In den flämischen Zeitungen gibt es heute ein alles beherrschendes Thema, nämlich die sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz. Dagegen werden in der französischsprachigen Presse ganz andere Dinge thematisiert, wie zum Beispiel die rückläufige Zahl der Streiks sowie der Mieten in Belgien, oder die oft unterschätzte Gefahr des Handy-Gebrauchs am Steuer.
Angefangen hatte in Flandern alles letzte Woche, als mehrere Frauen den N-VA-Politiker Pol Van Den Driessche beschuldigten, sie sexuell belästigt zu haben. Daraufhin haben sich gestern gleich mehrere frühere Mitarbeiterinnen des flämischen Rundfunks VRT gemeldet, dass ihnen vor Jahren Gleiches passiert ist. Daher die Schlagzeile in Het Nieuwsblad "Bei der VRT war keine Frau mehr sicher".
De Morgen und Het Laatste Niews machen auf mit dem Appell der flämischen Medienministerin Lieten an alle Frauen, das ihnen Widerfahrene nicht länger allein zu tragen, sondern sich zu outen.
Kommentierend heißt es dazu in De Standaard: Was diese Frauen heute aus ihrer Vergangenheit erzählen, wird allgemein, übrigens auch von Männern, als unzulässig verurteilt. Die Mentalität hat sich in den letzten Jahren also deutlich geändert. Wahrscheinlich weil heute viel mehr Frauen berufstätig sind, und das nicht nur in untergeordneten Funktionen. Dies trägt wohl mit dazu bei, dass sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz heute nicht mehr für normal gehalten wird.
Übergriffe nicht minimalisieren, sondern Lehren ziehen
Het Laatste Nieuws spricht von verwerflichen Übergriffen, die man auf keinen Fall minimalisieren darf. Frauen, die solches erleben mussten, sind für den Rest ihrer Tage gezeichnet. Deshalb sind diese Schandtaten, auch wenn sie weit zurückliegen, es wert, dass sie an den Pranger gestellt werden. Die Opfer haben Recht darauf, als solche anerkannt zu werden, wenn auch mit großer Verspätung.
Het Nieuwsblad zieht aus dem Geschehenen die Schlussfolgerung, jeder Betrieb und jede Organisation müsse prüfen, in wie weit sexuellem Fehlverhalten gegenüber Frauen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wo können sich eventuelle Opfer melden, und was geschieht mit ihren Klagen?
Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann die Tabusphäre um dieses Thema echt durchbrochen werden. Het Belang van Limburg bezeichnet die Frauen, die mit dem vor Jahrzehnten Erlittenen heute an die Öffentlichkeit treten, als besonders mutig. Sie sorgen dafür, dass das Problem der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz endlich aufgegriffen wird und die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhält. Unsere Gesellschaft benötigt dringend mehr Anstand und Respekt, und dies nicht nur gegenüber Frauen.
Erstmals sinkende Mieten
L’Echo bringt auf Seite eins die Meldung, dass die Mietpreise für Häuser erstmals seit Jahren gefallen sind, und zwar um 3 Prozent im Durchschnitt. Bei den Mieten für Appartement-Wohnungen ist hingegen noch ein leichter Anstieg von 0,2 Prozent zu verzeichnen. Was nun die gezahlten Preise betrifft, so liegt die Miete für ein Haus in Belgien im Schnitt derzeitig bei 1.230 Euro und für eine Wohnung bei 819. Im Übrigen hat man festgestellt, dass immer mehr Vermieter auf die jährlich fällige Indexierung verzichten, um somit gute, beziehungsweise zahlungskräftige Mieter zu behalten.
Le Soir befasst sich mit den sozialen Unruhen in unserem Land und weiß zu berichten, dass die Zahl der Streiks in Belgien in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen ist. Trotzdem gehört Belgien immer noch zu den fünf streikfreudigsten Ländern in Europa. Übrigens wird hierzulande immer seltener in den Industriebetrieben gestreikt. Dafür etwas häufiger in den Dienstleistungsunternehmen.
Trauriger Steuerrekord in Belgien
De Standaard hebt auf seiner Titelseite den Steuerdruck in Belgien hervor: Er zählt nicht nur zu den höchsten der Welt, sondern der Unterschied zu vielen anderen Ländern wird noch stets größer.
Kommentierend heißt es dazu in De Morgen: Die hohe Besteuerung der Arbeit in Belgien ist ungerecht, auch wenn wir als Gegenleistung eine umfassende Sozialsicherheit haben. Eigentlich müsste über die Einkommensbesteuerung der Reichtum besser verteilt werden, doch hierzulande haben wir ein System, bei dem vor allen Dingen die arbeitende Bevölkerung vom Finanzamt gemolken wird.
La Dernière Heure berichtet über eine Untersuchung, der zufolge das Handy am Steuer gefährlicher ist, als unter Alkoholeinfluss zu fahren. Es verzögert die Reaktionszeit um sage und schreibe 38 Prozent. Deshalb ist es wichtig, alle Verkehrsteilnehmer und vor allem die Jugendlichen unter ihnen, auf dieses für immer mehr Unfälle verantwortliche Fehlverhalten aufmerksam zu machen.
Archivbild: Julien Warnand (belga)