Weitere Themen sind der spektakuläre Vorfall vor dem Königspalast in Laeken, neuer innerbelgischer Knatsch und das erste Zeugnis für die Regierung Di Rupo.
"Eine ganze Gemeinschaft steht unter Schock", titelt heute L"Avenir. "Der schiitische Imam wurde getötet von einem sunnitischen Marokkaner", fasst Le Soir die neuen Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf eine Brüsseler Moschee. Der mutmaßliche Brandstifter konnte ja gleich nach der Tat festgenommen werden. Inzwischen hat er ein Teilgeständnis abgelegt. Dabei hat er unter anderem das ausgesagt, was De Standaard auf seiner Titelseite hervorhebt: Der Mann wollte "Rache für Syrien". Das Regime von Baschar al-Assad wird vom schiitischen Iran unterstützt; Opfer der gewaltsamen Repression sind in der Regel Sunniten.
La Libre Belgique versieht all das mit einem Fragezeichen. "Ist es wirklich die Tat eines einzelnen religiösen Fanatikers"", fragt sich das Blatt auf Seite eins.
Brandanschlag - Ein "importierter" Konflikt?
Kommentierend meint dazu Gazet van Antwerpen: Es kann nicht sein, dass Extremisten ihre politisch-religiösen Konflikte in Brüssel austragen. Fanatiker gehören in Belgien an die Kandare gelegt. Am Sonntag organisiert die muslimische Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit einen weißen Marsch in Brüssel als Reaktion auf den tragischen Brandanschlag. Hoffentlich gibt es eine große Teilnehmerzahl.
Auch Le Soir warnt vor den möglichen Folgen der Spannungen zwischen den verschiedenen islamischen Strömungen. Es gibt Moscheen in Brüssel, in denen Hass gegen Schiiten gepredigt wird. Selbst wenn sich die These eines Einzeltäters bewahrheitet: Hier darf die Staatsgewalt nicht länger tatenlos zusehen. Diejenigen, die die Spannungen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen anheizen, gehören zur Ordnung gerufen.
"Oder doch nur die Tat eines einzelnen Verwirrten"
Andere Zeitungen heben dem gegenüber die Besonnenheit hervor, die hohe Vertreter der verschiedenen islamischen Gemeinschaften in Brüssel an den Tag gelegt haben. Man sollte jetzt nicht in Paranoia verfallen, mahnt La Libre Belgique. Nein! Brüssel wird nicht zu einem europäischen Homs. Die Gefahr, dass die Feindseligkeiten zwischen Sunniten und Schiiten eins zu eins auf die hiesigen Gemeinschaften übergreifen, ist nicht gegeben. Allenfalls beschränkt sich das Phänomen auf einzelne Verwirrte. Man sollte sich hier nicht von extremistischen Parteien und Populisten verrückt machen lassen, die genau diese Ängste schüren. Im Augenblick sollten alle einen kühlen Kopf behalten: die Muslime, aber auch die Nicht-Muslime.
Es ist jedenfalls erfreulich festzustellen, dass der Tod des Imams bislang noch nicht zu Ausschreitungen oder Racheakten geführt hat, bemerkt De Morgen. In Brüssel ist das Zusammenleben von Schiiten und Sunniten von gegenseitigem Respekt geprägt. Wie auch der Zentrale Moslem-Rat unterstrich, spiegelt der feige Anschlag in keiner Weise die gelebte Realität wider. Fundamentalisten und Fanatiker stellen nur eine verschwindend kleine Minderheit dar. Gegen die sollte jedoch der Staat mit aller Strenge auftreten, um ein friedliches Zusammenleben auch in Zukunft zu gewährleisten.
