"London begeistert", titelt La Libre Belgique. "Beeindruckende Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in London", schreibt L'Avenir auf Seite eins. "Die Spiele haben begonnen, jetzt auf zu den ersten Medaillen", so die Schlagzeile von Het Belang Van Limburg und Gazet Van Antwerpen.
Diese Anfeuerung gilt insbesondere Kim Clijsters, der Judoka Charline Van Snick und den Radfahrern um Tom Boonen und Philippe Gilbert; die kommen nämlich noch an diesem Wochenende zum Einsatz.
Erste Medaillen für Boonen und/oder Gilbert? fragt sich auch La Libre Belgique. Het Nieuwsblad ist noch optimistischer: Sofort Gold? fragt sich das Blatt auf seiner Titelseite; daneben ein Foto von Tom Boonen.
La Dernière Heure feuert das ganze Team an: "Come on Belgium", steht in Blockbuchstaben auf Seite eins.
Olympia-Fieber - Olympia-Verdruss?
Fast alle Zeitungen bringen im Übrigen große Sonderteile zu den Olympischen Spielen. Ab jetzt steht also für etwas mehr als zwei Wochen der Sport ganz klar im Mittelpunkt.
Genau das scheint aber der Zeitung De Morgen schon jetzt auf den Wecker zu gehen. Es ist nicht vollkommen ausgeschlossen, dass man es satt hat, noch bevor die Olympischen Spiele eigentlich begonnen haben. Zuerst gibt es einen wahren Tsunami an Sonderbeilagen, Reportagen und historischen Rückblicken. Und auch das Drehbuch für die nächsten zwei Wochen ist schon geschrieben. Wenn etwa in der ersten Zeit die Medaillen ausbleiben, dann gibt es gleich den Katzenjammer über die angeblich gescheiterte Sportpolitik in Flandern beziehungsweise Belgien. Und dann gibt’s doch noch eine Medaille. Egal, ob im 50 Kilometer Gehen oder im Tontaubenschießen: Disziplinen, für die sich bislang kein Schwein interessiert hat. Hauptsache Edelmetall. Dann gibt es den obligatorischen Empfang beim Premier, und dann die Interviews mit stolzen Eltern. Doch zugegeben: Trotz des ganzen Theaters und der mitunter legitimen Kritik an Veranstaltern und IOC: Olympische Spiele gehören zu den wenigen Ereignissen, die ein hohes Maß an Enthusiasmus generieren.
Het Nieuwsblad scheint schon zumindest eine Vorhersage des Kollegen zu bestätigen. Bei diesen Olympischen Spielen steht auch die flämische Sportpolitik auf dem Prüfstand, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Seit einigen Jahren gibt es eine spezielle Förderung für Spitzenathleten. Und die sollte jetzt Ergebnisse liefern. Das weiß auch der flämische Sportminister Philippe Muyters, der einräumte: Bei jedem Euro, der in den flämischen Spitzensport fließt, muss man sich die Frage stellen, was er bringt. Bei diesen Spielen entscheidet sich also mit, welche Medaille die Politik der flämischen Regierung und insbesondere von Minister Muyters verdient.
Syrien nicht vergessen!
L’Avenir wirft einen nachdenklichen Blick auf die Ereignisse dieser Tage. Während alle Blicke auf London gerichtet sind und der Planet im Sommerferien-Modus dreht, gibt es dennoch Orte, wo sich entscheidende Momente abspielen. Das ist zum Beispiel in Syrien der Fall, wo mit der Schlacht von Aleppo anscheinend eine richtungsweisende Konfrontation ansteht. Es ist längst nicht sicher, dass das Regime von Präsident Assad diese Schlacht verliert. Der Ausgang des Bürgerkriegs ist offen. Und das bedeutet auch, dass die Kämpfe noch enorme Schäden und humanitäre Katastrophen mit sich bringen werden.
