“Dexia braucht anscheinend frisches Geld“, titelt heute Le Soir; Het Laatste Nieuws ist drastischer: Es droht ein neues Katastrophen-Szenario für Dexia, schreibt das flämische Massenblatt in Blockbuchstaben auf Seite eins. L’Echo vergleicht die Lage mit einem Damokles-Schwert, das sich immer weiter senkt.
In Brüssel brodelt die Gerüchteküche. Anscheinend kämpft Dexia mit neuen Liquiditätsproblemen. Hier geht es wohlgemerkt nicht um die belgische Bank, die ja jetzt Belfius heißt, sondern um das, was von der einstigen Dexia-Gruppe übrig geblieben ist. Für diese sogenannte Restbank hat Belgien mit über 54 Milliarden Euro gebürgt. Am vergangenen Mittwoch wurde in dieser Sache Nationalbankchef Luc Coene im zuständigen Kammerausschuss angehört. Und der stellte offenbar eine mögliche neue Kapitalerhöhung in den Raum.
Neue Kapitalerhöhung?
Laut Fachleuten müsste Belgien dabei mindestens fünf Milliarden Euro auf den Tisch legen. Damit würde die belgische Staatsschuld durch die Decke gehen, warnt Het Laatste Nieuws. Het Belang van Limburg macht sich zum Sprachrohr der Opposition, die sich vor allem eine bange Frage stellt: “Werden wir jetzt wieder mal von den Franzosen über den Tisch gezogen?“ Finanzminister Steven Vanackere hat übrigens all diese Informationen nachdrücklich dementiert. Es gebe keinerlei Anfragen in puncto Kapitalerhöhung, erklärte Vanackere in der Kammer. “Vanackere verweigert sich der Diskussion“, meint denn auch sinngemäß De Standaard. Denn: Dass an der Geschichte was dran ist, dass bezweifelt eigentlich niemand.
Belgischer Albtraum
Für den belgischen Staat entwickelt sich Dexia zum Albtraum, meint etwa L’Avenir in seinem Leitartikel. Es steht zu befürchten, dass Belgien wieder in die Tasche greifen muss, oder beziehungsweise der belgische Steuerzahler. Belgien hat zu 60 Prozent für die Restbank gebürgt. Und da warten wohl noch einige böse Überraschungen.
Dabei hatten uns doch die Verantwortlichen für die Dexia-Rettung, allen voran Yves Leterme, die Operation seinerzeit als absolut ungefährlich und potentiell lukrativ verkauft, notiert Het Nieuwsblad. Inzwischen sind wir ganz offensichtlich in der Wirklichkeit angekommen. Die Frage lautet inzwischen nur noch, ob Dexia viel oder sehr viel Geld kosten wird. Eins ist sicher: Belgien kommt aus dieser Geschichte nicht heraus: Wenn Dexia wirklich Geld braucht, dann hat der belgische Staat keine andere Wahl als zu zahlen. Doch stellt sich noch eine ganz andere Frage: Ist es normal, dass der Inhalt besagter Ausschuss-Sitzung überhaupt ans Licht gekommen ist? Nationalbankchef Luc Coene war nämlich hinter verschlossenen Türen angehört worden.
Ausgeplaudert hat das Ganze offensichtlich der flämische Abgeordnete Jean-Marie Dedecker.
Gefährliches Presseleck
Mit solchen Presselecks “kastriert sich das Parlament“, poltert der frühere Kammerpräsident Herman De Croo in De Morgen. Auch Het Laatste Nieuws ist stinksauer. Die Dexia-Angelegenheit ist viel zu heikel, um zum Gegenstand von Gerüchten und Flurgesprächen zu werden, donnert das Blatt. Das Parlament hat sich in dieser Sache bis auf die Knochen blamiert. Nicht nur, dass die Untersuchung des Dexia-Absturzes im Sande verlaufen ist, jetzt schafft man es noch nicht mal mehr, die in einer solchen Angelegenheit absolut notwendige Diskretion an den Tag zu legen. Und das im Zusammenhang mit einer Geschichte, die Belgien im schlimmsten Fall auf das Niveau von Griechenland katapultieren kann.
Mehr Transparenz!
Gazet van Antwerpen sieht das etwas nuancierter. Auf der einen Seite ist es sicherlich so, dass jedes falsche Wort über ein börsennotiertes Unternehmen mitunter drastische Folgen haben kann. Auf der anderen Seite hat aber der belgische Steuerzahler ein Recht auf Transparenz.
In Flandern sorgen derweil einige Sex-Skandale für Gesprächsstoff. Zunächst bei der flämischen Rundfunk- und Fernsehanstalt VRT. "VRT-Spitzenleute entlassen", titelt Het Nieuwsblad. Hier geht es allerdings um die Vergangenheit: Der ehemalige VRT-Verwaltungsratspräsident Guy Peeters räumt ein, dass tatsächlich mitunter selbst Führungskräfte wegen sexueller Nötigung entlassen worden sind.
Sexuelle Nötigung: Professoren entlassen
Das gilt offensichtlich auch für die Katholische Universität Löwen. "Vier KUL-Professoren wurden geschasst wegen sexueller Nötigung", titelt heute De Morgen.
Vor allem in Flandern befassen sich auch viele Blätter mit den jüngsten Entwicklungen im Fall Kim De Gelder. Laut einem neuen Gutachten soll er nun doch geisteskrank sein. Im Januar 2009 hatte De Gelder ja in einer Kinderkrippe in Dendermonde drei Menschen getötet. Durch das neue Gutachten wird die gerichtliche Prozedur erneut verzögert: "Wir wollen einen Prozess - und zwar schnell", zitiert Het Laatste Nieuws in diesem Zusammenhang einige Angehörige von Opfern des mutmaßlichen Massenmörders.
Vielleicht eine gute Neuigkeit für die belgischen Verbraucher: "Nach den Energiepreisen will die Regierung jetzt auch die Telekompreise deckeln", titelt sinngemäß Gazet Van Antwerpen.
Den Haag verurteilt Taylor
Viele Zeitungen schließlich befassen sich heute mit dem Urteil gegen den früheren Präsidenten von Liberia, Charles Taylor, der vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig befunden wurde. “Der erste Ex-Staatschef verurteilt seit den Nürnberger Prozessen“, fasst es La Libre Belgique auf seiner Titelseite zusammen. "Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan", schreibt De Standaard. In ihrem Kommentar spricht La Libre Belgique von einem willkommenen Signal an die Adresse aller Diktatoren. Auch De Morgen begrüßt die Entscheidung von Den Haag: Die Verurteilung von Charles Taylor ist ein Sieg für das internationale Recht. Doch darf man dafür nicht gewisse Schattenseiten ausblenden. Erstens: Die Verurteilung kommt eigentlich zu spät; das Abschlachten von Menschen in Westafrika hat man damit nicht verhindert. Zweitens: Der Verdacht steht im Raum, dass man an dem Afrikaner Taylor ein Exempel statuiert hat. Großmächte wie die USA oder Russland hingegen weigern sich sogar, den Gerichtshof anzuerkennen.
Bild: Virginie Lefour (belga)