"Vande Lanotte entscheidet alles", so die Schlagzeile von De Morgen auf Seite eins. In dem heute erscheinenden Buch "Der Kaiser von Ostende" werfen die Autoren, zwei VRT-Journalisten, dem sozialistischen Vizepremierminister Machtmissbrauch und Interessenskonflikte vor. Zwei Schöffen der Küstenstadt und Parteikollegen setzen noch einen drauf: Eigentlich ist Vande Lanotte nur einfaches Gemeinderatsmitglied in Ostende. Aber er trifft jede Entscheidung. "Er ist wie der chinesische Diktator Mao Tse-Tung", sagt SP.A-Schöffe Yves Mirroir in der Zeitung. Sein Kollege Bart Bronders erklärt: "Ich will Johan zwar nicht mit Hitler vergleichen, aber die Methoden in Ostende sind die gleichen."
Vande Lanotte hält Ostende in der Hand
Monatelang haben die Journalisten Vande Lanottes politische und private Ämter unter die Lupe genommen. In dem Buch suggerieren sie weitreichende Verstrickungen und unzählige Interessenskonflikte. Wie Het Nieuwsblad schreibt, soll der Vizepremier in Ostende die Strippen ziehen. Unter anderem beim Basketballclub, dem Casino, dem Windkraftpark und sogar bei den Fischversteigerungen in der Küstenstadt.
Het Laatste Nieuws bemerkt: Einen Fehler können die Autoren dem Minister nicht nachweisen. Er handle ständig in der Grauzone.
Le Soir notiert auf seiner Titelseite: Der Kaiser weist die Vorwürfe von sich und holt zum Gegenangriff aus. Hinter dem Buch stecke sein Erzrivale Jean-Marie Dedecker.
De Standaard fügt hinzu: Die VRT hat den beiden Autoren vorerst ein Reportageverbot auferlegt und sie vom Dienst suspendiert. Der öffentlich-rechtliche Sender distanziert sich von dem Buch und erklärt: Das Werk sei nicht im Auftrag des flämischen Rundfunks geschrieben worden, sondern in der Freizeit der zwei Journalisten. Den Beweis, dass Johan Vande Lanotte sich mit den zahlreichen Ämtern persönlich bereichert, kann das Buch nicht erbringen. Den Gegenbeweis, dass er unschuldig ist, aber auch nicht, bemerkt die Zeitung.
Fragen nach Ethik in der Politik
Kein Wunder, notiert De Morgen. Denn der "Kaiser von Ostende" hat gelernt mit den Gesetzen umzugehen. Frei nach dem Motto: Was nicht verboten ist, muss erlaubt sein.
Het Laatste Nieuws nimmt den Sozialisten dagegen in Schutz: Natürlich zieht Vande Lanotte in Ostende die Fäden. Aber das machen auch andere Schwergewichte: Tobback in Löwen, De Clerck in Kortrjik und Di Rupo in Mons. Es gibt jedoch keinen einzigen Beweis, dass sie dabei in irgendeiner Weise Gesetze übertreten.
De Morgen meint: Auch wenn die Autoren Fehler gemacht und nicht immer sauber recherchiert haben: Das Buch wirft zumindest Fragen nach der Ethik in der Politik auf. Was kann und darf ein gewählter Volksvertreter?
Gazet van Antwerpen fordert neue Verhaltensregeln für Politiker. Unter anderem sollte es Ministern verboten sein, ähnlich wie EU-Kommissaren, eine private oder öffentliche Funktion in dem Fachbereich zu bekleiden, für den sie zuständig sind. Während und einige Jahre nach ihrer Amtstätigkeit.
Weiter Vetternwirtschaft in der Wallonie?
Die französischsprachigen Zeitungen beleuchten das Problem der politischen Ernennungen an der Spitze der wallonischen Behörden. Laut einem Expertenbericht besitzen fast 60 Prozent der frisch gebackenen Abteilungsleiter ein sozialistisches Parteibuch. "Die PS beherrscht die Verwaltung", titelt La Dernière Heure. In La Libre Belgique weisen Regierungsmitglieder der wallonischen Koalition von Sozialisten, Christdemokraten und Grünen die Vorwürfe von sich. Sie beteuern: Die Ernennungen seien nach objektiven Kriterien vorgenommen worden.
L’Avenir hat ein Problem damit: Es steht in der Wallonie mal wieder der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Raum. Obwohl es Reformen gibt, um die Verwaltung zu entpolitisieren, bleiben die Ergebnisse aus. Die bösen Geister von einst scheinen noch nicht vertrieben zu sein. Der Mentalitätswandel bei den wallonischen Entscheidern hat sich noch nicht vollzogen, konstatiert die Zeitung.
Hohe Steuerlast in Belgien und hoffen aufs Finale
Das Wirtschaftsblatt L'Echo macht mit einer europäischen Statistik auf. Demnach gehört der Steuerdruck in Belgien zu den höchsten in der EU. Im Schnitt wird das Einkommen eines Belgiers mit knapp 44 Prozent besteuert. Nur Schweden und Dänemark belasten ihre Bürger noch stärker. Der EU-Schnitt liegt bei gut 38 Prozent.
Unter anderem das Grenz-Echo wirft einen Blick auf den Eurovision Song Contest. In Baku in Aserbaidschan findet heute das erste Halbfinale statt. Für Belgien geht dabei die erst 17-jährige Iris mit dem Song "Would you?" an den Start. Sie hofft auf den Einzug ins große Finale am Samstag. In den Wettbüros hat sie allerdings keine Chance, wie Het Laatste Nieuws berichtet: Wer dort einen Euro auf die flämische Sängerin setzt, kann, sollte sie tatsächlich ins Finale einziehen, 860 Euro Gewinn machen.
Archivbild: Bruno Fahy (belga)