Ein entscheidender Gipfel für Europa
Beginnen wir mit dem Brüsseler EU-Gipfel, zu dem es in La Libre Belgique heißt: Endlich scheinen die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verstanden zu haben, dass der Euro nur durch eine drastisch verstärkte Integration des Bündnisses überleben kann. In diesem Sinne hat EU-Präsident Van Rompuy einen Maßnahmenkatalog erstellt, der im Zentrum der Beratungen stehen dürfte. Darin geht es um vier Schwerpunkte: eine Bankenunion, eine verstärkte Haushaltskontrolle, eine verstärkte wirtschaftliche Integration und mehr Demokratie in Europa.
Diese Initiative ist zweifellos zu begrüßen, doch muss man noch vor Beginn der Diskussionen feststellen, dass die Meinungen zu der Van Rompuy-Note weit auseinandergehen, auch zwischen Deutschland und Frankreich, den beiden wichtigsten Pfeilern der Union.
Angela Merkel lässt sich nicht erweichen
L'Avenir notiert zum gleichen Thema unter dem Titel "Rette sich, wer kann", gegenüber jenen, die eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa vorschlagen, bleibt Angela Merkel unnachgiebig bei ihrem Veto. Ohne eine verstärkte Kontrolle über die Haushaltsdefizite der einzelnen Mitgliedstaaten kann in ihren Augen von einem gemeinsamen Abtragen der Schulden keine Rede sein. Damit fordert sie im Grunde nichts anders als mehr Integration und eine größere Macht für die europäischen Einrichtungen in Brüssel.
Europa braucht mehr Demokratie
Genau dies jedoch lehnt der neue französische Präsident François Hollande entschieden ab. Ungeachtet dessen plädiert Le Soir für eine Stärkung der Demokratie in der Europäischen Union. Dazu heißt es: Sie bestimmt mehr und mehr unseren Alltag, doch wir werden nicht gefragt. Natürlich gibt es Wahlen zum europäischen Parlament, doch das reicht nicht. Mehr Mitspracherecht würde bedeuten, dass auch der Präsident der Europäischen Kommission, Barroso, sowie des Europäischen Rates, Van Rompuy, direkt von den Europäern gewählt werden.
De Standaard stellt seinerseits fest, dass Van Rompuys Masterplan für mehr Europa die belgische Regierung spaltet. Nach Ansicht der frankophonen Sozialisten ist die vorgeschlagene Marschroute viel zu stark rechtsorientiert und somit ungleichgewichtig. Dagegen könnte die Zustimmung der flämischen Liberalen zu der Van Rompuy-Note nicht größer sein. Eine verstärkte Kontrolle über die Haushalte der Mitgliedstaaten ist ihres Erachtens nur logisch, wenn man die Schuldenkrise solidarisch lösen will.
Kommen wir nun zu verschiedenen belgischen Themen, mit denen sich die Zeitungen auseinandersetzen.
Erneuter Angriff auf die Lohnindexierung
De Morgen meldet auf seiner Titelseite, dass die Nationalbank einmal mehr die in Belgien praktizierte Lohnbindung an den Index der Lebenshaltungskosten in Frage stellt. Ihr diesbezügliches Konzept beinhaltet eine Abschwächung des Indexes für höhere Einkommen und die Streichung der Gas- und Elektrizitätspreise aus der Berechnung des Gesundheitsindexes. Dazu bemerkt die Zeitung, dass die Regierungsparteien in Sachen Lohnindexbindung nicht auf der gleichen Wellenlänge sind. Die Liberalen sind für eine Indexreform; die Sozialisten dagegen. Deshalb ist zu erwarten, dass die Nationalbank mit ihrem Reformplan auch diesmal scheitert, zumal im Regierungsabkommen klipp und klar steht, dass der Index nicht angetastet wird.
De Wever im Kreuzfeuer der Kritik
Het Nieuwsblad kommentiert die jüngste Kritik an N-VA-Präsident De Wever, der in diesen Tagen Wahlkampf führt, statt an den politischen Debatten im Parlament teilzunehmen. Dazu heißt es: Bart De Wever vergisst offenbar, dass Politik mehr ist, als sich in den Medien zu profilieren. Wenn man ihm das vorhält, flieht er natürlich wieder in der Opferrolle, die ihm schon so viel Sympathie eingebracht hat. Wahltaktisch mag ihm das zwar Stimmen einbringen, doch gutheißen kann man dieses Verhalten nicht.
Tour de France und die Wut der Arbeiter
In La Dernière Heure ist nachzulesen, dass die Arbeiter des Stahlwerkes Arcelor-Mittal den Start der Tour de France am kommenden Samstag in Lüttich um zwei Minuten verzögern werden. Mit dieser Protestaktion wollen sie auf die ihres Erachtens ungerechte Schließung der Warmstahlproduktion im Lütticher Stahlbecken aufmerksam machen. Die Direktion der Tour de France hat gegen die Aktion nichts einzuwenden, zumal auch die Arcelor-Mittal-Filialen in Frankreich teilweise von Schließung bedroht sind.
Archivbild: Philippe Huguen (afp)