Einem Vorfall wie dem Brandanschlag in Anderlecht kann man mit zwei gegensätzlichen Grundeinstellungen begegnen, fasst es L'Avenir zusammen. Entweder mit der rosa Brille auf der Nase, nach dem Motto: Das ist der Akt eines Einzeltäters. Davon abgesehen ist Belgien ein Paradies des friedlichen Zusammenlebens, ungeachtet der Spannungen im Rest der Welt. Umgekehrt ist die Versuchung groß, in Verfolgungswahn zu verfallen und davon auszugehen, dass alle Konflikte dieser Welt vom Iran über Syrien nach Marokko quasi automatisch einen Widerhall in Belgien finden. Beide Grundhaltungen sind falsch. Es gibt nicht DEN Moslem, genau so wenig wie andere soziale Gruppen.
Erst Anderlecht, dann Laeken?
Der Dienstag war ein befremdlicher Tag, konstatiert Het Belang van Limburg. Innerhalb von 24 Stunden gab es zunächst einen Brandanschlag auf eine Moschee, und dann einen spektakulären Zwischenfall vor dem Königspalast in Laeken. Dort wartete ja eine Polizeieskorte auf den neuen Botschafter von Katar in Belgien. Bis plötzlich ein Auto auf die Gruppe zurast; es kommt zur Kollision; acht Polizisten wurden zum Teil schwer verletzt. "Wahnsinn vor dem Palast - acht Beamte umgemäht", fasst es Gazet Van Antwerpen zusammen. Später stellte sich heraus, dass der Unfallfahrer eigentlich Selbstmord verüben wollte, wie auch Het Belang Van Limburg auf Seite eins hervorhebt.
Zwischen beiden Vorfällen hätte man durchaus zunächst einen Zusammenhang sehen können, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Es war ja der Wagen des Botschafters von Katar. Und Syrien betrachtet Katar als Drahtzieher hinter den Aufständischen. Glücklicherweise haben sich die vermeintlichen Parallelen zwischen beiden Vorfällen als unbegründet erwiesen. In beiden Fällen ging es um verwirrte oder geistesgestörte Individuen. Nichtsdestotrotz könnte man die Ereigniskette zumindest als Warnschuss betrachten. Mehr denn je ist Wachsamkeit geboten.
Innerbelgischer Knatsch in Vietnam
Im fernen Vietnam hat derweil der flämische Ministerpräsident Kris Peeters für Verstimmung gesorgt. Eine belgische Handelsmission unter Führung von Prinz Philippe befindet sich derzeit auf einer Rundreise durch das fernöstliche Land. Es geht darum, für belgische Betriebe Türen zu öffnen. Peeters hat aber offenbar wiederholt mit Alleingängen für Befremden gesorgt. Gestern entfernte er sich sogar von der Delegation, um im benachbarten Birma die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu treffen. Außenminister Didier Reynders reagierte mit einer giftigen Bemerkung; der Brüsseler Regionalminister Benoît Cerexhe gab öffentlich zu Protokoll, dass er die Nase voll habe. Die Belgier schaffen es inzwischen sogar, ihre Sandkastenquerelen in die Welt zu exportieren, frotzeln Le Soir und Het Laatste Nieuws. Peeters vergisst offenbar, dass er sich nach wie vor in den belgischen Kontext einbettet, meint Het Laatste Nieuws.
Peeters sollte sich in Bescheidenheit üben, notiert auch Het Nieuwsblad. Ein Prinz öffnet Türen, warum nicht davon profitieren" Aber anscheinend konnte Peeters der Versuchung nicht widerstehen, hübsche Fotos mit einer Friedensnobelpreisträgerin schießen zu lassen.
100 Tage
Auf Seite eins von De Morgen bekommt die Regierung Di Rupo nach knapp 100 Tagen im Amt ihr Zeugnis; und das fällt nicht so gut aus. "Die Flamen wollen Di Rupo nicht, titelt das Blatt. Demnach würde ein Viertel der Flamen Di Rupo gerne durch einen anderen ersetzen. In den anderen Landesteilen kann die neue Equipe aber auch nicht punkten: "Die Mehrheit der Belgier gibt der Regierung die Note ungenügend", fügt De Morgen hinzu. Das deckt sich mit einer Umfrage, die Le Soir heute veröffentlicht: Die Belgier geben der Regierung demnach die Note 4,9 auf zehn.
Archivbild: Christophe Legasse (belga)