Viele Zeitungen beleuchten heute die russische Präsidentschaftswahl, die morgen stattfinden wird. Im Mittelpunkt vieler Leitartikel stehen derweil der neue EU-Haushaltspakt und insbesondere die EU-Empfehlungen für Belgien. Weitere Themen sind die Spekulationen über einen möglichen Thronverzicht von König Albert II. und die Rückkehr von Bart De Wever auf die innenpolitische Bühne.
Fast alle Zeitungen greifen heute die Meldung auf, mit der Le Soir gestern für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Die Frage lautet: Wird König Albert II. am 21. Juli 2013 zu Gunsten seines Sohnes abdanken?
Het Belang van Limburg hält dieses Szenario für plausibel. Mitte nächsten Jahres könnte sich in der Tat ein Fenster auftun: Die Staatsreform dürfte unter Dach und Fach sein. Hinzukommt: keine Wahl weit und breit.
Da gibt es nur einen möglichen Störfaktor: die N-VA. Sollte die N-VA die Gemeinderatswahlen mit fliegenden Fahnen gewinnen, dann würden die traditionellen flämischen Parteien wohl ein weiteres Mal aufgescheucht, und mit Blick auf die Parlamentswahlen im Juli 2014 wäre es dann möglicherweise schnell um die Ruhe geschehen.
De Wever bläst zum letzten Gefecht
Bart De Wever meldet sich heute in einem ausgebreiteten Interview in Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg zurück. Der N-VA-Chef hatte sich in den letzten Wochen demonstrativ rar gemacht. Jetzt blickt er offensichtlich mit neuem Kampfgeist und einigen Kilos weniger auf den Rippen auf die Wahl 2014.
Seine Parole: keine Kompromisse mehr. Die Staatsreform, also das Herumwerkeln an der derzeitigen Staatsstruktur, das hat als Instrument ausgedient. Seine Partei werde vielmehr 2014 gleich für den Konföderalismus eintreten. Also: mehrere Staaten unter einem gemeinsamen Dach.
Kommentierend mein Gazet van Antwerpen dazu: Bart De Wever geht jetzt ganz offensichtlich auf Konfrontationskurs. 2014 will er es auf den ultimativen Clash anlegen. Es dürfte ein knallharter Wahlkampf werden. Und wenn die N-VA als Siegerin hervorgeht, dann erwartet uns große Umwälzungen.
Wahlen in Russland
"Wladimir Putin - künftiger russischer Präsident, aber schon jetzt äußerst umstritten", titelt heute L'Avenir. Le Soir ist bildlicher: "Der Zar kehrt zurück, die Revolution auch". Vor allem die frankophonen Zeitungen blicken heute auf die russische Präsidentschaftswahl. La Libre Belgique widmet dem Ereignis sogar zahlreiche Sonderseiten. Die Titelseite ist ganz in den Farben der russischen Fahne gehalten: weiß, blau, rot, mit einer Matroschka-Puppe im Zentrum.
Nach einem Intermezzo als Premierminister bewirbt sich Wladimir Putin morgen für eine dritte Amtszeit als Präsident des Riesenreichs. Dass er die Wahl gewinnen wird, daran besteht im Grunde kein Zweifel. Allerdings wachsen im Land die Proteste gegen seine Amtsführung.
Putin genießt nach wie vor eine große Popularität, stellt La Libre Belgique fest. In den nächsten sechs Jahren wird man wohl weiter mit ihm leben müssen, wohl oder übel. Putin sollte aber wissen, dass die Proteste gegen ihn die Vorläufer sind für das Ende einer Ära. Nicht zuletzt das Internet macht die traditionellen Methoden eines repressiven Regimes unbrauchbar. Früher gelangte quasi nichts an die Öffentlichkeit, was die Regierung im Verborgenen halten wollte. Das gibt es heute nicht mehr. Die Menschen in Russland wollen nur zwei Dinge: weniger Geringschätzung und mehr Demokratie.
Auch für Le Soir bahnt sich in Russland eine Zeitenwende an. Wladimir Putin wird morgen allenfalls einen Pyrrhussieg davontragen. Die neue Mittelklasse in Russland steht nicht mehr uneingeschränkt hinter ihm, die junge Generation ist weltoffen und von der russischen Nabelschau irritiert. Wenn Putin in die Geschichte eingehen will, dann sollte er jetzt damit beginnen, den Übergang zu einer wahrhaftigen Demokratie zu organisieren. Denn es ist so: Nichts und niemand kann das Volk dazu zwingen, zu schweigen.
