Weitere Themen sind die Aussagen von Kammerpräsident Flahaut über Flandern, die Freilassung eines mutmaßlichen Mörders und ein “Donnerschlag“ in der belgischen Finanzwelt.
“UPlace beschädigt die flämische Regierung“, titelt heute De Morgen. “Ministerpräsident Kris Peeters stellt der SP.A ein Ultimatum“, schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite 1. “Beugt sich die SP.A oder zerbricht die flämische Regierung?“ fasst Gazet van Antwerpen die Lage in ihrer Schlagzeile zusammen.
Das Projekt für ein Mega-Einkaufszentrum spaltet die flämische Regierung. UPlace soll in Machelen gebaut werden, am nördlichen Rand von Brüssel. Mit gewaltigen Dimensionen: 200.000 Quadratmeter Einkaufsfläche, 6.000 Parkplätze. Deswegen sorgt das Einkaufszentrum denn auch seit Jahren für hitzige Debatten: Anliegende Gemeinden sind dagegen; laut Experten soll zudem das Verkehrsaufkommen auf dem Brüsseler Ring dadurch noch dichter werden.
Einkaufszentrum spaltet die flämische Regierung
Die flämische Umweltministerin Schauvliege hat dennoch vorgestern ihr grünes Licht gegeben. Und das sorgt für Spannungen in der flämischen Regierung. Die SP.A-Ministerin Ingrid Lieten sorgt wieder für eine Krise, titelt Het Laatste Nieuws. Lieten lehnt die Entscheidung ihrer CD&V-Ministerkollegin nämlich strikt ab. Lieten hatte schon einmal die flämische Regierung an den Rand der Implosion gebracht.
Jetzt stellt Ministerpräsident Kris Peeters der SP.A ein Ultimatum: Entweder die Sozialisten tragen die Entscheidung mit. Oder “wir haben ein ernstes Problem“. Het Nieuwsblad vergleicht die Peeters-Equipe denn auch mit einem “Fight Club“, man könnte sagen: Einem Hau-Drauf-Verein. De Morgen spricht von Zuständen wie in einer “mexikanischen Armee“.
Fast alle flämischen Zeitungen widmen dem Chaos in der flämischen Regierung ihren Leitartikel. In diesem Land sind wir es ja eigentlich gewöhnt, dass Regierungen unter Hochspannung stehen. Was die flämische Regierung da aber in der Akte UPlace zum Besten gibt, schlägt dem Fass den Boden heraus. Die Vize-Ministerpräsidentin nennt die Entscheidung einer Ministerkollegin “unbegreiflich“. Dabei hatte doch die SP.A dem Prozedere zugestimmt, wonach allein Umweltministerin Schauvliege eine Entscheidung zu UPlace treffen sollte. Das riecht nach billiger Profilierung.
Pokern mit gespaltener Zunge
Die SP.A spricht mit gespaltener Zunge, meint auch Het Belang van Limburg. Die Sozialisten können doch nicht so tun, als wäre die Entscheidung übers Knie gebrochen worden, sozusagen “Zwischen der Suppe und den Kartoffeln“. Nicht weniger als 20 Mal saß die SP.A mit am Tisch, wenn es um das Thema UPlace ging. Noch peinlicher: Der Bürgermeister von Machelen ist für den Bau des Einkaufszentrums - und der ist Mitglied der SP.A.
Die SP.A hat sich wohl verkalkuliert, stellt De Standaard fest. Man hoffte wohl, mit dem Widerstand gegen UPlace beim Wähler punkten zu können. Dabei hatte man wohl nicht mit einer derart scharfen Reaktion der Koalitionspartner CD&V und N-VA gerechnet. Hier zeigt sich: In der Politik ist vielleicht viel erlaubt, aber doch nicht alles. Man darf zum Beispiel nicht einer Ministerkolligen in den Rücken fallen, der man ausdrücklich die Entscheidung übertragen hatte.
De Morgen ist angesichts dieses Theaters denn auch verbittert. Wenn eine Ministerin eine andere derart desavouiert, wenn eine Regierung dermaßen ungeordnet daher kommt, dann muss man sich nicht wundern, dass die Politikverdrossenheit immer weiter zunimmt.
Doch dürfte uns die Akte UPlace ohnehin noch für längere Zeit beschäftigen, orakelt Gazet van Antwerpen. Das Einkaufszentrum ist längst noch nicht Realität. Es wird wohl noch unzählige Klagen, etwa vor dem Staatsrat, hageln. Und auch für die CD&V ist das Thema noch nicht gegessen. Die Christdemokraten könnten nämlich bei der Kommunalwahl im Oktober für ihre Haltung bestraft werden. Nicht umsonst waren die CD&V-Bürgermeister in den betroffenen Gemeinden strikt gegen das Projekt.
