiner Rüge angeht, da muss man differenzieren. Es gibt Politiker, die sich unzählige Stunden um die Ohren hauen, vielmehr jedenfalls als die Mehrheit der Bevölkerung. Natürlich gibt es da aber auch die anderen, die bestenfalls physisch anwesend. Durch seine Aussage bestätigt Peumans aber das allgemein herrschende Vorurteil und schert damit indirekt alle über einen Kamm. Am Ende liegt es aber immer am Wähler, sich eine Meinung zu bilden. Er hat alle fünf Jahre die Möglichkeit, Einfluss auf die Besetzung des Parlaments zu nehmen.
Het Laatste Nieuws findet derweil, die Aussage gar nicht so schlimm. Wenn Peumans ein Drittel der Parlamentarier sinngemäß zu Faulpelzen und Nichtsnutzen stempelt, dann ist das doch eigentlich ein Kompliment. In jeder Berufsgruppe sind mindestens drei von zehn Mitarbeitern fehl am Platz. Warum sollten Politiker da eine Ausnahme darstellen? Allerdings: Vielleicht ist der flämische Parlamentspräsident in seinem Urteil zu milde. Einer seiner Kollegen hat einmal gesagt, dass neun von zehn flämischen Parlamentsmitgliedern in der Privatwirtschaft nicht ansatzweise das Gehalt hätten, das sie sich schlafend im Parlament verdienen. Die Frage nach der Qualität löst sich möglicherweise über die Quantität: Weniger ist mehr; ein kleineres Parlament würde wohl besser Arbeit leisten.
Wird Michelle Martin freigelassen?
Einige Blätter befassen sich heute mit einem mit Spannung erwarteten Gerichtstermin. Das zuständige Strafvollstreckungsgericht von Mons muss heute darüber befinden, ob Michelle Martin, die Ex-Frau von Marc Dutroux, vorzeitig aus der Haft entlassen werden soll. Als Bewährungsauflage hat ihr Rechtsbeistand offenbar angeboten, dass sich Martin in ein Kloster zurückzieht. Im Gespräch ist da unter anderem eine Ordensgemeinschaft in Malonne, südlich von Namur. Jean Lambrecks, der Vater der von Marc Dutroux ermordeten Eefje, ruft in einem offenen Brief die Bischöfe auf, für Martin die Klostertüren zu versperren, wie unter anderem De Morgen berichtet. Wie auch andere Angehörige von Dutroux-Opfern läuft Lambrecks Sturm gegen eine mögliche vorzeitige Haftentlassung von Michelle Martin.
Gazet Van Antwerpen ist in seinem Leitartikel unschlüssig. Einzig die Feststellung: Es ist eine äußerst delikate Entscheidung, die das Gericht da treffen muss. De Morgen hingegen hat sich eine Meinung gebildet: Für Michelle Martin gelten die gleichen Rechte wie für alle anderen Verurteilten. Sie vorzeitig aus der Haft zu entlassen, das wäre keine Gunst sondern ein Recht. Dass Martin nach 16 Jahren noch im Gefängnis sitzt, ist die Ausnahme, nicht die Regel. Jetzt muss unser Rechtsstaat sich selbst treu bleiben, indem man eben nicht ewige Rache übt, sondern Recht spricht, auch für jemanden, der unsere Rechte und die unserer Kinder geschändet hat.
Belgien droht Ruanda
"Belgien stellt Ruanda ein Ultimatum", titeln derweil De Standaard und De Morgen. Hintergrund: Ein Bericht der Vereinten Nationen liefert Beweise, dass Ruanda die Rebellen im Osten Kongos aktiv unterstützt. Wenn Ruanda das nicht einstelle, dann könnte Belgien Sanktionen gegen das Land verhängen, droht Außenminister Reynders.
Der ruandische Präsident Paul Kagame hat offensichtlich sein Blatt überreizt, analysiert Het Belang Van Limburg. Indem er den Osten Kongos mal wieder in Brand gesteckt hat, hat sich Kagame international isoliert.
Genau deswegen erscheint die belgische Haltung aber halbherzig, befindet De Standaard. Die USA, Großbritannien oder Deutschland haben ihre Unterstützung für Ruanda aufgekündigt. Belgien hingegen belässt es noch beim Drohen. Vielleicht will Außenminister Reynders damit erreichen, dass der Dialogfaden nicht reißt. Prinzipiell ist das richtig. Allerdings ist eine solche Position nicht lange haltbar.
Archivbild: belga