Ganz klar im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare in der Tagespresse steht auch heute der für den kommenden Montag angekündigten Generalstreik. Im Radsport-verrückten Flandern sorgt aber auch eine Hausdurchsuchung beim Rad-Cross-Profi Bart Wellens für Aufruhr. Die frankophonen Blätter beleuchten ihrerseits den neuen Plan des wallonischen Ministerpräsidenten Rudy Demotte zur wirtschaftlichen Wiederbelebung der Wallonie.
"Alle gegen die Gewerkschaften", titelt heute Het Nieuwsblad. "Die Gewerkschaften verteidigen den Generalstreik", notiert das Grenz-Echo auf Seite 1. "Die Unternehmen bereiten sich auf das Chaos vor", so die Schlagzeile von L'Echo. Der für den kommenden Montag angekündigte Generalstreik wirft einen langen Schatten voraus. Die Mehrheit der Belgier steht nicht hinter der Aktion - sogar sozialistische Politiker üben Kritik an den Gewerkschaften, bemerkt Het Nieuwsblad. Der Vorsitzende der flämischen Sozialisten SP.A, Bruno Tobback, sprach etwa von Irrsinn.
"Kein Freibrief für Streikposten"
Naturgemäß lehnen auch die Arbeitgeber den Generalstreik kategorisch ab. Die flämische Mittelstandsvereinigung Unizo drohte schon mit rechtlichen Schritten für den Fall, dass Arbeitswilligen der Zugang zu ihrem Arbeitsplatz verwehrt wird. Sie können sich dabei auf die Meinung eines Expertengremiums des Europarates stützen, weiß De Standaard. Die Gewerkschaften hatten vor dem Gremium geklagt, weil sie das Einschalten der Justiz bei Sozialkonflikten als eine Beschneidung des Streikrechts betrachten. Der Europarat folgt dieser Argumentation nicht. "Kein Freibrief für Streikposten", titelt denn auch De Standaard.
Kommentierend meint das Blatt dazu: Es ist das altbekannte Spiel. Die Gewerkschaften fuchteln mit einer Waffe aus dem letzten Jahrhundert, und die Reaktion der Arbeitgeber ist ebenfalls längst veraltet. Die einen streiken, die anderen wollen den Streik mit allen Mitteln sabotieren. Immerhin wird jetzt mit dem Europarat einmal ein externer Schiedsrichter in diesen angestaubten Konflikt einschaltet. "Verschont uns bitte mit der Konfliktkultur aus vergangenen Zeiten", appelliert De Standaard. Der einzige, der etwas davon hat, weil er daran verdient, das ist der Gerichtsvollzieher.
Polizei gegen Streikposten?
Nichtsdestotrotz steht weiter die Drohung im Raum, wonach die Gewerkschaften "fliegende Streikposten" einsetzen könnten, um strategisch wichtige Kreuzungen oder ganze Industriegebiete zu blockieren. Premierminister Elio Di Rupo rief alle Beteiligten zur Besonnenheit auf. Uneinigkeit herrscht innerhalb der Regierung über den möglichen Einsatz der Polizei, um gegebenenfalls Blockaden aufzuheben, berichtet Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite. Die Open-Vld forderte ein mögliches Eingreifen der Ordnungskräfte, um, wie es hieß, das Recht auf Arbeit zu gewährleisten. Die Antwort von Premier Di Rupo war kryptisch: "Die Gemeinden und auch das Innenministerium werden am Montag ihre Rolle übernehmen", sagte Di Rupo in der Kammer.
Kommentierend meint Het Belang van Limburg dazu: Es gibt das Recht zu streiken, es gibt aber auch das Recht, zu arbeiten. Beide sind gleichwertig und jeder muss das auch respektieren. Notfalls kann das Recht auf Arbeit auch durch die Polizei erzwungen werden, etwa indem die Ordnungskräfte Verkehrskreuzungen freihalten oder den Zugang zu Gewerbegebieten garantieren. Die Regierung hat hier aber offensichtlich keine gemeinsame Haltung.
"In den Fuß geschossen"
Uneinigkeit herrscht offensichtlich auch innerhalb der Gewerkschaften, wie De Morgen auf seiner Titelseite feststellt. Das Blatt spricht von einem "internen Krieg bei der christlichen Gewerkschaft CSC". Offenbar hat die CSC-Sektion für den Öffentlichen Dienst ihre Mitglieder dazu aufgerufen, nicht zu streiken. Die Gewerkschaften haben wohl längst eingesehen, dass sie sich selbst in den Fuß geschossen haben, glaubt Gazet van Antwerpen. Man darf annehmen, dass sie es längst bereuen, zu einem Generalstreik aufgerufen zu haben. Die Mehrheit der Bürger steht nicht hinter der Aktion und doch werden die Gewerkschaften am Montag stolz verkünden, dass der Streik ein voller Erfolg war. Und damit man das auch sieht, wird notfalls eben das Recht auf Arbeit und damit letztlich eine demokratische Mehrheitsentscheidung ausgehebelt.
Hausdurchsuchung bei Rad-Profi
In Flandern gibt es noch ein zweites großes Thema, nämlich die Hausdurchsuchungen beim flämischen Radcross-Profi Bart Wellens. Am ersten Januar-Wochenende, kurz vor der Landesmeisterschaft im Radcross, wurde Bart Wellens plötzlich todkrank, er schwebte einen Moment lang in Lebensgefahr. Offiziell war hier von einem hartnäckigen Virus die Rede. Die Justiz stellt sich aber die Frage, ob hinter der Krankheit nicht was ganz anderes steckte: "Todkrank durch Doping?", fragt sich Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Bislang hat die Justiz keine Antwort auf die Frage gefunden. In seinem Leitartikel begrüßt Het Laatste Nieuws die Ermittlungen. So mancher dürfte sich die Frage gestellt haben, ob die geheimnisvolle Krankheit von Bart Wellens nicht auf Dopingmissbrauch zurückzuführen war. Es ist auch im Interesse des Radprofis selbst, dass dieser Verdacht ausgeräumt werden kann.
Horizont 2022
Die frankophonen Blätter beleuchten ihrerseits den neuen Plan der wallonischen Regionalregierung zur Wiederbelebung der Wallonie, mit Namen: Horizont 2022. "Der wallonische Ministerpräsident Rudy Demotte bläst zur Generalmobilmachung für die Wallonie", titelt etwa Le Soir. Dieser Plan kommt nicht von ungefähr, meint dazu L'Avenir in seinem Kommentar. Es ist vielmehr die Antwort von Rudy Demotte auf die Vorstöße des PS-Ministerkollegen Jean-Claude Marcourt. Im Klartext: Rudy will Jean-Claude zeigen, wer der Herr im Haus ist.
Und das Resultat ist wieder einmal so ein "Plan", notiert La Libre Belgique. Auch die MR hat schon vorgerechnet, dass es der insgesamt neunte Plan zur wirtschaftlichen Wiederbelebung der Wallonie ist. Diesmal, so meint La Libre Belgique, diesmal ist das aber gerechtfertigt. Die Regionen bekommen eine Fülle neuer Zuständigkeiten. Würde man sich darauf nicht vorbereiten, dann würde man zu Recht der Passivität beschuldigt. Böse Zungen würden allerdings sagen, dass die wallonische Regierung immer noch schnarchen würde, wenn Marcourt nicht seine Testballons hätte steigen lassen, frotzelt Le Soir. Die Initiative kommt etwas spät, aber es ist nie zu spät, das richtige zu tun - unter der Voraussetzung, dass es gelingt.
Bild: Marcel Van Hoorn (epa)