Insofern ist es denkbar, dass Peeters hier nur ein Scheingefecht austrägt, meint Het Laatste Nieuws. Indem er die Sache auf die SP.A fokussiert, lenkt er die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Problematik ab.
Von schlafenden Löwen
Viele Blätter beschäftigen sich heute auch mit dem Kammerpräsidenten André Flahaut. Der wird in einem Bericht des französischen Parlaments namentlich zitiert. Und in diesem Bericht werden die Flamen unter anderem als “Sprachfaschisten“ bezeichnet. Flahaut solle sich entschuldigen, tobten denn auch die rechtsgerichteten flämischen Parteien, allen voran N-VA und CD&V im Parlament.
Man sollte sich vor einem schlafenden Löwen in Acht nehmen, stellt denn auch L’Avenir fest. Denn der Löwe schläft allenfalls mit einem geschlossenen Auge. Beim flämischen Löwen jedenfalls bedarf es nur eines angestaubten Textes aus einer Schublade des französischen Parlaments, um gleich wieder in Angriffsstellung zu gehen. Das zeigt: Die derzeitige gemeinschaftspolitische Ruhe ist trügerisch.
Im französischsprachigen Landesteil sorgt das Thema "Integration" weiter für Diskussionsstoff. Den Anlass hatte MR-Schwergewicht Didier Reynders geliefert, als er die Integrationspolitik in einigen Brüsseler Vierteln als “gescheitert“ bezeichnet hatte. La Libre Belgique widmet ihre Titelseite also den "Gründen für den MR-Vorstoß in Sachen Integration". Reynders hatte ja unter anderem - mit dem Sarkasmus, für den er berühmt ist - erklärt, Molenbeek liege im Ausland.
Keine voreiligen Schlüsse
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit der Entscheidung des zuständigen Haftrichters, wonach der mutmaßliche Mörder des STIB-Kontrollbeamten auf freien Fuß gesetzt wurde. “Unverständnis bei der Familie des Opfers“, heißt es unter anderem in La Dernière Heure und Het Nieuwsblad. La Libre Belgique warnt in ihrem Leitartikel aber vor allzu emotionalen Einschätzungen: Die Entscheidung an sich ist aus juristischen Gesichtspunkten nachvollziehbar, jedenfalls nicht skandalös. Problematisch ist aber in der Tat, dass die Familie des Opfers nicht über die Freilassung in Kenntnis gesetzt wurde.
Donnerschlag in der belgischen Finanzwelt
Und noch ein Gerichtsentscheid beschäftigt viele Zeitungen. Die zuständige Ratskammer hat gestern unter anderem zwei Ex-Unternehmenschefs an ein Strafgericht verwiesen. Der Vorwurf: Insider-Handel. Die Beschuldigten sollen kurz vor dem Verkauf der niederländischen Fortis-Aktivitäten 3,6 Millionen Aktien der Fortis-Gruppe verkauft haben. Wenig später stürzte der Kurs ab. Das Problem: Die Verdächtigen waren zweifelsohne über die Entwicklung im Bilde. Einer der Beschuldigten, Luc Vansteenkiste, saß im Verwaltungsrat der Fortis und soll die Holding “Bois Sauvage“ vor dem bevorstehenden Crash gewarnt haben. Vansteenkiste ist kein geringerer als der frühere Chef des Arbeitgeberverbandes FEB. “Das Insidergeschäft kann “Bois Sauvage“ 30 Millionen Euro kosten“, titelt L‘Echo.
Die Entscheidung, die Akte an ein Strafgericht zu verweisen, das ist nicht hoch genug einzuschätzen, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Denn: Insiderhandel, das ist kein Kavaliersdelikt, sondern das ist eine Straftat. Es ist das erste Mal, dass sich ein Gericht mit einem solchen Vorwurf beschäftigt. Und hoffentlich gibt es da eine Signalwirkung, gibt das denjenigen zu denken, die jedes Aufsichtsratsmandat annehmen, ohne sich über mögliche Interessenkonflikte Gedanken zu machen.
Die Entscheidung der Ratskammer kommt in der belgischen Finanzwelt einem Donnerschlag gleich, meint auch L’Echo. Die Tatsache, dass es das erste Verfahren dieser Art sein wird, lässt tief blicken. Es gab nämlich schon häufiger den unheimlichen Verdacht, dass mit gezinkten Karten gespielt wurde. Passiert ist nie etwas. Hier geht es aber letztlich um das Vertrauen in die belgische Finanzwelt. Deswegen ist ein solcher Prozess längst überfällig.
Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)