Viele Zeitungen beleuchten auch heute den für den kommenden Montag geplanten Generalstreik. Zweites großes Thema ist die Ankündigung der Regierung, den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Sozialbetrug drastisch zu verschärfen. Mit Blick auf die Haushaltskontrolle Ende Februar wird derweil über mögliche neue Einnahmequellen nachgedacht.
"Nur ein Fünftel der Menschen unterstützt den Generalstreik", titelt heute Het Laatste Nieuws. Die allgemeine Protestaktion vom kommenden Montag beschäftigt nach wie vor viele Zeitungen. Und eine neue Umfrage scheint da eine deutliche Sprache zu sprechen: Nur 21 Prozent der Belgier haben Verständnis für den Generalstreik, nur einer von zehn will aus Protest die Arbeit niederlegen und nur rund fünf Prozent der Leute wollen auf die Straße gehen.
Generalstreik spaltet das Land
Vor allem in Flandern gibt es sehr wenig Sympathie für den Streik, berichtet Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Selbst die beiden sozialistischen Parteien sind nicht ganz auf einer Wellenlänge: Thierry Giet bringt in La Libre Belgique und De Morgen Verständnis für die Sorgen der Gewerkschaften auf, wobei er aber naturgemäß den Streik nicht ausdrücklich gutheißt. Das liege eben in der Verantwortung der Gewerkschaften.
Der Vorsitzende der Schwesterpartei SP.A Bruno Tobback geht dagegen in Le Soir voll in die Vollen: Die Haltung der Gewerkschaften sei unverständlich. Die Arbeitnehmerorganisationen leiden offensichtlich unter selektiver Wahrnehmung: Sie übersehen anscheinend, dass die Regierung etwa den Kampf gegen Steuerhinterziehung verschärft. Ein Generalstreik, das sei eine Atombombe, wobei man sich die Frage stellen müsse, was die Gewerkschaften damit bezwecken.
De Standaard glaubt in seinem Leitartikel die Antwort zu kennen: Die Gewerkschaften setzen alles auf eine Karte, um am Ende nichts zu erreichen, urteilt das Blatt. Man will die Regierung überzeugen, aber wovon? Es gibt keine zentrale Forderung. Dafür führen die Gewerkschaften also ihre schwerste Waffe ins Feld! Dabei müssen sie feststellen, dass ihnen der Rückhalt in der Bevölkerung fehlt. Sehen wir es mal positiv, meint De Standaard. Dieser Generalstreik ist möglicherweise der letzte. Die Gewerkschaften müssen schmerzlich erfahren, dass die scheinbar altbewährte Waffe aus den 50er Jahren offensichtlich ins Museum gehört.
Dagegen spricht irgendwie eine Meldung in La Libre Belgique. Demnach könnte es am 29. Februar schon einen neuen großen Streik geben. Diesmal ruft der europäische Gewerkschaftsverband CES zum Protest gegen die Sparpolitik in der EU auf.
Halali
Zweites großes Thema sind die von der Regierung beschlossenen 16 Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Sozialbetrug. "Fiskus bläst zum Halali auf Steuersünder", titelt das Grenz-Echo. Die Jagd ist eröffnet, meint auch De Morgen in seinem Leitartikel. Jetzt muss man nur noch schießen und natürlich auch treffen. Steuerhinterziehung und auch Sozialbetrug, genauer gesagt Schwarzarbeit, das sei doch inzwischen zum Volkssport geworden. Der Fiskus bekommt jetzt die Instrumente, um das auszumerzen - mal schauen, so meint das Blatt, ob das auch gelingt. Der zuständige Staatssekretär John Crombez dürfte jedenfalls durch diese Ankündigung über Nacht vom nobody zum populärsten Politiker des Landes geworden sein.
John Crombez will offensichtlich nicht das Dasein eines Blumentopfes führen, konstatiert auch Gazet van Antwerpen. Das unterscheidet ihn von seinen Vorgängern im Amt des Staatssekretärs für Betrugsbekämpfung. Leute wie Carl Devlies, Bernard Clerfayt oder Hervé Jamar waren im Grunde pro forma-Staatssekretäre. Doch sollte der Sozialist John Crombez in seinem Engagement nicht die Bekämpfung von Sozialbetrug vergessen, die den Roten erfahrungsgemäß nicht so sehr am Herzen liegt.
Reynders am Pranger
Het Laatste Nieuws warnt indes vor Fehlschlüssen: Bei der CD&V tut man jetzt so, dass die Verschärfung des Kampfes gegen Steuerhinterziehung nur darauf zurückzuführen ist, dass einer der eigenen Leute das Finanzministerium übernommen hat, nämlich Steven Vanackere. Der frühere CD&V-Staatssekretär Carl Devlies stellte sogar ausdrücklich den früheren Finanzminister Didier Reynders an den Pranger. Warum erst jetzt?, fragt sich Het Laatste Nieuws. Wenn Devlies die Arbeit unter Reynders nicht gepasst hat, dann hätte er gleich reagieren sollen, statt jetzt nachzutreten.
Het Belang van Limburg hingegen macht Didier Reynders durchaus dafür verantwortlich, dass in den letzten Jahren die Betrugsbekämpfung nicht gerade Priorität genossen hat. Grundsätzlich jedenfalls wurde es endlich Zeit, dass man hier einmal aufräumt. Bislang war es nämlich so, dass derjenige, der sich brav an die Regel hielt, buchstäblich der Dumme war. Wenn jeder endlich die Steuern zahlt, die er zahlen muss, dann dürfte damit auch der Steuerdruck insgesamt sinken.
Mögliche neue Einnahmequellen
In der Zwischenzeit wirft die Haushaltskontrolle ihre Schatten voraus. In De Morgen und La Libre Belgique macht der PS-Interimsvorsitzende Thierry Giet klar: Neue Sparmaßnahmen stehen für seine Partei nicht zur Debatte, vielmehr sollte man zum Beispiel über die Einführung einer Steuer auf Kapitalerträge nachdenken.
Apropos Steuereinnahmen: Für die Brüsseler Zeitung Le Soir hat die Regierung hier eine Gelegenheit verpasst. "Rauchen wird in diesem Jahr de facto billiger", titelt das Blatt. Zwar wird der Preis für Tabakprodukte angehoben; hätte man den Preis aber einfach indexiert, also den Lebenshaltungskosten angepasst, dann wären Zigaretten teurer geworden als mit der jetzigen Preiserhöhung. Gerade in Zeiten leerer Kassen ist das absolut nicht nachvollziehbar, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Die Regierung hat es versäumt, durch eine nennenswerte Erhöhung der Tabaksteuer nicht nur die Staatskasse zu füllen, sondern auch einen Beitrag zur Volksgesundheit zu leisten.
Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)