In Flandern wird derweil darüber nachgedacht, den Kindergarten de facto zur Pflicht zu machen. Weitere Themen sind die neuen Sparprognosen für die Regierung, Abwanderungsgedanken bei Brussels Airlines und Sabotage-Drohungen gegen die Flandernrundfahrt.
"Forest - der Schandfleck der belgischen Gefängnislandschaft" titelt heute Le Soir. La Libre Belgique vergleicht die Haftanstalt mit einem "Straflager". L'Avenir spricht von "Haftbedingungen an der Grenze zur Folter", De Standaard nennt die Lebensbedingungen in Forest "dramatisch": Die Häftlinge sind gezwungen, vier Wochen lang dieselbe Kleidung zu tragen.
Mit einem bemerkenswerten Aufschrei haben Justizvertreter und Menschenrechtler gestern noch einmal die Zustände in der Haftanstalt von Forest angeprangert. Hintergrund ist ja die dramatische Überbelegung des Gefängnisses: 740 Gefangene für gerade mal 400 zur Verfügung stehende Plätze. Resultat: Erschreckende Hygienebedingungen und ein Klima der permanenten Spannung.
Forest - eine "entsicherte Granate"
Und wer glaubt, das betreffe nur Galgenvögel, die im Grunde nichts Besseres verdient haben, der irrt sich, notiert Le Soir in seinem Leitartikel. In Forest sitzen viele Gefangene lediglich in U-Haft. Im Durchschnitt stellt sich jedes Jahr heraus, dass 300 dieser Personen zu Unrecht inhaftiert wurden. Nur einer von zehn Untersuchungshäftlingen wird am Ende auch tatsächlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Hinzu kommt: Die dramatische Überbelegung der belgischen Gefängnisse führt quasi die gesamte Politik der Strafverfolgung ad absurdum.
Die Verhältnisse in Foret sind eine Schande, donnert ihrerseits La Libre Belgique. Häftlinge, die manchmal nur über einen Quadratmeter Bodenfläche verfügen, das ist unmenschlich, entwürdigend, unwürdig. Eine Gefängnisstrafe beinhaltet lediglich den Freiheitsentzug, darf den Häftling nicht all seiner Rechte berauben. Zu Recht haben Anwälte, Magistrate und Menschenrechtler diese Zustände angeprangert. Die Regierung sollte jetzt schnellstens Abhilfe schaffen. Das Gefängnis von Forest ist nämlich wie eine entsicherte Granate, die jeden Moment explodieren kann.
Kindergarten - eine verpflichtete Integrationsmaßnahme?
In Flandern sorgt derweil ein Vorschlag des ÖSHZ-Vorsitzenden von Gent für Diskussion. Geert Versnick regt an, Menschen, die ein Eingliederungseinkommen beziehen, die Sozialhilfe teilweise zu streichen, falls sie sich weigern, ihre Kinder in den Kindergarten zu geben. Damit soll verhindert werden, dass die Kinder sozusagen von Anfang an ein Wissensdefizit aufweisen, wie unter anderem Gazet van Antwerpen berichtet. Der flämische Unterrichtsminister Pascal Smets nannte diesen Vorschlag unsozial.
Het Belang van Limburg sieht das nicht so. Es mag offenkundig sein, dass diese Maßnahme vor allem auf Familien mit Migrationshintergrund abzielt. Doch muss doch jeder zugeben, dass gerade Kinder von ausländisch stämmigen Eltern viel zu oft sprachliche Defizite haben. Es ist von größter Wichtigkeit, dass diese Kinder so jung wie möglich in den Kindergarten gehen, um dort buchstäblich spielend niederländisch zu lernen.
De Standaard ist der gleichen Meinung. Ein Eingliederungseinkommen zu beziehen, das zählt zu den Rechten in diesem Land. Doch Rechte beinhalten auch Pflichten. Es geht hier letztlich um einen Sozialvertrag. Und wenn der Vertrag nicht eingehalten wird, dann drohen eben Sanktionen. Wenn das bislang so nicht im Gesetz steht, dann muss das Gesetz eben geändert werden.
Teures Belgien
Eine ganz andere Geschichte auf der Titelseite von L'Echo: "2013 müssen noch einmal 5 Milliarden Euro eingespart werden", so die Schlagzeile. Anscheinend hat das Planbüro seine neuesten Prognosen vorgelegt, und daraus geht hervor, dass Belgien ohne neue Einschnitte sein Sparziel im kommenden Jahr verfehlen würde; 5 Milliarden, das ist aber noch einmal fast die Hälfte dessen, was schon in diesem Jahr aufgebracht wird.
De Morgen bringt heute die Geschichte, dass die Fluggesellschaft Brussels Airlines offenbar auswandern will. Hintergrund: die Airline hat finanzielle Probleme und macht dafür unter anderem die hohen Lohnkosten in Belgien verantwortlich. Konkurrent Ryanair hat das Problem nicht, da sein Personal nach irischem Recht eingestellt wurde. Brussels Airlines fordert jetzt also eine fiskale Ausnahmeregelung; ansonsten will man den Firmensitz ins Ausland verlegen.
Kommentierend mein De Morgen dazu: Wieder so ein Unternehmen, das den Staat mit markigen Drohungen erpressen will. Erst will Dexia seiner Prämienzahlung entgehen und führt dabei sogar eine mögliche Pleite ins Feld. Und jetzt setzt Brussels Airlines der Regierung die Pistole auf die Brust. Gegenstandslos ist die Forderung der Airline nicht. In Belgien ist die Arbeit zu teuer, das ist bekannt. Doch warum sollte Belgien sein Sozialsystem beschneiden? Dass niedrigste Niveau darf in Europa nicht zum Maß aller Dinge werden.
Wenn Schüsse nach hinten losgehen
Het Laatste Nieuws kommt heute auf Seite eins auf den gescheiterten Versuch der Ausweisung eines Asylbewerbers zurück. "PS-Senatorin verhindert Abschiebung eines Gangsters", so die Schlagzeile auf Seite eins. Die PS-Politikerin Fatiha Saïdi hatte vor einigen Wochen in einem Flugzeug gesessen, mit dem ein abgewiesener Asylant in seine Heimat ausgeflogen werden sollte. Die Senatorin hat das mit ihrem Einschreiten de facto verhindert. Das Problem, wie Het Laatste Nieuws heute berichtet: Der Mann hat ein riesiges Vorstrafenregister: 42 Straftaten soll er verübt haben.
Het Nieuwsblad macht heute auf mit den Sabotage-Drohungen gegen die Flandern-Rundfahrt. Hintergrund: Der Parcours des Radklassikers wurde in diesem Jahr verändert; unter anderem passieren die Fahrer nicht mehr die berühmte "Mauer von Geraardsbergen". Einige eingefleischte Fans sind darüber so erbost, dass sie das Rennen am Sonntag um jeden Preis boykottieren wollen. Unter anderem drohen sie damit, Reißnägel auf die Fahrbahn zu werfen. Het Nieuwsblad kann das nicht nachvollziehen: Wie kann man denn aus angeblicher Liebe für die Flandernrundfahrt kaputt machen wollen?
Bild: Herwig Vergult (belga)