"Extremist sticht zwei Beamte nieder", titeln heute fast gleichlautend Het Laatste Nieuws, Het Nieuwsblad und De Standaard. De Morgen ist präziser und nennt den Täter einen "Sympathisanten von Sharia4Belgium". Die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen ist kurz und knapp: "Rache für den Niqab-Vorfall".
In der Brüsseler Gemeinde Molenbeek ist am Freitagabend ein Mann mit einem Messer auf zwei Polizisten losgegangen - ohne sichtbaren Anlass und ohne Vorwarnung. Der Vorfall ereignete sich in einer Metrostation. Die beiden Beamten wurden verletzt, konnten aber offenbar das Krankenhaus schon wieder verlassen.
"Rache für den Niqab-Vorfall"
Der Täter konnte von anderen Polizisten schnell überwältigt werden. In ersten Aussagen gab er an, von Paris nach Brüssel gekommen zu sein und das offenbar, um Rache zu nehmen für den so genannten Niqab-Vorfall. Gemeint ist damit ein Zwischenfall am Donnerstag vergangener Woche. Bei einer Personenkontrolle hatte sich eine vollverschleierte Frau geweigert, ihr Gesicht zu zeigen. Im weiteren Verlauf war es zu einem Handgemenge gekommen.
"In Molenbeek eskaliert die Gewalt", so denn auch die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. In dem flämischen Massenblatt kündigt ein SP.A-Politiker türkischer Abstammung vor diesem Hintergrund einen "Marsch gegen Extremismus" an. Die muslimische Gemeinschaft in Belgien müsse sich klar von Extremisten abgrenzen.
Gemeint ist damit insbesondere die Islamistenorganisation Sharia4Belgium. Auf die beruft sich offenbar auch der Täter von Molenbeek.
La Dernière Heure fasst also zusammen: "Brahim, ein Spinner aus Frankreich, kommt nach Belgien, um Polizisten zu töten", schreibt das Blatt.
"Wir gegen die"
Das haben wir jetzt davon, ereifert sich De Morgen in seinem Leitartikel. In den letzten Tagen ist die Eskalation geradezu geschürt worden. Da wurde unter anderem mit Sharia4Belgium eine bis dahin völlig unbedeutende Islamistenorganisation plötzlich zum Staatsfeind Nummer eins gestempelt. Zeitungen plädierten auf ihren Titelseiten für die Ausweisung von Sharia4Belgium-Verantwortlichen. Resultat: extreme Polarisierung, eine "Wir gegen die"-Kampagne. Was das zur Folge haben kann, haben wir am Freitag gesehen: Das Ganze scheint noch mehr Sonderlinge anzuziehen, die offensichtlich noch verrückter sind.
Und doch macht der Vorfall nachdenklich, meine La Libre Belgique. Rohe Gewalt an einem öffentlichen Ort, im vorliegenden Fall eine Metrostation, das berührt uns umso mehr. Stellt sich die Frage: Ist das wirklich das Werk eines isolierten, geisteskranken Einzeltäters? Vielleicht! Aber es ist zugleich ein Warnschuss. Dieser Staat muss schnellstens seine Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, jegliche Form von Extremismus zu bekämpfen und den Rechtstaat zu schützen. Aber bei aller Liebe: Es muss bei all dem verhindert werden, dass die Ereignisse von Molenbeek auf die muslimische Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit abstrahlen, von denen die meisten friedlich in diesem Land leben.
Sorgt Spanien für eine Kehrtwende?
Zweites großes Thema ist die Krise in der Eurozone, die mit den Problemen in Spanien eine neue Dimension zu erreichen droht. "Spanien könnte heute Hilfe für seine Banken beantragen", bringt es Le Soir auf seiner Titelseite auf den Punkt. "Spanien braucht zwischen 40 und 80 Milliarden Euro, um seine Banken zu retten", so die Schlagzeile von De Morgen. Bislang hatte sich Madrid ja dagegen gesträubt, sich unter den Euro-Rettungsschirm zu flüchten.
