Die jüngste Diskussion über die Lohn-Index-Bindung lässt viele Zeitungen derweil nicht los. Im Mittelpunkt der Leitartikel in der flämischen Presse steht unterdessen die Protestaktion der Hafenlotsen, die offensichtlich inzwischen beendet ist.
"Die PS will eine Minimalabgabe für Unternehmen", titeln heute fast gleichlautend De Standaard und Le Soir.
Die anstehende Haushaltskontrolle wirft weiter ihre Schatten voraus. Diesmal lanciert also PS-Vizepremierministerin Laurette Onkelinx ihre Idee, die zur Haushaltssanierung beitragen könnte.
Ihre Feststellung: Große Unternehmen wie AB Inbev und Solvay oder auch einige Banken zahlen de facto so gut wie keine Steuern. Aus Sicht von Otto Normalverbraucher, der hart arbeitet und brav seine Abgaben leistet, ist das ungerecht.
Deswegen sollte man dafür sorgen, dass die Unternehmen ungeachtet aller möglichen Steuerkniffe wenigstens ein Mindestmaß an Steuern abführen.
"On n'y touchera pas"
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie sie in den letzten Tagen diskutiert wurde, lehnt die PS ab. Und das gilt erst recht für eine gleich wie geartete Anpassung des Systems der Lohn-Index-Bindung. "Non, on n'y touchera pas", zitiert De Standaard Onkelinx in ihrer Muttersprache. Also: Finger weg vom Index.
Die ganze Diskussion wird langsam kindisch, notiert dazu Le Soir in seinem Leitartikel. Die einen plädieren stur für eine Reform des Systems, andere betrachten den Index prinzipiell als heilig. Das bringt uns keinen Schritt weiter. Man sollte sich vielmehr die Realität anschauen und darauf reagieren.
Gleiches gilt für den neuen Vorschlag von Laurette Onkelinx: Ob eine Mindestabgabe für Unternehmen die Lösung ist, sei dahingestellt. Ihre Feststellung entbehrt dafür aber nicht jeglicher Grundlage: Es ist nicht normal, dass gewisse Unternehmen so gut wie keine Steuern zahlen. Ergo: Jetzt sind Lösungen gefragt, keine heiligen Kühe.
Gestern hatte auch Premierminister Elio Di Rupo in der Kammer noch einmal klargemacht, dass seine Regierung nicht am Index rütteln werde. Er schloss seinen Redebeitrag zu dem Thema mit Shakespeare: "Viel Lärm um Nichts". Dahinter verbirgt sich aber "un malaise", bemerkt L'Avenir. Wenn das Wort "Index" fällt, wird die PS nervös, weil sie sich mit ihrer kompromisslosen Haltung quasi selbst in die Enge getrieben hat. Einfach "basta" zu sagen und das Thema zu wechseln, wird aber auf die Dauer nicht reichen.
Apropos Index: Le Soir und auch La Libre Belgique haben den vertraulichen Bericht der Nationalbank einsehen können, der in den letzten Tagen so viel Staub aufgewirbelt hatte. Darin werden einige Vorschläge formuliert, um das System anzupassen. Laut Nationalbank sollte man demnach auf jeden Fall dafür sorgen, dass die Energiepreise das System nicht mehr so befeuern wir bisher.
Hafenlotsen am Pranger
"Alle gegen die Hafenlotsen", titelt derweil Gazet van Antwerpen. Die Lotsen hatten auch gestern ihren Bummelstreik fortgesetzt. Sie wollten damit gegen die Rentenreform protestieren. Insbesondere für den Hafen von Antwerpen hatte die Aktion dramatische Auswirkungen: Hunderte Hafenarbeiter waren technisch arbeitslos, Schiffe stauten sich an der Hafeneinfahrt, eine Reederei leitete sogar ihre Schiffe um, unter anderem zur Konkurrenz nach Rotterdam. Der wirtschaftliche Schaden wird auf eine Millionen Euro pro Stunde geschätzt, vom Imageverlust ganz zu schweigen, wie der Hafenbetreiber beklagt.
Viele Leitartikler gehen mit den Lotsen außergewöhnlich hart ins Gericht. Was insbesondere in Antwerpen passiert ist, sei geradezu scheußlich, donnert Gazet van Antwerpen. Weil einige hundert privilegierte Beamte, die über eine Jobgarantie verfügen, beschließen zu streiken, wird die Zukunft des Hafens, der flämische Wohlstand insgesamt in Gefahr gebracht.
Die großen Redereien haben es satt, allen voran MSC. Das Unternehmen denkt sogar darüber nach, seine europäische Drehscheibe von Antwerpen in ein anderes Land zu verlagern. Das wäre schlicht und einfach katastrophal: Mehr als die Hälfte aller Container, die in Antwerpen gelöscht werden, wird von MSC befördert. Die Proteste der Hafenlotsen treiben Antwerpen in den Untergang.
Allein der Antwerpener Hafen ist für Flandern gleichbedeutend mit 70.000 Jobs, einem Viertel der flämischen Wirtschaft, bemerkt Het Laatste Nieuws. Und all das wird durch 350 fettbezahlte Beamte in Gefahr gebracht. Eine Aktion von einer kleinen Berufsgruppe, die locker 5.000 Euro netto verdient, ist im Begriff, die Nummer drei der europäischen Häfen zugrunde zu richten. Die Politik muss nach Alternativen suchen, entweder über Zwangsverpflichtungen, oder indem man die Streikenden künftig durch anderes qualifiziertes Personal ersetzt.
"Der Erpressung nicht nachgeben"
Ähnlich sieht das Het Belang van Limburg. Die Hafenlotsen missbrauchen ihr Monopol. Das ist inakzeptabel. Entweder man beschließt einen Minimum-Dienst auch im Streikfall oder man bricht das Monopol und gibt auch Privatunternehmen Zugang zu den Hafendienstleistungen.
Dabei sind Hafenlotsen in der Regel eigentlich keine Dummköpfe, bemerkt De Standaard. Diese Protestler sind hochqualifizierte, gescheite und gut informierte Leute. Umso unverständlicher, dass sie an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. In ihrem Fall muss man jedenfalls das Bibelwort etwas umformulieren: "Vergebt ihnen nicht, denn sie wissen sehr wohl, was sie tun."
Alle Verantwortlichen, Politiker wie auch Arbeitgeber, sind jedenfalls gut beraten, der Erpressung dieser kleinen Berufsgruppe nicht nachzugeben. Und auch die Gewerkschaften sollten den Streikenden ihre Unterstützung entziehen: Hier geht es nämlich längst nicht mehr um die Interessen der Allgemeinheit, sondern nur um die Privilegien einiger weniger, die in ihrem Egoismus jegliches Augenmaß verloren haben.
Interesse an "Schlossmord" ungebrochen
Einige Blätter verfolgen weiter die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem so genannten "Schlossmord": Es gibt zwar nach wie vor keine Leiche, drei Verdächtige sitzen aber jetzt in U-Haft. "Drei Verdächtige aber kein Durchbruch", titelt Het Laatste Nieuws. Wirklich schlagende Beweise gibt es demnach immer noch nicht.
Ganz anderes Thema auf der Titelseite von De Morgen: Innenministerin Joëlle Milquet und Justizministerin Annemie Turtelboom stellen heute den neuen Nationalen Sicherheitsplan vor. Für die Polizei soll demnach der Kampf gegen bewaffnete Überfälle ab jetzt oberste Priorität haben.
Bild: Bruno Fahy (belga)