"BHV - C'est fini" "BHV - Das war's", titelt in Blockbuchstaben die Brüsseler Zeitung Le Soir. Darunter eine Karikatur, die den König zeigt, der sich an den Leser wendet mit den Worten: "Unter uns gesagt: Die BHV-Geschichte hab' ich auch nie kapiert". Die Schlagzeile von La Libre Belgique ist ausführlicher: "BHV hat das Land in seinen Grundfesten erschüttert; jetzt ist BHV gespalten", schreibt das Blatt.
BHV - Das Ende eines 50-jährigen Kreuzzuges
Am Donnerstag hat der Senat den Gesetzesvorschlag verabschiedet, wonach der Gerichtsbezirk Brüssel-Halle-Vilvoorde geteilt wird. Im Großen und Ganzen wird es jetzt zwei Gerichtsbezirke geben: einen zweisprachigen Bezirk Brüssel und einen rein flämischen Bezirk "Halle-Vilvoorde". Zugleich wird dafür gesorgt, dass Frankophone, die im flämischen Rand von Brüssel wohnen, weiter die Möglichkeit haben, ein Verfahren in ihrer Muttersprache zu beantragen.
Mit BHV verschwindet DER Zankapfel zwischen Flamen und Frankophonen. "Happy end für Schreckgespenst BHV", so die Schlagzeile des Grenz-Echo. Gazet van Antwerpen spricht sogar vom "Ende eines 50-jährigen Kreuzweges".
Um die Tragweite des Ereignisses einschätzen zu können, sollte man sich noch einmal um ein Jahr zurückversetzen, empfiehlt Le Soir in seinem Leitartikel. 2011 um die gleiche Zeit stand das Land am Abgrund. BHV drohte das Land zu spalten, die Zinsen auf belgische Staatsanleihen setzten zum Höhenflug an und ganz nebenbei gingen die frankophonen Sozialisten und damit auch Elio Di Rupo in Flandern fast schon als Horrorvision durch. Diese drei Probleme sind jetzt aus der Welt: BHV ist Geschichte, die Zinsen sind auf einem Tiefststand und auch die Befürchtungen in Bezug auf Di Rupo haben sich zerschlagen. Allen Beteiligten gebührt dafür Lob und Anerkennung.
"Nie mehr", freut sich De Morgen und wiederholt die beiden Wörtchen gut zwanzig Mal. Nie mehr ellenlange erklärende Zeitungsartikel über BHV; nie mehr der grinsende Olivier Maingain, der nichts von der Spaltung hören will; nie mehr flämische Aktivisten, die mit Betttüchern durch die Gegend laufen mit der Aufschrift "Splitsen nu", "Die Spaltung jetzt". Nie mehr… BHV.
Historisch, und doch ignoriert
Bei all dem muss man allerdings feststellen, dass sich die Aufmerksamkeit für dieses zweifellos historisches Ereignis doch in Grenzen hält. "Das Ganze lockt niemanden hinter dem Ofen hervor", konstatiert De Morgen. Die wohl plausibelste Erklärung dafür hatte SP.A-Vizepremier Johann Vande Lanotte parat: "BHV, das war wie ein Stein im Schuh; ist der Stein einmal weg, dann denkt niemand mehr drüber nach".
Deswegen werden wohl auch nicht die Korken knallen, glaubt Het Nieuwsblad. Im Grunde war der Moment zum Feiern bereits im vergangenen Jahr, als die acht Parteien ihr großes gemeinschaftspolitisches Abkommen geschlossen haben. Hinzu kommt: Die meisten Bürger werden in ihrem Alltag nichts von der Spaltung von BHV spüren. Brüssel liegt jetzt nicht ein paar Kilometer weiter, die Grundstückspreise werden nicht sinken und die vielzitierte Französisierung des Brüsseler Rands wird jetzt nicht mit einem Mal aufhören. Und doch ist die Spaltung von BHV eine Erleichterung.
Eine Erleichterung, die ihren Preis hat, notiert Het Belang van Limburg. Für die flämische Opposition, allen voran die N-VA, haben die flämischen Parteien gar zu große Zugeständnisse gemacht. Doch sollte Bart De Wever ehrlich sein: Als er Sondierungsgespräche führte zur Bildung einer neuen Regierung, war auch er bereit, einen Preis für BHV zu zahlen. Vielleicht nicht so hoch, aber immerhin.