Kampf gegen Sexismus
Vor allem die flämischen Zeitungen befassen sich heute mit einem Vorstoß der Ministerin für Inneres und Chancengleichheit, Joëlle Milquet. Sie will den Kampf gegen Sexismus und sexuelle Nötigung verschärfen. "Strengere Strafen bei Sexismus", titelt Het Laatste Nieuws. Anlass ist eine Reportage, die unlängst im flämischen Fernsehsender VRT gelaufen ist. Da zeigte die Autorin mit versteckter Kamera, was eine Frau in Brüssel mitunter über sich ergehen lassen muss; das war keine Anmache mehr, sondern glatt sexuelle Nötigung. "Sexismus bestrafen mit administrativen Strafen", schreibt De Standaard; gemeint sind damit die Ordnungsstrafen, die auf Gemeindeebene verhängt werden.
Viele Leitartikler stehen dem skeptisch gegenüber. Sexismus zu bestrafen, das wird wohl leider nicht viel bringen, glaubt etwa Het Belang van Limburg. Beim Sexismus verhält es sich fast genau wie bei der Homophobie: Hier geht es einfach um Respektlosigkeit. Und Respekt: das muss man lernen. Fazit: Der Staat sollte eher in Sensibilisierung investieren, als neue Strafen auszuarbeiten; Repression, davon haben wir schon genug.
Milquets “Frauenpolitik“
De Standaard ist da anderer Meinung. Im vorliegenden Fall geht es um reines Machtgehabe. Die Machos, die Frauen wie eben in besagter Reportage auf offener Straße regelrecht angehen, für die scheinen gewisse Regeln einfach nicht zu gelten. Und ein solches Verhalten kann man nur unterbinden durch Bestrafung, Repression. Allerdings: Repression löst nicht alle Probleme. In der Tat: Das Unterrichtswesen, aber auch Jugendgruppen oder Vereine müssen ihren Beitrag leisten, um junge Menschen Respekt zu lehren.
Het Laatste Nieuws kritisiert derweil den Zeitpunkt dieser Diskussion. Was Joëlle Milquet hier betreibt, ist - man könnte sagen - Feuerwehrpolitik, Emokratie. Das Problem ist längst bekannt; kaum wird aber ein Dokumentarfilm über das Phänomen im Fernsehen ausgestrahlt, da schießt die Politik in alle Richtungen. Irgendwie muss man den Eindruck haben, dass die Reportage die Milquets dieser Welt geweckt hat, die sich jetzt offensichtlich schämen, dass sie ihren Geschlechtsgenossinnen nicht früher geholfen haben. Außerdem: Zu glauben, dass ein einziges Gesetz eine große Bevölkerungsgruppe - namentlich: junge Männer mit Migrationshintergrund - auf andere Gedanken bringt, ist naiv.
De Wevers Sturheit
Die Zeitungen Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen bringen heute ein ausführliches Interview mit N-VA-Chef Bart De Wever. Der äußert sich unter anderem auch über die Polemik um die Vlaams Belang-Überläufer, die seine Partei aufgenommen hat. Über seine politischen Ambitionen sagt De Wever, dass er sechs Jahre lang Bürgermeister von Antwerpen bleiben wolle. Also: Dass er nicht im Verlauf der Legislaturperiode ein anderes Amt, etwa in der flämischen Regierung, anvisieren will.
Kommentierend meint dazu Gazet van Antwerpen: Erstens: De Wever ist noch nicht Bürgermeister. Und zweitens: Je nachdem, wie die Wahl 2014 ausgeht, wird De Wever womöglich nichts anderes übrig bleiben, als Verantwortung in der föderalen oder flämischen Regierung zu übernehmen. Eins ist aber unverständlich: Warum sieht De Wever nicht ein, dass die Diskussion und die Kritik angesichts der Aufnahme von notorischen Ex-Vlaams Belang-Mitgliedern gerechtfertigt ist. De Wever hat sich hier von seiner sturen Seite gezeigt und lässt politisches Feeling, Fingerspitzengefühl, vermissen.
Bild: Mark Ralston (afp)