"227 Euro muss jeder Belgier beisteuern, um das Haushaltsloch zu stopfen", titelt heute Het Nieuwsblad. La Dernière Heure spricht von einem "Krieg um Milliarden"; für L'Avenir ist die "Jagd" auf Millionen eröffnet.
Die Haushaltskontrolle wirft ihre Schatten voraus. Spätestens am ersten Märzwochenende wird die Regierung Nachbesserungen am Haushalt vornehmen müssen.
Um das Sparziel zu erreichen, müssen bis zu 2,5 Milliarden Euro zusätzlich gefunden werden. Het Nieuwsblad hat das einfach auf die Bevölkerungszahl umgelegt. Daher die Feststellung: Jeder wird wohl im Durchschnitt 227 Euro beisteuern müssen.
Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Im Augenblick kursiert eine ganze Reihe von Ideen zur Haushaltssanierung. L'Echo nimmt einige davon unter die Lupe. Unter anderem war über eine mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer nachgedacht worden. Laut L'Echo riecht es jetzt aber verdächtig nach der Einführung einer so genannten "allgemeinen Sozialabgabe".
Diese Idee war insbesondere von der PS-Vizepremierministerin Laurette Onkelinx in der Vergangenheit mehrmals in den Raum gestellt worden. Hier würde es sich um eine Abgabe handeln, die für jeden gilt: Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. Ausgenommen wären kleinere Einkommen. Eine "allgemeine Sozialabgabe" in Höhe von rund einem Prozent würde dem Staat anscheinend Mehreinnahmen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bescheren.
Open-VLD in der Offensive
Die flämischen Liberalen Open-VLD scheinen mit Blick auf die Haushaltskontrolle derweil schon die Messer zu wetzen. In De Morgen sticht Open-VLD Chef Alexander De Croo wieder ins Wespennest: Für ihn liegt es auf der Hand, über die Lohnindexbindung zu verhandeln. Genau das ist aber für die Gewerkschaften und insbesondere auch für die PS absolut tabu.
De Croos Parteikollege, der Open-VLD Pensionsminister Vincent Van Quickenborne sieht seinerseits noch finanzielle Spielräume bei der nationalen Eisenbahngesellschaft SNCB und auch bei anderen Staatsbetrieben. Die Open-VLD ist also gewissermaßen auf Krawall gebürstet, sind sich beide Blätter einig. Insbesondere scheinen sich die flämischen Liberalen auf Konfrontationskurs mit den Gewerkschaften zu begeben.
In ihrem Leitartikel plädiert La Libre Belgique in jedem Fall für Verhandlungen ohne Tabus. Wenn jede Partei ihre jeweiligen heiligen Kühe ins Feld führt, dann kann das Ergebnis der Haushaltskontrolle nur Stückwerk sein. Am Ende gibt es wohl wieder eine Fülle von kleinen Maßnahmen, die jegliche Kohärenz vermissen lassen. Viel besser wäre eine große Maßnahme, ein Masterplan, der vielleicht unpopulär wäre, aber dafür zumindest effizient. Dieser Masterplan könnte dann auch konjunkturbelebende Maßnahmen enthalten. Dieses Land braucht jedenfalls Perspektiven.
Rentenreform - neue Proteste
Zweites großes Thema ist die jüngste Polemik um die Nachbesserungen an der Rentenreform. In diesem Zusammenhang hatten insbesondere die Feuerwehrleute eine Ausnahmeregelung verlangt und dieser Forderung auch über eine spektakuläre Kundgebung Nachdruck verliehen. Ohne Erfolg, wie sich zeigte: Die Regierung blieb hart. Es soll keine weiteren Ausnahmen geben.
"Jetzt drohen wieder harte Protestaktionen", orakelt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Nicht nur die Feuerwehrleute haben neue Aktionen angekündigt, auch die Hafenlotsen, die ebenfalls ohne Erfolg eine Ausnahmeregelung verlangt hatten, wollen jetzt streiken. "Die Häfen des Landes werden am Dienstag lahmgelegt", titelt denn auch Gazet van Antwerpen.
