"Im Fall des Schlossmordes wurde der Schwiegervater festgenommen", titelt Gazet van Antwerpen. "Das Netz zieht sich zusammen um den Schwiegervater", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Zurück ins Gefängnis", steht in Blockbuchstaben auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws. Ein rätselhafter Fall, der alle Zutaten eines spannenden Krimis enthält, hält ganz Flandern in Atem. Die Sache ist inzwischen über die Sprachgrenze geschwappt: Auch La Dernière Heure widmet ihre Titelseite dem "Schlossmord".
Kurz zusammengefasst: Es gibt keine Leiche, aber eine ganze Reihe von Hinweisen, die auf ein Gewaltverbrechen hindeuten. Fakt ist: Der 34-jährige Schlossherr ist verschwunden. Inzwischen sind die Ermittler offensichtlich davon überzeugt, dass ihn sein Schwiegervater hat umbringen lassen. Der sitzt inzwischen wieder in U-Haft, nachdem er ein erstes Mal wegen Mangels an Beweisen hatte auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Zusammen mit dem Schwiegervater wurden fünf weitere Verdächtige festgenommen, darunter drei mutmaßliche Auftragskiller.
Quasi in jeder Zeitung ist ein anderes mögliches Motiv zu lesen: Für Gazet van Antwerpen sind es die Auswanderungspläne des mutmaßlichen Opfers, laut Het Laatste Nieuws wollte sich der Schlossherr zusammen mit seiner Familie einer Sekte anschließen, für La Dernière Heure ist das Motiv schlicht und einfach Geld.
Das "Index-Monster"
Im Mittelpunkt der Kommentare steht derweil ganz klar die neuerliche Diskussion um die Lohn-Index-Bindung. Den Stein ins Rollen gebracht hatte ja der Gouverneur der Nationalbank, Luc Coene. Eine neue Studie liefere den Beweis für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Wirtschaft. Deshalb müsse man möglicherweise über eine Anpassung des Systems der Lohn-Index-Bindung nachdenken, hatte Coene argumentiert. Coene steht dafür unter Beschuss, wie De Morgen auf seiner Titelseite hervorhebt. Offenbar erfolgte der Vorstoß nämlich, ohne dass sich Coene den Segen seines Direktionsrates eingeholt hatte.
Damit war das belgische "Monster von Loch Ness" aber schon wieder aufgetaucht, bemerkt Het Laatste Nieuws. Zum x-ten Mal wird hierzulande über den Index diskutiert. Doch auch diesmal dürfte es wohl ein Sturm im Wasserglas bleiben. Bis zum Monat Mai wird garantiert nichts passieren. Dann stehen nämlich Sozialwahlen an; und im Moment laufen die Gewerkschaften in Kampfmontur herum. Doch auch nach den Sozialwahlen bleibt eine Debatte über den Index schwierig bis unmöglich.
Vor allem die PS hat sich hier quasi selbst die Zwangsjacke angelegt, analysiert L'Avenir: Indem man den Index zur heiligen Kuh erklärt hat, hat man sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Denn früher oder später muss der Index auf dem Tisch der Regierung landen, glaubt Gazet van Antwerpen. So wie jetzt kann es zumindest nicht weitergehen. Die Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Wirtschaft steht auf dem Spiel. Vielleicht gibt es keine Patentlösung; das Problem gehört aber angepackt.
Ähnlich sieht das Het Belang van Limburg. Es bedarf zumindest einer Anpassung des Systems. Im Augenblick stecken wir in einem Teufelskreis: Hohe Energiepreise sorgen für hohe Inflation; hohe Inflation sorgt für ein Überschreiten des Schwellenindex", und damit steigen die Gehälter. Resultat: Die Produktionskosten der Unternehmen steigen ebenfalls, und das befeuert dann wieder die Preise. Diese Spirale muss durchbrochen werden.
Falsche Diskussion
De Morgen hingegen sieht in vielen der derzeit vorgebrachte Argumente nur einen fadenscheinigen Vorwand: Hier wird so getan, als sei der Index für alle wirtschaftlichen Probleme des Landes verantwortlich. Und dass die sich durch eine Anpassung des Systems quasi in Wohlgefallen auflösen. Das ist deutlich zu kurz gegriffen. Man sollte doch endlich aufhören, bei jeder Gelegenheit den "kleinen Mann" bestrafen zu wollen; Otto Normalverbraucher hat diese Krise nämlich bis zum Beweis des Gegenteils nicht ausgelöst.
Niemand plädiert ja in diesem Zusammenhang für eine Abschaffung des Systems, sind sich alle Leitartikler einig. Selbst die Liberalen wagen es nicht, den Index prinzipiell in Frage zu stellen. Leider, so stellt De Standaard fest, leider wird die Diskussion aber fast immer auf Schwarz-Weiß-Malerei reduziert: entweder abschaffen, oder behalten. Dadurch wird die Diskussion von vornherein abgewürgt. Viel konstruktiver wäre es, das System einmal zu durchleuchten und sich dabei die Frage zu stellen: Wie kann man ein Höchstmaß an Vorteilen behalten, und dabei die Nachteile maximal reduzieren" Das kategorische "Non" von PS-Vizepremierministerin Laurette Onkelinx bringt uns da jedenfalls keinen Schritt weiter.
Ähnlich sieht das Het Nieuwsblad: Der Index ist ein Instrument und kein Selbstzweck. Hier sollte es nicht um das Symbol gehen, sondern um den praktischen Nutzen. Das System hat sich auf der einen Seite durchaus bewährt: Die Kaufkraft der Bürger wird erhalten, und das steigert das Verbrauchervertrauen. Man muss aber auch einsehen, dass der Index für Probleme sorgt. Beides muss man vor Augen haben.
Roter Teppich für Rattenfänger
Le Soir und La Libre Belgique haben eine Studie eingesehen, in der die "Werte" der Belgier abgefragt wurden. Resultat: Der Belgier hält - mehr als andere Europäer - an SEINEM Sozialstaat fest, allen voran an der Sozialen Sicherheit. Demgegenüber ist fast nirgendwo das Vertrauen in die Politik so gering; der Belgier hält sogar die Demokratie für "nicht gerade sehr effizient"; hier bestehe die Gefahr, Populisten oder "Rattenfängern" auf den Leim zu gehen, warnt Le Soir.
L'Echo macht mit einer Meldung auf, die die früheren Fortis-Aktionäre hoffen lässt: Ein Gericht in Holland hat zwei ehemalige Bosse der Fortis für schuldig befunden, die Aktionäre wissentlich getäuscht zu haben. Für die Aktionäre, die ja quasi alles verloren haben, als Fortis zerschlagen werden musste, könnte das der erste Schritt sein hin zu einer Entschädigung.
Archivbild: Eric Vidal (belga)