Heute ist möglicherweise ein wichtiger Tag, orakelt De Standaard. Es besteht wohl kaum ein Zweifel daran, dass ein europäischer Rettungsplan für Spanien kurz bevorsteht. Und der könnte eine Kehrtwende einläuten. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge könnten nämlich die spanischen Banken europäische Direkthilfen bekommen. Das wäre das erste Mal, dass die Eurozone direkt kollektiv Verantwortung übernimmt. Stellt sich aber mehr denn je die Frage: Warum musste das so lange dauern? Das Zögern der europäischen Verantwortlichen hat einen hohen Preis gefordert in Form von Kapitalvernichtung und menschlichem Leid.
Man hat die Situation buchstäblich verrotten lassen, ärgert sich auch L'Echo. Indem man viel zu lange viel zu halbherzige Maßnahmen zur Eindämmung der Krise ergriffen hat, wurde der "worst case" quasi heraufbeschworen. Und auch das Rettungsszenario für Spanien ist nicht hundertprozentig wasserdicht. Ob Direkthilfen für die spanischen Banken ausreichen könnten, muss sich noch zeigen, ist jedenfalls nicht gottgegeben. Wenn das nicht funktioniert, dann ist vielleicht schon bald Italien dran.
In diesem Zusammenhang hatte ja auch der amerikanische Präsident Barack Obama den Europäern die Leviten gelesen: Europa müsse dringend seine Schuldenkrise lösen, um nicht die ganze Welt mit in den Schlamassel zu ziehen, so Obama sinngemäß. L’Avenir verbittet sich derlei Vorhaltungen aus Washington. Obama sollte doch bitte aufhören, auf unserem Rücken Wahlkampf zu betreiben, meint das Blatt. Denn: Jeder kehre vor seiner Tür. Wem haben wir denn die ganze Krise zu verdanken? Am Anfang stand schließlich das Subprime-Problem in den USA. Wie heißt es so schön: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Thierry Giet unter Druck
Einige frankophone Blätter beschäftigen sich heute mit dem Inerimsvorsitzenden der PS, Thierry Giet. L’Avenir beleuchtet die Meldung, wonach die Anwaltskanzlei von Giet unter anderem auch für die wallonische Region arbeitet. Das ist hart an der Grenze, urteilt L’Avenir. Rein rechtlich betrachtet kann man Giet nichts vorwerfen. Aber das ganze sieht zumindest unglücklich aus.
Le Soir befasst sich seinerseits mit den Führungsproblemen bei der Parti Socialiste. Thierry Giet ist nichts anderes, als ein Strohmann, der den Platz von Elio Di Rupo freihält. Di Rupo kann als Premier nicht die PS führen, wollte aber auch keinen parteiinternen Machtkampf riskieren. Das Resultat ist aber nichts Halbes und nichts Ganzes. Die PS braucht eine klare Linie und klare Entscheidungen, braucht eine legitimierte Führung. Thierry Giet kann dieses Vakuum nicht füllen.
Wunsch nach Veränderung
Ganz andere Geschichte auf Seite eins von Le Soir: "Knapp die Hälfte der Belgier will einen neuen Bürgermeister", schreibt das Blatt. Das zumindest ist das Ergebnis einer Umfrage mit Blick auf die Kommunalwahlen im Oktober. Vor allem in den großen Städten haben die Bürger demnach Lust auf Veränderung; auf dem Land halten die Menschen eher an ihrem Bürgermeister fest.
In fast allen Zeitungen schließlich sind heute auffällig viele Fotos von Katzen. Het Belang van Limburg widmet ihnen sogar seine Titelseiten: Die Schlagzeile spricht für sich: "Ab 2014 müssen alle Katzen in Belgien sterilisiert sein".
Archivbild: Julien Warnand (belga)