"Oranje Depression", titelt heute Gazet van Antwerpen. "Oranje braucht ein Wunder", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Die Niederlande am Rand des Ausscheidens", schreibt De Morgen auf Seite eins. Die Niederlande haben ja am Mittwoch bei der Fußball-EM gegen Deutschland verloren; der Einzug in die nächste Runde ist damit höchst ungewiss.
Kurze Haftstrafe = keine Haftstrafe
Zweites großes Thema ist die Ankündigung von Justizministerin Turtelboom, die ja den Strafvollzug verschärfen will. Was das konkret bedeutet, steht auf Seite eins von Het Nieuwsblad: "Kurze Haftstrafen müssen künftig auch wirklich abgesessen werden", zitiert das Blatt die Ministerin. In der Praxis ist es ja so, dass Haftstrafen unter drei Jahren in der Regel nicht vollstreckt werden. Und das soll sich ändern.
"Belkacem liefert Turtelboom Munition", ruft De Standaard den Kontext in Erinnerung. Die scheinbare Kehrtwende in Sachen Strafvollzug ist ja eine Folge der Affäre um den Sharia4Belgium-Sprecher Fouad Belkacem. Nach seiner neuerlichen Verhaftung hatte sich herausgestellt, dass Belkacem schon mehrmals verurteilt wurde, seine Haftstrafen aber nie abgesessen hat.
In diesem Zusammenhang wird sich häufig auf ein Rundschreiben von 2005 berufen, in dem ausdrücklich festgeschrieben wird, dass kürzere Haftstrafen von bis zu drei Jahren nicht oder nur bedingt abgesessen werden müssen. Hintergrund war die Überbelegung der Haftanstalten. 2005 war die PS-Politikerin Laurette Onkelinx Justizministerin. Die kann sich aber nach eigenen Worten an ein derartiges Rundschreiben nicht erinnern, wie Onkelinx in Het Laatste Nieuws erklärt. Sie verweist ihrerseits auf ein Rundschreiben von 2003; und damals war der liberale Marc Verwilghen Chef des Justizressorts.
"Mission impossible"
Wie dem auch sei: Mit der faktischen Straffreiheit soll jetzt also Schluss sein, wobei sich viele Blätter die Frage stellen, ob Justizministerin Turtelboom überhaupt die Mittel dazu hat, ihr Versprechen umzusetzen. Het Nieuwsblad spricht von einer "Mission impossible".
Klar wäre es wünschenswert, dass wirklich alle Gefängnisstrafen effektiv vollstreckt würden, meint Het Belang van Limburg. Allerdings ist das leichter gesagt als getan. Am ersten März dieses Jahres gab es in diesem Land über 11.000 Häftlinge bei nur knapp 9.000 Plätzen. Und das eben trotz der Tatsache, dass Gefängnisstrafen unter drei Jahren nicht abgesessen werden.
Het Nieuwsblad kann sich bei alldem nur wundern. Noch vor einer Woche war es in diesem Land offensichtlich völlig normal, dass Haftstrafen unter drei Jahren nicht vollstreckt wurden. Und dann kam der Hitzkopf Belkacem daher, und: Bumm, Paukenschlag, jetzt soll alles anders werden. Da sei doch die Frage erlaubt, warum plötzlich das funktionieren soll, was in den letzten zehn Jahren offensichtlich unmöglich war? Natürlich verdient Turtelboom jegliche Unterstützung, doch liegt im Augenblick nicht mehr auf dem Tisch als ein paar wohlklingende Absichtserklärungen.
"Angst ist ein schlechter Ratgeber"
Turtelboom antwortet übrigens heute in De Morgen auf einen offenen Brief, den das Blatt am Mittwoch an sie gerichtet hatte. Darin hatte der Leitartikler der Ministerin unter anderem Willkür unterstellt. Turtelboom will sich diesen Schuh nicht anziehen: Bei Faschisten müsse der Staat eben hart durchgreifen; "Sie werden mir noch dankbar sein", meint Turtelboom.
De Standaard hat bei alldem ein mulmiges Gefühl. Angst ist ein schlechter Ratgeber, meint das Blatt in seinem Leitartikel. In den letzten Tagen wurden zahllose Schreckgespenster an die Wand gemalt: Der Staat sei in Gefahr, die Grundfesten der Justiz ins Wanken geraten. Man sollte doch mal die Kirche im Dorf lassen. Der Rechtsstaat ist nicht bedroht. Das gilt allerdings nicht für die Rechte der Bürger. Die dürfen nämlich erwarten, dass verurteilte Straftäter auch wirklich bestraft werden. Die Ministerin hat also den richtigen Weg eingeschlagen. Allerdings stolpert sie dahin.
In La Dernière Heue fordert ein MR-Politiker heute ein härteres Durchgreifen gegen Extremisten und Terrorgefahr: Belgien braucht einen "Plan vigipirate", wie es ihn in Frankreich gibt; das heißt konkret: eine Sondertruppe von 250 Polizisten, die im Falle einer Gefahr für die innere Sicherheit wichtige öffentliche Orte im Land bewachen sollen.
Comeback der Parteibuch-Beförderung
Viele Blätter befassen sich heute mit dem Hickhack um die Ernennung neuer Topmanager an der Spitze einiger Verwaltungen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Besetzung des Chefpostens im Pensionsministerium hatte es einen handfesten Konflikt zwischen den Koalitionspartnern PS und Open-Vld gegeben. La Libre Belgique hat dafür nur Kopfschütteln übrig. Vor einigen Jahren noch war die Order ausgegeben worden, dass politische Ernennungen der Vergangenheit angehören sollen. Von diesem hehren Grundprinzip können wir uns getrost verabschieden.
Europa und der griechische Showdown
Le Soir erklärt heute auf Seite eins und auf mehreren Sonderseiten die Gründe, "warum Europa am Abgrund steht". Hintergrund ist unter anderem die Schicksalswahl in Griechenland am kommenden Sonntag. Dabei könnte sich indirekt entscheiden, ob Griechenland in der Eurozone bleibt oder eben nicht.
Europa hat sich diese Krise im Wesentlichen selbst eingebrockt, meint Le Soir in einem düsteren Leitartikel. Die griechische Krise wurde von vornherein falsch angepackt. Inzwischen fühlen sich nicht nur die Griechen, sondern auch Spanier, Italiener, Iren oder Portugiesen von Europa verraten. Im Grunde bringt uns der griechische Showdown dazu, uns endlich die längst überfällige Existenzfrage zu stellen: Welches Europa wollen wir? Ein Europa der Solidarität oder der staatlichen Egoismen? Das Problem von Europa heißt nicht Griechenland, das Problem von Europa ist Europa.
Archivbild: Bruno Fahy (belga)