Zwei spektakuläre Kriminalfälle sind heute auf den Titelseiten quasi allgegenwärtig: In Flandern sorgt die Festnahme eines mutmaßlichen Kinderschänders weiter für Schlagzeilen. Die frankophonen Blätter berichten ihrerseits in großer Aufmachung über einen dramatischen Vorfall in der Provinz Luxemburg, bei dem ein Polizist ums Leben gekommen ist. Im Mittelpunkt der Kommentare stehen derweil der Sozialkonflikt bei Bekaert, die neuerliche Index-Diskussion sowie die Sorgen um die spanische Wirtschaft.
"Ein junger Polizist wird im Einsatz getötet", titelt heute La Libre Belgique. "Gangster durchbrechen eine Straßensperre und töten einen Beamten", schreibt L'Avenir auf Seite 1. Die Schlagzeile von La Dernière Heure ist kurz und knapp: "Feige umgesäbelt".
Fast alle frankophonen Blätter machen heute auf mit einem tragischen Zwischenfall in Saint-Léger bei Arlon. Nach einem Einbruch hatten sich drei Gangster eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert. Als sie eine Straßensperre der Polizei sahen, gaben sie kurzer Hand Vollgas.
Der Aufprall muss furchtbar gewesen sein. Ein Polizist starb noch am Ort des Geschehens. Zwei der Verbrecher wurden festgenommen. Wie L'Avenir hervorhebt, wird gegen sie wegen Mordes ermittelt. Der tote Polizist war 24 Jahre alt und gerade erst Vater geworden, wie La Dernière Heure berichtet. Der Zwischenfall zeigt einmal mehr, wie gefährlich der Job der Polizisten ist, die tagtäglich mit Kriminalität konfrontiert sind, notiert La Libre Belgique.
Le Soir veröffentlicht heute auf seiner Titelseite neue Kriminalitätszahlen des europäischen Statistikamtes Eurostat. Das Brüsseler Blatt kommt dabei zu einer beunruhigenden Feststellung: Während die Kriminalitätsrate in Europa allgemein rückläufig ist, steigt sie in Belgien. Brüssel steht europaweit auf Platz fünf der Rangliste der Städte mit den meisten Tötungsdelikten.
Pädophiler Pfleger schockt Flandern
In Flandern sorgt derweil ein neuer, spektakulärer Fall von Kindesmissbrauch weiter für Schlagzeilen. Gestern hatte die Zeitung De Morgen enthüllt, dass ein 53-jähriger Mann wegen Kindesmissbrauchs und Verbreitung pornographischen Materials festgenommen wurde. Der Verdächtigte arbeitet als Pfleger in einer psychiatrischen Einrichtung in Grimbergen, nördlich von Brüssel. Der Mann soll mindestens 23 Kinder missbraucht haben, fünf davon in Belgien, die anderen offenbar unter anderem in Polen und Brasilien. "Der angeblich unbescholtene Pfleger bereiste die Welt, um Kinder zu vergewaltigen", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Gazet Van Antwerpen berichtet auf seiner Titelseite, dass man auch nach Handlangern sucht. Möglicherweise war der Mann Teil eines Netzwerkes, in dem kinderpornografisches Material ausgetauscht wurde. Und der Verdächtigte war offensichtlich kein unbeschriebenes Blatt. "1988 wurde der Mann schon einmal wegen Pädophilie verurteilt", titelt De Morgen. "Justiz ließ den Pädophilen schon drei Mal laufen", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite Eins.
Angesichts dieser Vorgeschichte stellt sich für Gazet van Antwerpen so manche Frage. Dass ein Pädophiler jahrzehntelang ungestört seiner kriminellen Neigung nachgehen kann, ist beängstigend. Erst recht, wenn der Mann in den letzten 25 Jahren diverse Male auffällig wurde. Wie ist das möglich? Und das zudem ausgerechnet in einem Land, das vor allem in den letzten 20 Jahren einige spektakuläre Pädophilie-Fälle gekannt hat. Gab es auch diesmal wieder Systemfehler? Es bedarf hier in jeden Fall einer eingehenden Untersuchung: Die gerichtlichen Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Kinderschänder in den letzten 25 Jahren müssen durchleuchtet werden, fordert Gazet van Antwerpen.