Und ohne Gegenleistungen geht es nicht, hakt Gazet van Antwerpen ein. Hätte De Wever mit am Tisch gesessen, dann hätte auch er Kompromisse schließen müssen. Gewisse Gegenleistungen, etwa die Tatsache, dass frankophone Magistrate in Flandern arbeiten werden, sind zwar geradezu haarsträubend. Doch wenn dieses Abkommen den jahrzehntelangen Zwist beilegen kann, dann wäre das schon mal ein enormes Verdienst.
Befriedung, aber für wie lange?
Doch sehen auch andere in dem BHV-Abkommen die Keime für einen neuen Konflikt. "BHV ist tot, es lebe Halle-Vilvoorde", bringt es Het Nieuwsblad auf den Punkt. So mancher insbesondere bei der N-VA wird es sich jetzt zur Aufgabe machen, die Gegenleistungen für die Spaltung auszuradieren. "Befriedung, aber für wie lange?", fragt sich denn auch De Standaard.
Dass die historische Spaltung von BHV ausgerechnet auf einen Freitag, den 13. fällt, sorgt denn auch beim einen oder anderen für ein mulmiges Gefühl. "Glücksbringer oder nicht?", fragt sich etwa La Libre Belgique. L'Avenir hat den Kammerpräsidenten André Flahaut mit der Frage konfrontiert. Für ihn gab es nur ein Datum, das beim Festlegen der Agenda wichtig war, und das war der 11. Juli, der flämische Festtag. Freitag, der 13., das sei ihm piep egal. Hauptsache, das Parlament arbeitet schnell und effizient.
Diesen Schwung muss die Regierung nun mitnehmen, mahnt Het Laatste Nieuws. BHV, das ist zwar ein historisches Ereignis, aber doch nur der Anfang. Die Regierung wird an der gesamten Staatsreform gemessen werden; sie muss an unser aller gemeinsamen Zukunft arbeiten. Wenn das nicht funktioniert, dann steht in Flandern einer mit einer Pistole bereit, die auf das Herz von Belgien gerichtet ist.
Der "andere" gemeinschaftspoltitische Konflikt
Le Soir hat da aber auch noch einen, so wörtlich, "anderen gemeinschaftspoltitischen Konflikt" entdeckt. Zwischen den Wallonen und den Deutschsprachigen hängt der Haussegen schief. Im Zusammenhang mit der von Eupen gewünschten Übertragung neuer Zuständigkeiten von der Wallonischen Region an die Deutschsprachige Gemeinschaft, sind die Fronten verhärtet, schreibt das Blatt. L'Echo zitiert den wallonischen Ministerpräsidenten Rudy Demotte, der Klartext redete: "Unsere Standpunkte sind unvereinbar".
Von niedrigen Zinsen und klassischer Musik
La Dernière Heure widmet sich heute neuen Ermittlungen in Sachen "Brabanter Killer"; L'Echo stellt auf seiner Titelseite fest, dass die guten Schüler in der Eurozone immer weniger Zinsen auf Staatsanleihen zahlen; in gewissen Fällen zahlen die Investoren gar drauf: negative Zinsen; das gilt für Deutschland und Dänemark, und zuletzt auch für Finnland, Österreich und Holland...
Kommentierend meint De Standaard dazu: All die Länder, die quasi nichts mehr für ihre Kredite zahlen -dazu gehört im Grunde auch Belgien- sollten sich nicht zu früh freuen. Dieses niedrige Zinsniveau ist nicht normal. Es ist vielmehr die unheilvolle Ruhe vor dem Sturm. Denn eins ist sicher: Wenn bei diesen Zinsständen der Konjunkturmotor immer noch nicht anspringt, billiges Geld die Probleme nicht löst, dann ist das Vertrauen definitiv weg. Und wie man es dann wiederherstellen kann, das weiß niemand.
Het Nieuwsblad schließlich macht mir einer eigentümlichen Geschichte auf. Demnach will die Stadt Kortrijk herumhängende Jugendliche aus dem Stadtpark vertreiben, und glaubt dafür ein neues Mittel gefunden zu haben: Die Jugendlichen sollen mit klassischer Musik verjagt werden; die Lautsprecher sind schon bestellt.
Archivbild: Siska Gremmelprez (belga)