Auf vielen Titelseiten schließlich: das Foto von Patricia Lefranc, die von ihrem Ex-Liebhaber mit Säure entstellt wurde und die jetzt vor Gericht nach eigener Aussage Genugtuung erfahren hat.
"Abschied von toten Klassenkameraden", titeln heute fast gleichlautend Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. Nach Lommel hat gestern auch Löwen der Opfer des verheerenden Busunglücks in der vergangenen Woche in der Schweiz gedacht.
Bei der Katastrophe waren sieben Kinder und zwei Betreuer aus einer Schule im nahegelegenen Heverlee ums Leben gekommen. Auch die Gedenkfeier in der Sint-Pieters-Kirche war äußerst bewegend. Einige Zeitungen bringen das Foto von Premierminister Elio Di Rupo, der seine Tränen trocknet.
Adieu auf Krücken
Im Mittelpunkt standen diesmal auch die Kinder, die das Unglück überlebt haben. Viele tragen noch Zeichen der Verletzungen, die sie sich bei dem Unfall zugezogen haben. "Ob auf Krücken oder im Rollstuhl: Sie wollten dabei sein", bringt es Het Nieuwsblad auf den Punkt. "Fliegst Du jetzt durch die Luft?", zitiert Het Belang Van Limburg auf seiner Titelseite eins dieser Kinder, das sich an seinen toten Klassenkameraden wendet. Anderes Zitat auf Seite eins von Gazet Van Antwerpen: "Die Liebe ist das schönste, das übrig bleibt nach dem Tod."
Kommentierend meint Het Belang van Limburg dazu: Das Land hat sich statthaft von den Opfern verabschiedet. Alle waren anwesend, vom Königspaar über Vertreter aus Politik und Gesellschaft bis hin zu einfachen Bürgern. Und niemand wurde vergessen, auch nicht die Busfahrer. Heute beginnt wohl wieder der Alltag. Aber nicht für die Familien. Bleibt zu hoffen, dass man auch noch an die Opfer und die Angehörigen denkt, wenn die Fernsehkameras wieder weg sind.
Klar, das Leben geht weiter, notiert auch Gazet van Antwerpen. Manchmal kann man sich aber darüber wundern, wie schnell und wie nahtlos der Alltag wieder einkehrt. Beispiel gestern im Parlament: Dieselben Politiker, die noch am Morgen in Löwen in der Kirche saßen, lieferten sich am Nachmittag im Parlament eine gnadenlose Schlammschlacht. Einige von ihnen trugen sogar noch Trauerkleidung. Natürlich lebt die Demokratie von Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. Gerade an einem Tag wie gestern mochte man aber das nötige Quäntchen Würde vermissen.
Toulouse - Wer war Mohammed Merah?
Zweites großes Thema ist der Tod des mutmaßlichen Serienmörders von Toulouse. Mohammed Merah starb gestern bei der Erstürmung seiner Wohnung. Die genauen Umstände sind noch unklar. "Der Tod von Merah lässt Fragen offen", titelt denn auch L'Avenir.
Wie De Morgen auf seiner Titelseite berichtet, soll Mohammed Merah Mitglied einer salafistischen Islamistenorganisation gewesen sein, die auch in Belgien aktiv ist. Unter anderem soll sie der Gruppe Sharia4Belgium nahestehen, die Belgien ja unter anderem wegen des Burka-Verbots offen gedroht hatte.
"Wer verbirgt sich hinter Mohammed Merah?", fragt sich seinerseits La Dernière Heure. War der Mann wirklich Mitglied von Al-Kaida, wie er selbst angegeben hat? Da gibt es noch viele Fragezeichen, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Im Gespräch mit den Ordnungskräften hat Merah offenbar einen eher verwirrten Eindruck gemacht. Außerdem verhielt er sich bei der Vorbereitung seiner Gewalttaten wie ein Amateur. Er hinterließ unübersehbare Spuren, machte Anfängerfehler. Auf der anderen Seite soll er aber in der Tat eine ganze Reihe von Ländern der islamischen Welt bereist haben. Das passt dann wieder nicht in das Bild eines angeblich perspektivlosen Jugendlichen aus einem Vorortghetto.
Es ist jedenfalls bedauerlich, dass Mohammed Merah nicht mehr selbst aussagen kann, konstatiert La Libre Belgique. Zu welchem Zeitpunkt ist der Mann in den Extremismus abgedriftet? Welche waren die Beweggründe? Wie konnte er zu einem Fanatiker werden, der für seine Ideen eiskalt Kinder tötet? Antworten auf diese Fragen hätte man gerne von ihm selbst gehört.
Toulouse politisch ausgeschlachtet
In der Zwischenzeit hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy bereits eine entschlossene Reaktion angekündigt. "Keine Nachsicht", so die Schlagzeile von La Libre Belgique auf Seite eins. Das Ganze illustriert durch das Foto eines demonstrativ forsch wirkenden Sarkozy.
Le Soir spricht in diesem Zusammenhang schon von politischer Instrumentalisierung. Kommentierend meint das Blatt dazu: Der Fall des Serienkillers von Toulouse ist in Nullkommanichts ins Zentrum des Wahlkampfs gerückt. Die Auseinandersetzung zwischen den Präsidentschaftskandidaten war schon vorher von einer außerordentlichen verbalen Gewalt geprägt, jetzt allerdings ist das Niveau ins Bodenlose abgesackt. Nicolas Sarkozy hat nicht lange gezögert und feierlich das Gewand des Präsidenten übergestreift. Damit hat er seine Konkurrenten ins Abseits gedrängt. Schließlich gilt: "Kleider machen Leute."
Ähnlich sieht das L'Avenir: Nicolas Sarkozy hat keine Sekunde gezögert, die Ereignisse von Toulouse politisch auszuschlachten. Natürlich muss man einräumen, dass ein solches Drama zwangsläufig politische Fragen aufwirft. Diese aufzugreifen, das ist allerdings ein Drahtseilakt. Und manchmal kann eine Sache bei allen guten Absichten plötzlich in die falsche Richtung abdriften.
Ein neues Leben?
Auf vielen Titelseiten prangt heute auch das Foto von Patricia Lefranc, der Frau, die von ihrem Ex-Liebhaber mit Schwefelsäure übergossen und auf ewig entstellt wurde. Ihr Peiniger, Richard Remes, wurde gestern vom Brüsseler Schwurgericht zu 30 Jahren Haft verurteilt. "Erleichterung nach dem Prozess", so denn auch die Schlagzeile von De Standaard. L'Avenir bringt ein Interview mit Patricia Lefranc. Wie sie sagt, könne jetzt vielleicht doch so etwas wie ein neues Leben beginnen.
Bild: Yorick Jansens (belga)