Das ist vollkommen unverantwortlich, donnert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. In Zeiten der Rezession ganze Seehäfen lahmzulegen, das ist ein unglaublicher Schaden für die Wirtschaft. Wie kann man nur so egoistisch sein und für sich selbst eine Ausnahme einfordern, die absolut unrealistisch ist? Alle müssen länger arbeiten, um das Überleben unserer Sozialsysteme zu sichern. Jeder hat Rechte. Was aber die Lotsen oder Feuerwehrleute verlangen, sind Vorrechte.
Die Regierung hat Recht, wenn sie die Tür für neue Ausnahmeregelungen gar nicht erst öffnet. Es ist eine Tatsache: Nur ein Drittel der 55- bis 64-Jährigen befindet sich noch im Arbeitsleben. Ein solcher Zustand ist unbezahlbar. Und deswegen muss die Pensionsreform durchgezogen werden. Um unser System zu bewahren, müssen wir alle an einem Strang ziehen, jeder muss seinen Beitrag leisten.
Jeder, das bedeutet allerdings nicht unbedingt alle, kann Gazet van Antwerpen nur feststellen. Die Rentenreform betrifft nämlich zum Beispiel nicht Polizeibeamte, Soldaten oder das fahrende Personal der SNCB. Das ist nur schwer zu verkaufen. Die Polizisten waren in gewisser Weise das Trojanische Pferd: Es ist legitim, wenn Feuerwehrleute sich die Frage stellen, warum die Kollegen von den Ordnungskräften mit 58 in den Ruhestand gehen dürfen, sie selbst aber erst vier Jahre später. Es ist richtig, keine weiteren Ausnahmen zu gewähren. Noch besser wäre es aber gewesen, auch einmal an den bestehenden Privilegien zu rütteln.
"Vor der eigenen Haustür kehren"
Die jüngsten Proteste der Feuerwehrleute und auch der Hafenlotsen zeigen jedenfalls noch einmal, wie sehr die Rentenreform nach wie vor für Unmut sorgt, stellt Het Nieuwsblad fest. Die Reform wird offensichtlich nach wie vor nicht von der Bevölkerung mitgetragen. Hier darf die Regierung jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. Vielmehr müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, dass es den Menschen überhaupt möglich gemacht wird, länger zu arbeiten. Und noch etwas: Die Politiker müssen auch vor der eigenen Haustür kehren. Parlamentarier und Minister sollten jetzt eiligst auch ihre eigene Entlohnung und Pensionsregelung der neuen Realität anpassen.
Auch L'Avenir richtet einen Appell an die Politik, insbesondere an die Regierung. Auslöser für die Proteste der Feuerwehrleute war nicht zuletzt eine Aussage von Innenministerin Joëlle Milquet, die die Forderung nach einer Absenkung des Rentenalters für Feuerwehrleute öffentlich unterstützt hatte. Dadurch kam es zu einem offenen Streit mit dem Open-VLD Pensionsminister Vincent Van Quickenborne. Was soll diese Kakophonie? Die Regierung wäre gut beraten, ihre Kommunikation zu pflegen und nicht regelmäßig Misstöne oder Grundrauschen zu produzieren.
Politbarometer, Wasserpreis und ein makabrer Fund
La Libre Belgique veröffentlicht heute ihr Polit-Barometer. Drei Feststellungen: Die PS verliert in der Wallonie an Boden, in Flandern scheint der Vormarsch der N-VA gestoppt und in Brüssel startet die FDF durch.
Le Soir bringt heute auf seiner Titelseite die Meldung, dass es für viele Bürger in der Wallonie und in Brüssel immer schwieriger wird, ihre Wasserrechnung zu bezahlen. Innerhalb der letzten fünf Jahre sind die Wasserpreise nämlich um mehr als 50 Prozent angestiegen. Hintergrund sind die strengen europäischen Umweltnormen.
Einige Zeitungen, auch flämische Blätter, berichten heute über einen makabren Fund. In einem Wald in dem kleinen Weiler Arbre bei Profondeville, südlich von Namur, haben spielende Hunde eine Babyleiche entdeckt. L'Avenir macht daraus seine Titelgeschichte. Demnach war der Säugling zum Zeitpunkt seines Todes höchstens zwei Tage alt. Die Entdeckung der Leiche sorgte für einen Großeinsatz der Polizei. In Arbre herrscht allgemeine Fassungslosigkeit.
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