"Den ganzen Tag Zirkus für nichts", titelt heute Het Nieuwsblad. "Fouad Belkacem bleibt in Haft, trotz peinlicher Panne", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite 1. "Die Affäre Belkacem setzt die Justiz unter Druck", so die Schlagzeile von La Libre Belgique.
Am Dienstag musste die zuständige Ratskammer von Antwerpen über eine Verlängerung der Untersuchungshaft von Fouad Belkacem befinden. Dem Sprecher der Islamistenorganisation Sharia4Belgium wird unter anderem Anstiftung zu Hass und Gewalt vorgeworfen.
Belkacem - Stand Urteil schon fest?
Der Haftprüfungstermin war aber von einer Serie von Pannen und Zwischenfällen geprägt. Besonders peinlich: Die Verteidigung fand in der Akte den Entwurf eines Urteils, wonach die Untersuchungshaft verlängert werden sollte. Das Schriftstück wurde erstellt, bevor das Verfahren vor der Ratskammer überhaupt stattgefunden hatte. Le Soir spricht denn auch von einer "Justiz-Guerilla"; für La Libre Belgique ist die Akte Belkacem ganz offensichtlich "verflucht".
Das Ganze hat anscheinend die Zeitung De Morgen zu einer spektakulären Aktion veranlasst. Das Blatt veröffentlicht heute auf seiner Titelseite einen offenen Brief an die Justizministerin Annemie Turtelboom: "Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie jagen mir Angst ein." Die Pannen am Antwerpener Gericht erinnern an südamerikanische Diktaturen. Die Justiz vermittelt den Eindruck der Parteilichkeit, meint De Morgen. Hinzu kommt: Eben die Justizministerin hatte im Vorfeld schon eigenmächtig dekretiert, dass der Clown Fouad Belkacem auf jeden Fall sechs Monate in Haft bleiben würde. Hier sollte einfach ein bereits gefälltes Gerichtsurteil vollstreckt werden. Das Ganze riecht nach Willkür und ist eines Rechtsstaats unwürdig.
Bringt Rechtsstaat sich selber in Gefahr?
La Libre Belgique ruft zur Besonnenheit auf. Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass die Justiz hart gegen Agitatoren wie Sharia4Belgium vorgehen muss. Allerdings darf nicht der Eindruck entstehen, dass Fouad Belkacem in den Genuss einer Sonderbehandlung kommt. Das gibt im nämlich nur die Möglichkeit, sich selbst zum Märtyrer zu stilisieren.
Ähnlich sieht das Le Soir. Belkacem und sein kleiner Verein von Provokateuren werden durch diesen ganzen Zirkus doch nur geadelt. Am Ende glaubt tatsächlich jeder, dass hier die Stabilität des ganzen Landes auf dem Spiel steht. Ausnahmeregelung für gleich wen, stellen letztlich den Rechtsstaat in Frage. Also, bei aller Liebe: Lasst uns nicht den Eindruck vermitteln, dass jede Straftat eines hergelaufenen Witzbolds gleich unser System aushebeln kann.
Für Gazet van Antwerpen bewegt sich die Justizministerin auf ganz dünnem Eis. Turtelboom will eine Haftstrafe von sechs Monaten vollstreckt sehen. Warum gilt das aber nur für Belkacem und nicht für Tausende andere Verurteilte? Turtelboom spielt hier ein gefährliches Spiel mit der Gewaltentrennung. Dabei gäbe es eine Patentlösung: Sorgen Sie dafür, dass alle Urteile vollstreckt werden und dass das für alle gilt.
Politisches Scheingefecht im Strafvollzug?
Het Laatste Nieuws hingegen nimmt die Justizministerin bis zu einem gewissen Maß in Schutz. Wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr gerät, dann muss eine Ministerin eingreifen, meint das Blatt. Diejenigen Politiker, allen voran CD&V und sp.a, die Turtelboom dafür kritisieren, sollten sich mal an die eigene Nase fassen. Mehr denn je zeigt sich nämlich: Jedes Gerichtsurteil ist sinnlos, wenn es nicht vollstreckt wird. Deswegen ist es höchste Zeit, dass alle politischen Entscheidungsträger einmal gemeinsam über eine gründliche Reform des Strafvollzugs nachdenken. Worte reichen nicht, jetzt braucht es Taten.
Für Het Belang van Limburg ist die eigentliche Akte schon längst in den Hintergrund gerückt. Der politische Kleinkrieg um Annemie Turtelboom bettet sich nämlich schon in den Wahlkampf ein. Konkret: Unsere Politiker kümmern sich nicht mehr um Belkacem, sondern mal wieder nur um sich selbst.
Von Unwettern, Wetterbesserungen und Sturmwarnungen
Het Laatste Nieuws widmet seine Titelseite den gestrigen Unwettern. "Den ganzen Tag über Überschwemmungschaos, schreibt das Blatt. Darüber ein spektakuläres Foto, wo ein Auto bis zur Windschutzscheibe im Wasser steht. am Dienstag hat es ja überall im Land ganz lokale Gewitter gegeben, die dort, wo sie gewütet haben, enorme Schäden verursacht haben. Het Nieuwsblad rechnet vor, dass innerhalb von einer Dreiviertelstunde stellenweise 46 Liter Regen je Quadratmeter gefallen sind.
Endlich mal eine gute Neuigkeit auf der Titelseite von Le Soir: die Gründe, die es erlauben, an eine haushaltspolitische Wetterbesserung zu glauben, titelt das Blatt. Und die lauten: erstens: ein gesundes Wirtschaftswachstum; zweitens: niedrige Zinsen für die Neuverschuldung des Landes; und drittens: die Inflation ist unter Kontrolle. Deswegen steht wohl erst mal keine neue Sparrunde an, meint Le Soir.
L’Echo gibt dabei in seinem Leitartikel zu bedenken, dass ein allzu strikter Sparkurs das Wachstum abwürgt. Bestes Beispiel ist die Baubranche, wo die Nachfrage unter anderem deswegen eingebrochen ist, weil die Regierung die Hilfen für energiesparende Maßnahmen gekürzt hat.
Einige Blätter beschäftigen sich mit dem Schicksal der Eurozone. Auch nach der Spanienrettung bleibt die Lage ernst, sind sich De Standaard und L’Avenir einig. Europa hat den Teufelskreis noch nicht durchbrochen, warnt L’Avenir. Weil eben Europa immer noch zu halbherzig auf die Krise reagiert, meint De Standaard. Die Spanien-Rettung ist eigentlich schon wieder verpufft. Fakt ist: Der Euro-Schutzschild ist zu klein, erst recht seit den spanischen Problemen, und das wird weiterhin Spekulanten anziehen.
Kafka und Schnäppchenkrieg
"Kafka um Ernennungen", schreibt heute De Standaard. Hintergrund: PS und OpenVLD haben monatelang über die Besetzung einiger Spitzenposten gestritten; das Ganze hat dafür gesorgt, dass wichtige Stühle monatelang leer geblieben sind. "Surrealistisch", meint De Standaard.
Het Belang Van Limburg schaut schon auf den Sommerschlussverkauf, der ja am 30. Juni beginnt. Theoretisch. Denn, so stellt das Blatt fest: "Der Schnäppchenkrieg hat jetzt schon begonnen", so die Schlagzeile. Einige große Modehäuser wollen ihre Preise demnach schon an diesem Freitag senken.
Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)