"Über 1.200 Jobs vernichtet innerhalb einer Woche", titelt heute Het Laatste Nieuws. Het Nieuwsblad macht eine andere Rechnung auf, das Resultat ist aber in letzter Konsequenz das gleiche: "Über 3.200 Arbeitsplätze abgebaut innerhalb eines Monats", so die Schlagzeile auf Seite 1. De Standaard schreibt denn auch in Blockbuchstaben auf seiner Titelseite: "Rezession tut weh".
Hammerschlag bei Bekaert
Vor allem in Flandern jagt derzeit eine Umstrukturierung die nächste. Der Stahldrahthersteller Bekaert sorgte dann gestern für den traurigen Höhepunkt, den "Hammerschlag", wie es De Morgen formuliert: Allein in Belgien wird Bekaert in vier Niederlassungen in Ost- und Westflandern rund 600 Arbeitsplätze abbauen. Als Begründung nannte die Geschäftsleitung den dramatischen Einbruch bei der Nachfrage von Photovoltaikanlagen. Bekaert selbst stellt zwar keine Sonnenpaneele her, liefert aber den feinen Sägedraht, mit dem die Platten zugeschnitten werden.
Bekaert ist zumindest ehrlich, notiert dazu Gazet van Antwerpen. Man hätte etwa der Regierung die Schuld in die Schuhe schieben können wegen der hohen Lohnnebenkosten in Belgien. Oder den Gewerkschaften, wegen ihrer Streikfeudigkeit oder Lohnforderungen. Nein! Bekaert gibt zu, dass dem Unternehmen der Absatzmarkt weggebrochen ist. Genau dafür gab die N-VA dann doch wieder der Regierung die Schuld, weil ja eine ganze Reihe von Umweltprämien weggefallen ist. Auch das ist Unfug. Ein Global Player wie Bekaert wird nicht wegen dem belgischen Markt ins Schleudern geraten. Die Frage bleibt im Raum, ob das soziale Drama zu vermeiden gewesen wäre. Fakt ist aber: Kein Unternehmen kann produzieren, wenn es keinen Käufer für die Produkte gibt.
Bekaert, das ist nur der jüngste Eintrag in einer Liste, die noch immer länger zu werden droht. Alcatel, Nokia-Siemens, Crown: Aus allen Ecken des Landes werden Entlassungen gemeldet. De Standaard stellt denn auch die bange Frage in den Raum, ob Industrie insbesondere in Flandern noch eine Zukunft hat.
"Europa wird zur Industriebranche"
Het Nieuwsblad ist da in seinem Leitartikel nicht so optimistisch. Es ist offensichtlich, dass sich die Industrie im Eiltempo aus Westeuropa zurückzieht. Rezession hin oder her: Die Jobs, die jetzt vernichtet werden, die bleiben vernichtet. Wir müssen unsere Wirtschaft also schnellstens neuausrichten. Belgien braucht einen Zukunftsplan; mehr Visionen bei den politischen Parteien, mehr Mut bei den Gewerkschaften, und mehr Kreativität bei den Unternehmen.
Die Regierungen des Landes müssen sozusagen zu Geburtshelfern für neue Unternehmen werden, mahnt auch De Standaard. Hemmschuhe müssen verschwinden, zum Beispiel die astronomischen Lohnnebenkosten. Wir brauchen mehr Innovation, mehr Unternehmergeist, mehr Leidenschaft für Technologie und Wissenschaft.
All das gilt aber nicht nur für Belgien, sondern für ganz Europa, konstatiert Le Soir. Der Fall Bekaert zeigt, wie sehr Richtungsentscheidungen auf EU-Ebene einzelne Betriebe beeinflussen können. Konkret: Wenn Europa auf nachhaltige Technologien setzen will, dann darf man nicht auf der anderen Seite die staatliche Förderung zusammenstreichen. Europa braucht eine gemeinsame Industriepolitik.
Het Laatste Nieuws sieht da vor allem Deutschland in der Pflicht. Die Rezepte von Angela Merkel, also vor allem ein strenger Sparkurs, stürzen Europa in eine leichte Rezession. Jetzt liegt es auch an Deutschland, das inzwischen alle anderen hinter sich gelassen hat, seiner wirtschaftlichen Schlüsselrolle gerecht zu werden und die europäische Ökonomie neu zu beleben. Deutschland ist da inzwischen in einer ähnlichen Position wie früher einmal Amerika. Statt eines Marshallplans bedarf es jetzt eines "Merkelplans".
Sinn und Unsinn von Steuergeschenken
Was derweil den Fall Bekaert mit dem angekündigten sozialen Kahlschlag in Belgien wieder besonders pikant macht, steht auf der Titelseite von La Libre Belgique und De Morgen zu lesen: "Bekaert hat fünf Jahre lang keine Steuern bezahlt", so die Schlagzeile. Keine Steuern, keinen Cent; obendrauf gab's gar Zuschüsse von der flämischen Regierung in Höhe von 18 Millionen Euro.
Zeitgleich, so bemerkt De Morgen, zeitgleich verbuchte das Unternehmen satte Gewinne: 36 Millionen Euro etwa im Jahr 2009. Kommentierend meint das Blatt dazu: Das sollte uns eine Lehre sein. Steuerliche Vorzugsbehandlung stellt keine Garantie für den Erhalt von Arbeitsplätzen dar. Bekaert zahlte nicht einen Cent Steuer und strich dabei Millionengewinne ein. Und das Unternehmen ist damit keine Ausnahme; im Gegenteil, nahezu die gesamte Top 20 der belgischen Wirtschaft drückt sich, mal mehr, mal weniger, an der Steuer vorbei. Das damit Jobs erhalten werden ist eine Fabel. Das sollten die Damen und Herren Politiker im Hinterkopf haben, wenn sie Ende des Monats die erste Haushaltskontrolle vornehmen.
Gaszähler drehen durch
Ganz anderes Thema auf der Titelseite von L'Echo: Die Gaszähler drehen wie verrückt, so die Schlagzeile. Der Grund liegt auf der Hand: Wegen der eisigen Temperaturen ist der Gasverbrauch der Haushalte natürlich in den letzten Tagen stark angestiegen; der Gasverteiler Fluxys spricht gar von einem 'Rekord'.
Nach Jean-Claude Marcourt plädiert derweil auch der PS-Parteikollege und Föderalminister Paul Magnette für eine Neuausrichtung der frankophonen Institutionen. "Die Wallonie muss vereinfacht werden", fordert Paul Magnette auf der Titelseite von Le Soir. Die Strukturen müssten durchsichtiger, verständlicher werden; und deshalb müsse man in der Tat auch über eine Regionalisierung des Unterrichtswesens nachdenken, schließt sich Magnette dem Parteikollegen Marcourt an.
Mord ohne Leiche
Fast alle flämischen Zeitungen schließlich befassen sich mit einer rätselhaften Geschichte, die sich auf einem malerischen Schloss in Wingene südlich von Brügge zugetragen hat. Die Schlossherrin fand bei ihrer Rückkehr nicht ihren Gatten vor, sondern stattdessen eine Blutlache; nicht weit davon entfernt entdeckte man später eine Patronenhülse. Ihr Mann bleibt verschwunden, das Blut stammt offenbar von ihm. Es gibt keine Leiche, keine Spur, keinen Verdächtigen, fasst es Het Nieuwsblad zusammen. Es bleibt ein Mysterium.
Bild: Peter Deconinck (belga)