“Wieder Rekordanzahl Insolvenzen“, titelt heute Het Laatste Nieuws. “Flandern ächzt unter Pleitewelle“, so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Im vergangenen Monat Juni haben fast 1.000 Unternehmen Konkurs anmelden müssen, soviel wie noch nie. Zuvor waren auch schon die Pleitenrekorde in den Monaten Januar, Februar und April eingestellt worden.
2012 dürfte also ein schwarzes Jahr für die belgische Wirtschaft werden. Besonders betroffen von der Pleitewelle ist Flandern. Und das Schlimmste kommt noch, so die düstere Prognose in Het Laatste Nieuws.
Konjunkturplan - “Mehr Ehrgeiz, keine Tabus!“
Vor diesem deprimierenden Hintergrund legt die Regierung in diesen Tagen letzte Hand an einen Plan zur Wiederankurbelung der Wirtschaft. Heute kommt Premierminister Elio Di Rupo mit den Sozialpartnern zusammen, morgen will er sich mit Vertretern der Regionen beraten. Der Plan soll spätestens in drei Wochen am 21. Juli vorliegen.
Der Vorsitzende der flämischen Sozialisten SP.A, Bruno Tobback, hat da gestern die Erwartungen deutlich gedrückt. Belgien allein könne wenig Einfluss nehmen auf die allgemeine Konjunkturlage in der Eurozone, warnte Tobback.
Ein bisschen mehr Ehrgeiz tut not, meint dazu De Standaard in seinem Leitartikel. Zwar hat Belgien in der Tat wenig Einfluss auf die wirtschaftliche Großwetterlage. Und doch ist es möglich, das Land neu aufzustellen. Es gilt, den Aufschwung, falls er denn kommt, vorzubereiten. Dazu muss die Bürokratie entschlackt und der Wirtschaft Sauerstoff gegeben werden. Und dabei darf es keine Tabus geben.
Keine Tabus, das ist auch die Botschaft, die Het Belang van Limburg der Regierung und insbesondere den Sozialisten mit auf den Weg gibt. Nach der PS hat auch SP.A-Chef Tobback die Lohnindexbindung für unantastbar erklärt. Die Sozialisten verschließen damit die Augen vor offensichtlichen Wettbewerbsdefiziten der belgischen Unternehmen im internationalen Vergleich. Dabei leiden sie offensichtlich unter Gedächtnislücken. Vor 20 Jahren unter Premier Dehaene gab‘s auch eine Reihe von Indexsprüngen, um die Lohnkosten der Betriebe zu drücken. Und damals waren die Sozialisten Teil der Regierung. Warum wagen sie heute nicht, das zu tun, was sie in den 90er Jahren mitgetragen haben?
Gazet van Antwerpen glaubt denn auch nicht an einen Wachstumspakt, der diesen Namen verdienen würde. Nicht nur, dass die Ambition fehlt, es fehlt auch das Geld. Die Regierung sollte sich besser auf den Haushalt konzentrieren. Gesunde Staatsfinanzen: Das ist der mit Sicherheit beste Konjunkturplan.
Krise => Streiks
L'Echo kommt in seinem Kommentar noch einmal auf den Brüsseler EU-Gipfel am vergangenen Freitag zurück. Die überraschend positiven Ergebnisse haben die Börsen beflügelt, mitunter konnte man fast von Euphorie sprechen. Zu glauben, die Krise sei vorbei, wäre aber verwegen. Insbesondere an den Börsen von Mailand und Madrid scheinen schon wieder erste Zweifel aufzukeimen.
Die Krise wird auch noch an einem anderen Faktor greifbar: “Streikrekord in Belgien“, titelt etwa Le Soir. Demnach wurden 2011 über 380.000 Streiktage gezählt. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Hauptursache sind die Sparmaßnahmen der Regierung.
Einen ganz speziellen Streik hebt heute Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel hervor. Gestern hat die Flughafenpolizei in Zaventem einen Warnstreik durchgeführt. Wegen der Protestaktion bildete sich in kürzester Zeit vor der Passkontrolle eine 200 Meter lange Warteschlange. Het Nieuwsblad macht das wütend. Das ganze Jahr über muss man sich mit Zugverspätungen herumschlagen, die oft streikbedingt sind. Und das Elend bleibt einem im Urlaub nicht erspart. Es muss doch eine andere Art und Weise geben, seinen Forderungen Nachdruck zu verschaffen, als immer wieder Passagiere als Geisel zu nehmen.
Spekulationen mit belgischem Spargeld?
Einige Blätter sind alarmiert angesichts einer Meldung aus der Finanzwelt. Demnach will die französische Großbank BNP-Paribas mit belgischem Spargeld Risikooperationen in Italien und Spanien abdecken. Der entsprechende Bericht der Presseagentur Bloomberg sorgt auch bei belgischen Experten für Unbehagen. “Wie verhält es sich mit dem Schutz der belgischen Sparer?“, fragt etwa der renommierte Ökonom Geert Noels in Het Nieuwsblad.
La Libre Belgique hat in ihrem Leitartikel Angst vor einem Déjà-Vu. Irgendwie denkt man reflexartig an den Fall Dexia. Auch hier haben französische Banker belgische Spareinlagen benutzt, um Risikogeschäfte abzudecken. Die Folgen sind bekannt. Insbesondere der Staat, der ja seit der Fortis-Rettungsaktion im BNP-Paribas-Aufsichtsrat vertreten ist, sollte peinlichst genau darauf achten, dass die belgischen Interessen gewahrt bleiben.
De Standaard und De Morgen befassen sich mit dem jüngsten Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zur Lage in Syrien. Und die ist dramatisch. De Morgen spricht von “Horror in syrischen Folterkammern“, für De Standaard hat die Folter in syrischen Gefängnissen “nie gesehene Ausmaße angenommen“.
Von Dior, der Tour de France und Higgs-Teilchen
Auf vielen Titelseiten prangt heute das Foto des belgischen Designers Raf Simons, der seine erste Kollektion vorgestellt hat, die er als Chefdesigner für Dior entworfen hat. Und seine erste Kollektion ist gleich ein "Volltreffer", wie unter anderem Het Nieuwsblad auf Seite eins schreibt.
Ebenfalls allgegenwärtig auf den Titelseiten: die Tour de France, die drei Tage lang in Belgien zu Gast war. Unter anderem L'Avenir und la Dernière Heure bringen große Reportagen vom belgischen Abstecher der Grande Boucle.
Insbesondere De Standaard und Le Soir schließlich warten mit Spannung auf die Veröffentlichung eines belgischen Forschungsberichtes. Der Brüsseler Physikprofessor François Englert hat anscheinend eine entscheidende Entdeckung gemacht. Englert will das sogenannten Higgs-Teilchen nachgewiesen haben, nach dem die moderne Physik seit Jahrzehnten fahndet. Sollte sich diese Entdeckung bestätigen, wäre Englert Anwärter auf den Physik-Nobelpreis.
Bild: Bernal Revert (belga)