In Flandern steht derweil insbesondere die “Charta für Flandern“ im Fokus, eine Art Grundgesetz, das gestern offiziell vorgestellt wurde. Einige Zeitungen schließlich beleuchten ein neuerliches diplomatisches Geplänkel zwischen Belgien und Israel.
“Entsetzen über Mord an vierjähriger Diana“ titelt das Grenz-Echo. “Diana grausam getötet“, schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. “Diana wurde von ihrer Mutter erstickt“, so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg.
Das Mädchen war zunächst als vermisst erklärt worden, bis die Ermittler in der Wohnung der Mutter einige grausige Funde machten. Erst fand man blutbefleckte Kleidung, wenig später entdeckte man dann die sterblichen Überreste der Vierjährigen in der Tiefkühltruhe. Gegen die Mutter wird jetzt wegen Mordes ermittelt.
Diana: Warum?
Viele Zeitungen stellen die Frage nach dem Warum. Was war das Motiv für die grausame Tat? Die Frau hat dahingehend erste Aussagen gemacht, die zum Teil durch ihren Anwalt öffentlich gemacht wurden.
Doch werden damit nicht alle Fragen beantwortet, wie La Dernière Heure feststellt. Das Blatt spricht von einem "nicht nachvollziehbaren Motiv". "Ich wollte meine Tochter beschützen, bevor ich mich umbringen wollte", fasst La Dernière Heure die Aussagen der Mutter zusammen. L'Avenir bezieht sich auf dasselbe Zitat: "Wurde Diana ermordet, um beschützt zu werden?", fragt sich das Blatt auf seiner Titelseite.
Hintergrund ist, dass der Ex-Mann der Mutter offensichtlich gewalttätig war. Anscheinend wurde die Frau in der Vergangenheit von ihm wiederholt geschlagen. Und die 34-Jährige lebte anscheinend mit der Angst, dass der Mann auch die gemeinsame Tochter misshandeln könnte. Offenbar ist aber auch Rache im Spiel. "Horrormord um ihren Ex-Mann zu treffen", titelt Het Laatste Nieuws. Fast dieselbe Feststellung auf der Titelseite von Het Nieuwsblad: "Diana wurde von ihrer Mutter ermordet, um dem Vater weh zu tun“, schreibt das Blatt.
L‘Avenir will in seinem Leitartikel nur eins: Verstehen. Wie kann mütterliche Liebe derart fehlgeleitet sein? Man muss jedenfalls feststellen, dass ein Beschützerinstinkt mitunter ins Gegenteil verkehrt werden kann. Und die Außenwelt, wir alle, starren mit Unverständnis und Entsetzen auf eine Bluttat, die nicht nachvollziehbar ist, die sozusagen den Gesetzen der Natur widerspricht. Was hat die Frau zu ihrer Wahnsinnstat getrieben? War sie geisteskrank? Waren Beziehungsprobleme die Ursache? Oder gab es materielle Zwänge? Vielleicht werden wir es nie erfahren, aber die Fragen müssen zumindest gestellt werden.
Es fehlen die Worte, meint auch Le Soir. Die Tat ist einfach zu erschreckend, die Umstände unfassbar grausam. Solange rationelle oder medizinische Erklärungen fehlen, blicken wir einfach nur in Abgründe. Ein Fall wie dieser zeigt, dass das Netz an Schutzmechanismen, Betreuungsstrukturen, Anlaufstellen nicht perfekt ist. All das kann offensichtlich nicht verhindern, dass Menschen in eine psychische Extremsituation abgleiten. Bei all dem bleibt uns Außenstehenden nur eins: Einen Moment lang in Stille inne zu halten.
Fehlstart für „flämische“ Charta
Fast alle flämischen Leitartikler widmen sich derweil heute der „flämischen Charta“, die die flämische Regierung gestern vorgestellt hat. Dabei handelt es sich ja um eine Art Grundgesetz, wobei die Verantwortlichen betonen, dass die Charta nicht als Unabhängigkeitserklärung zu verstehen ist.
Es ist vielmehr ein Gesellschaftsvertrag, notiert De Standaard in seinem Leitartikel. Hier werden die Rechte und Pflichten der Bürger Flanderns formuliert. Das hat zum einen symbolischen Wert, aber auch eine pädagogische Wirkung. Die Charta fasst alle Kernpunkte zusammen: Wie in Flandern die Beschlüsse entstehen, und welche die großen Prinzipien sind, die der Politik zugrunde liegen.
Endlich gibt es eine “Charta für Flandern“, lobt auch Gazet van Antwerpen. Seit 20 Jahren schon wird an einem solchen Grundlagenpapier gewerkelt. Und in der Tat: Es ist mit Sicherheit keine Unabhängigkeitserklärung, sondern vielmehr so eine Art “Ausweis für Flandern“. Allerdings wird die Freude getrübt: Die Charta ist allein das Produkt der Mehrheit. Die Opposition wurde nicht mit einbezogen. Selbst Parlamentspräsident Jan Peumans wurde erst wenige Stunden vor der Veröffentlichung des Textes, über dessen Existenz in Kenntnis gesetzt. Ein Grundgesetz verdient einen besseren Start.
De Morgen ist vor diesem Hintergrund geradezu verbittert. Ein Grundgesetz sollte auf einer möglichst breiten Grundlage stehen. Die Regierung Peeters zog es dennoch vor, die Opposition nicht mit einzubeziehen. Hier maßt sich also eine Mehrheit von 55 Prozent an, für alle zu sprechen. Da kann man nur sagen: Armes Flandern.
Het Belang van Limburg kann diese Kritik zwar nachvollziehen, sieht das Ganze aber nicht ganz so eng. Klar hätte man die Opposition an dem Projekt beteiligen müssen. Doch muss man vor Augen haben, dass schon seit zwanzig Jahren an einem solchen Text gearbeitet wird. Vor diesem Hintergrund ist es denn auch so, dass jede Partei irgendwann mal federführend einen Beitrag zur Formulierung eines flämischen Grundgesetzes leisten konnte. Insofern darf man zumindest hoffen, dass die Opposition ihre Unterstützung zusagt.
“Ich habe saubere Hände“
Einige Zeitungen beleuchten heute ein diplomatisches Geplänkel zwischen Belgien und Israel. Im Mittelpunkt: Vizepremierministerin Laurette Onkelinx. Bei einem internationalen Treffen in Genf weigerte sich ihr israelischer Amtskollege, Onkelinx die Hand zu geben. Bei besagtem Minister handelt es sich wohl um einen Ultra-Orthodoxen, der Frauen offensichtlich aus religiösen Gründen den Respekt verweigert. “Ich habe saubere Hände“, zitiert unter anderem Het Laatste Nieuws die erboste Ministerin.
Das ist die zweite Geschichte dieser Art in kürzester Zeit, bemerkt dazu Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Vor einigen Wochen wurde Justizministerin Annemie Turtelboom bei einem Besuch in Marokko vom dortigen Premier demonstrativ ignoriert. Klar: Jeder hat das Recht dazu, nach seinen religiösen Überzeugungen zu handeln, ein Recht auf eigene Kultur. Nur muss sich der Rest der Welt dem nicht beugen. Wir werden weiter Frauen in solche Länder schicken. Immer mehr, und in immer bedeutenderen Positionen. Nicht, um diese Leute zu ärgern, sondern als Ausdruck unserer gesellschaftlichen Entwicklung.
Bild: Child Focus