Belgien und das EU-Zeugnis
Viele Zeitungen kommen heute noch einmal auf den EU-Gipfel zurück. "In Europa beginnt die Ära der Haushaltsdisziplin", titelt etwa L'Echo. 25 der 27 Mitgliedstaaten haben einen Haushaltspakt unterzeichnet, der unter anderem automatische Strafen vorsieht für ein Land, das sein Budget nicht in den Griff bekommt. Darüber hinaus hat die EU-Kommission ja auch den einzelnen Ländern ein wirtschaftspolitisches Zeugnis ausgestellt. In Bezug auf Belgien wird einmal mehr das außerordentlich hohe Niveau der Lohnkosten hervorgehoben. Nirgendwo in der EU ist demnach die Steuerlast auf Arbeit höher als in Belgien, unterstreicht insbesondere Het Belang van Limburg.
De Standaard meint: Man kann der EU vorwerfen, was man will, etwa, dass sie die Statistiken so liest, wie sie sie lesen will. Dennoch muss man zugeben: Das Gutachten über Belgien ist im Großen und Ganzen korrekt. Ob die Therapie dafür richtig ist, sei dahingestellt. Politiker und Parteien, die weiter links stehen, wären aber gut beraten, ihre Wut nicht an der EU auszulassen. Europaskepsis ist der falsche Weg. Vielmehr sollten sozialbewegte Parteien versuchen, Einfluss auf die europäischen Weichenstellungen auszuüben.
Wir müssen den Realitäten endlich ins Auge sehen, mahnt seinerseits L'Echo in seinem Leitartikel. Zwar sind der Ärger und die Wut bei den Gewerkschaften und den linken Parteien nachvollziehbar. Sie sehen sich und mit ihnen den "kleinen Mann" in die Zange genommen von einer ultraliberalen und bürokratischen EU. Doch muss man auch endlich einsehen, dass einige Staaten seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse leben. Unser System ist unbezahlbar geworden. Gerade in Belgien sollte man aufhören zu glauben, dass es ewig so weiter gehen kann: Auf der einen Seite eine weltweit einmalige Arbeitslosenunterstützung, auf der anderen Seite die höchsten Lohnnebenkosten in ganz Europa. Wir stehen vor einer Zeitenwende.
Het Laatste Nieuws gehen derlei Argumentationen demgegenüber offensichtlich auf die Nerven. Warum werden immer gleich die negativen Punkte aus einem Gutachten herausgepickt, fragt sich das Blatt. Zu hohe Lohnkosten in Belgien? 40 Multinationals, darunter auch Audi Brüssel, sind da offensichtlich anderer Meinung und betrachten Belgien nach wie vor als äußerst attraktiven Standort. Warum also immer diese Schwarzseherei? Das endlose Krisengerede macht alles nur noch schlimmer, sorgt bei den Menschen am Ende für Defätismus, den totalen Vertrauensverlust. Und damit wird der Weg bereitet für Politiker, die nur auf einem solchen Boden gedeihen können. Und bevor man sich versieht, lebt man in einem anderen politischen System.
Haushaltskonklave mit der N-VA im Nacken
Um die EU-Vorgaben zu erfüllen, muss Belgien mindestens zwei Milliarden Euro einsparen. Wie und wo, das wird beim Haushaltskonklave entschieden, das morgen beginnt. In De Morgen und La Libre Belgique lanciert die CD&V eine neue Idee: Steuerrückzahlungen könnten demnach langsamer erfolgen als bisher. Damit könnten immerhin 300 Millionen Euro eingespart werden.
Das Haushaltskonklave dürfte in jedem Fall für erhebliche Spannungen innerhalb der Regierungskoalition sorgen. Auf flämischer Seite werden die Parteien nach wie vor von der N-VA vor sich hergetrieben. Alle Beteiligten sollten aber wissen: Auch diese Sparrunde wird nicht die letzte sein. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Selbst, wenn einige Themen diesmal nicht zur Debatte stehen, zum Beispiel der Index, muss das nicht heißen, dass sie dafür auf ewig tabu sind.
Bild: Eric Lalmand (belga)