Bonus und Entlassungen
Vor allem in Flandern liefert der Sozialkonflikt bei Bekaert weiteren Diskussionsstoff. Grob zusammengefast: Bei dem Stahldrahthersteller sollen 600 Arbeitsplätze abgebaut werden, während zeitgleich eine üppige Bonuszahlung an Bekaert-Chef Bert De Graeve bekannt wurde. Das beide Tatsachen - die Entlassungen und der Bonus - nicht zusammenpassen, das wollen einige offensichtlich immer noch nicht einsehen, echauffiert sich Het Nieuwsblad. OK: Der Bonus für De Graeve basiert auf den Zahlen von 2010, die Entlassungen hingegen sind eine Folge des Umsatzeinbruchs im Jahr 2011. Wer allerdings so argumentiert, der verschließt sich der Realität. Die Botschaft lautet eher im Übrigen: Wenn's gut läuft, dann profitiert die Unternehmensspitze, wenn's schlecht läuft, dann bekommen die einfachen Mitarbeiter die Rechnung präsentiert.
Dass die Bonuszahlung und die Entlassungen quasi zusammenfallen, ist ein Zufall, der allerdings Bände spricht, meint auch De Standaard. Hier hat offensichtlich jeder seinen moralischen Kompass verloren. Auch die Gewerkschaften, die jetzt eine Frühpensionsregelung ab 50 Jahren fordern. Auch das passt nicht in den Kontext einer alternden Gesellschaft, die allgemein länger arbeiten muss. Hier sieht es fast so aus, als sollte ein moralisch anrüchiges Verhalten durch ein anderes ausgeglichen werden.
Neues "Index-Theater"
Einige Blätter befassen sich mit der neuerlichen Diskussion über die Zukunft der Lohn-Index-Bindung. Gestern hatte der CD&V-Staatssekretär Hendrik Bogaert dafür plädiert, den Index fünf Jahre lang zu beschneiden, um Belgien wider auf das Lohnniveau der Nachbarländern zu bringen. Einige Zeitungen sind fast schon amüsiert angesichts dieser x-ten Reformidee.
"Jedem Minister sein Ideechen", frotzelt Het Laatste Nieuws. Eigentlich sollte jeder Politiker, der einen halbgaren Vorschlag zum Thema Index macht, künftig zur Kasse gebeten werden, meint das Blatt spöttisch. Le Soir findet das Index-Theater indes nicht mehr lustig. Hier geht es schließlich um die Kaufkraft der Bürger, zugleich sorgt jede Infragestellung des Index quasi automatisch für Spannungen bei den Gewerkschaften. Das Thema "Index" braucht Takt und Pädagogik, jedenfalls keine betont markigen Parolen.
Sorgen um Spanien
Einige Zeitungen schließlich blicken mit einem gewissen Unbehagen auf die Börse, die gestern wieder einmal eine zwischenzeitliche Talfahrt erlebt. "Spanien jagt den Finanzmärkten Angst ein", titelt etwa La Libre Belgique. Tatsächlich hat Spanien gestern nur mit einigen Mühen neue Kredite aufnehmen können, wie L'Echo berichtet. Und Spanien, das ist ein anders Kaliber, da erscheint der europäische Rettungsschirm von 800 Milliarden Euro fast schon wieder lächerlich klein, so das Börsenblatt in seinem Kommentar.
Die spanischen Zweifel haben uns in die Realität zurückgebracht, bemerkt auch La Libre Belgique. In den letzten Wochen konnte man den Eindruck haben, dass die Investoren fast schon vergessen hatten, dass wir noch nicht über den Berg sind. Ein Teil der Euro-Zone befindet sich noch mitten im Genesungsprozess. Also noch mal zum Mitschreiben: "Die Krise ist noch nicht vorbei".
Bild: Anthony Dehez (belga)