"Rio +20", prangt heute in Blockbuchstaben auf der Titelseite von La Libre Belgique. Heute beginnt der UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro. Dabei sollen sich die 193 Staaten der Welt auf neue Leitlinien verständigen, um die Welt auch für künftige Generationen zu bewahren. Wie La Libre Belgique widmen auch viele andere Blätter dem Ereignis mitunter mehrere Sonderseiten. Auf Seite eins von De Standaard: Fotos von bedrohten Tierarten und Pflanzen: "Die rote Liste für den Umweltgipfel in Rio", so die Schlagzeile. "Zehn Wege, um die Erde zu retten", schreibt De Morgen auf Seite eins.
Rio +20 - Viel Lärm um nichts?
L'Echo ist bei alle dem nicht sehr optimistisch: "Der Rio+20-Gipfel bereitet sich darauf vor, großen Worten kleine Taten folgen zu lassen", schreibt das Blatt auf Seite eins.
Auch viele Leitartikler glauben nicht an einen wirklich durchschlagenden Erfolg des Rio+20-Gipfels. Die Staaten werden sich wohl allenfalls auf einige Minimalziele einigen, befürchtet La Libre Belgique. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass insbesondere der Westen im Augenblick mit einer ausgewachsenen Wirtschaftskrise konfrontiert ist. Die wirtschaftliche und soziale Notlage sorgt dafür, dass die Belange der Umwelt in den Hintergrund gerückt sind. Das gilt für die politisch Verantwortlichen, aber leider auch für ihre jeweilige öffentliche Meinung. Und das ist tragisch. Denn früher oder später werden es die weltweiten menschlichen und ökologischen Ungleichgewichte sein, die wirtschaftliche und soziale Krisen verursachen und befeuern.
Kein Obama - dafür Prinz Laurent
Die Welt hat andere Sorgen, stellt auch L‘Echo fest. Vor 20 Jahren, beim ersten Weltgipfel, ebenfalls in Rio de Janeiro, hatte man noch den Eindruck, dass es der Schutz der Umwelt endgültig auf die Weltagenda geschafft habe. 20 Jahre später stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Weitere Beispiele für solche Entwicklungen sind die sogenannten Millennium-Ziele oder das Kyoto-Klimaschutzprotokoll.
Es fehlt schlicht und einfach der politische Wille, bemerkt Le Soir. Es ist ja nicht so, als wären die Grundvoraussetzungen nicht gegeben, um den Schutz der Umwelt und die Nachhaltigkeit wirklich entschlossen voran zu treiben: Die Technik existiert, der Handlungsbedarf ist offenkundig. Im Weg stehen allein Privatinteressen, die Schwäche der Politik und letztlich auch der Egoismus unserer Gesellschaft. Dabei kann man sich an den fünf Fingern abzählen: Wenn wir nicht schnell handeln, dann gibt es nur eine Konsequenz: Den Untergang.
Es ist kein Zufall, dass in diesen Tagen nicht Brasilien, sondern Mexiko im Fokus steht, notiert De Morgen. Der G20-Gipfel dominiert die internationale Agenda. Dort sind die Mächtigen der Welt versammelt. Die Obamas, Merkels und Di Rupos werden nicht nach Rio fahren, wohl aber Prinz Laurent. Das sagt jawohl schon alles.
Barrosos Ansatz - berechtigt und doch nicht
Stichwort G20-Gipfel. In Mexiko haben sich die Vertreter der Europäischen Union von anderen wirtschaftlichen Großmächten die Leviten lesen lassen müssen. Die Europäer sollten doch bitte schnellstens ihre Finanzen in Ordnung bringen, bekamen sie alle Nase lang zu hören. De Morgen bringt es auf den Punkt: Die G20 behandeln Europa wie ein Entwicklungsland; für die EU ist der G20-Gipfel zum PR-Debakel geraten. Das erklärt auch den Ausraster von EU-Kommissionspräsident José-Manuel Barroso, der bei einer Pressekonferenz donnerte, die EU müsse sich von niemandem belehren lassen.
Dazu meint kommentierend De Standaard: Barroso hat Recht und doch nicht. Wenn er etwa sagt, dass die EU immerhin ihre Entscheidungen demokratisch trifft, dann blendet er das offensichtliche Demokratiedefizit der wichtigsten EU-Institutionen aus. Und auch als Vorbild für wirtschaftliche Dynamik eignet sich die EU wenig. Das betagte und alte Europa ist vitalen Staaten wie China oder Amerika nicht gewachsen. Barroso legt also indirekt den Finger in die Wunde: Europa muss demokratischer und effizienter werden.
BHV und ein leerer Stuhl
Zur Innenpolitik, wo der Senat am Abend endgültig die Weichen in Richtung einer Spaltung des Wahlbezirkes Brüssel-Halle-Vilvoorde gestellt hat. In diesem Zusammenhang heben viele Blätter die Haltung der N-VA hervor. Einige Gallionsfiguren der flämischen Nationalisten, allen voran Bart De Wever, haben die Sitzung demonstrativ boykottiert.
Wo ist denn plötzlich De Wever geblieben, fragt sich denn auch L’Avenir. Es ist doch seltsam… Die N-VA hat sich doch immer zum Fahnenträger einer tiefgreifenden Staatsreform stilisiert… Auf den zweiten Blick ist die Haltung aus Sicht der N-VA aber nachvollziehbar. De Wever will durch seine Politik des leeren Stuhls die gemeinschaftspolitische Spannung aufrechterhalten, indem er eben die Entscheidungen der Mehrheitsparteien kurzerhand zur Farce erklärt.
Het Laatste Nieuws stellt insbesondere Bart De Wever wegen seiner Haltung an den Pranger: Wer vom Bürger gewählt wird, und sein Mandat nicht schlecht entlohnt bekommt, von dem wird erwartet, dass er auch an den Parlamentssitzungen teilnimmt. De Wever spürt wohl, dass es für ihn keinen Blumentopf zu gewinnen gibt. BHV, dieses unselige Dreibuchstabenwort, ist bald kein Thema mehr, das man bei Wahlen genüsslich ausschlachten könnte. Uns so hakt die N-VA BHV schlicht und einfach ab.
Zeitgeist?
Auf den Titelseiten vieler flämischer Zeitungen prangt heute das Foto von Walter Capiau, einem früheren Fernsehstar. Der Mann hat ein spektakuläres Geständnis abgelegt: Ja, es stimme, er habe in den 1960er Jahren zwei Minderjährige missbraucht, gab der 74-Jährige zu. Und er wolle sich dafür entschuldigen. "Ich wusste nicht, dass ich etwas Schlimmes tue", sagt Capiau unter anderem in Het Nieuwsblad.
Capiau erklärt, seine Tat unter anderem mit dem angeblich damals "anderen Zeitgeist", bemerken dazu Het Nieuwsblad und auch Gazet van Antwerpen. Das ist blanker Unsinn, sind sich beide Blätter einig. Es glaubt doch niemand ernsthaft, dass Männer wie Capiau oder auch Vangheluwe damals nicht wussten, dass sie etwas Unrechtes taten.
Archivbild: Christophe Simon (afp)